31.08.2017, 22:26
Ein Gefühl der Erleichterung durchfuhr Talin, als Lucien sie entdeckte. Immer wieder wurde der Blickkontakt der beiden unterbrochen, als die Wellen zwischen ihnen höher schlugen und versuchten sie alle zu überschwappen. Dieses untergehende Schiff war aber auch lästig! Der Blick der Blonden schweifte in Richtung des absaufenden Kahns und ihre Augen verdunkelten sich etwas vor Besorgnis. Wenn sie noch länger hier blieben, dann würden sie Probleme bekommen. Ein Schiff ging niemals sang- und klanglos unter. Es hatte immer seinen letzten großen Auftritt, wie die Diven im Theater. Genau deshalb waren die meisten Schiffe ja auch weiblich. Und weil sie eben so unberechenbar waren, sollte man besser nicht in ihrer Nähe bleiben.
Ihre Augen suchten wieder ihren Bruder, der immer noch ziemlich weit entfernt war, den sie aber dennoch erkennen und zum Teil auch verstehen konnte, als er ihr etwas zu brüllte und hektisch mit der Hand gestikulierte. „Weg vom Sch... Schwim... ...lge euch!“ Die wogenden Wellen ließen seine Worte nur bruchstückhaft zu ihr gelangen. Und obwohl sie nur die Hälfte dessen verstand, was er ihr sagen wollte, wusste sie dennoch, was er meinte. Deshalb winkte sie ihm noch einmal, als Zeichen, dass sie verstanden hatte, und sah dann hinab zu ihrer außer Gefecht gesetzten Begleitung.
Talin stieß einen leisen Seufzer aus, schloss aber schnell den Mund wieder, als ein Schwall Salzwasser seinen Weg in ihren Mund fand. Shanaya sah gar nicht gut aus. Wenn sie sich nicht bald ausruhen konnte und ihre Wunde versorgt wurden, sollten sie sich ernsthaft Gedanken machen, wie sie sie aufs Schiff bekamen. Blass und kaum mehr wirklich bei Bewusstsein, würde die Schwarzhaarige bald schlapp machen und dennoch konnte sie wohl einfach nicht aufhören zu reden. Die ältere leichte leicht belustigt, schüttelte den Kopf und sah sich dann nach bekannten Gesichtern um.
„Ich versuch deine Wunde so kunstvoll und fantasievoll wie möglich zu nähen“, gab sie schmunzelnd zurück, „und jetzt halt die Klappe. Ich muss die Sphinx finden.“
Noch während sie das sagte, fing sie an sich selbst und Shanaya paddelnd vom sinkenden Schiff in Sicherheit zu bringen, damit sie vom Sog nicht erfasst wurden. Sie kamen nur langsam voran, denn so schwach wie die andere war, konnte sie nicht wirklich hilfreich sein. Und wenn Talin nicht gleichzeitig auch noch nach ihren Leuten Ausschau gehalten hätte, dann wären sie sicher schneller entkommen, bevor auf einmal ein lauter Knall hinter ihnen ertönte.
Die Blonde zuckte zusammen, hätte beinahe Shanaya losgelassen, als ein brennender Splitterregen auf sie niederprasselte. Wäre sie alleine gewesen, wäre sie untergetaucht, um sich in Sicherheit zubringen. Doch mit ihrem vollgesogenen Kleidern und ihrer geschwächten Gefährten, hatte sie keine andere Wahl, als die andere abzuschirmen und zu hoffen, nicht von zu großen Stücken getroffen zu werden. Gleichzeitig versuchte sie, sie beide weiter fort von diesem brennenden Regen und den Schreien um sie herum zu bringen. Fest biss sie die Zähne zusammen, während sie sich mühsam vorwärts bewegten und manchmal ein brennendes Stück Holz sie streifte.
Doch halt! Was war das? Auf der Stelle verharrend und mit dem bleischweren Beinen Wasser tretend, verengte sie die Augen, um durch die Nacht, den Rauch und das Feuer besser sehen zu können. Da war ein Schiff, ganz eindeutig. Ein Schiff mit...mit roten Segeln! Erleichtert stieß sie einen Seufzer aus, verschluckte sich diesmal aber am Wasser und hustete. Die Sphinx war gekommen! Jetzt mussten sie ihr nur noch ein Zeichen geben. Hektisch blickte sie sich um, suchte nach einer Möglichkeit auf sich aufmerksam zu machen. Noch etwas anzünden kam wohl gerade nicht in Frage. Ihr Blick blieb auf Shanayas Tuch hängen, welches sie krampfhaft in Händen hielt.
Kurzerhand griff sie nach einem vorbei schwimmendem Stück Holz und zog es zu sich ran.
„Die Sphinx...Shanaya. Ich brauch...dein Tuch...und du musst...dich allein festhalten!“
Vor lauter Anstrengung kamen die Worte nur stoßweise heraus. Sehr viel länger würde sie auch nicht durchhalten, wenn sie nicht bald heraus gefischt wurden. Also zog sie sich mühsam ein wenig höher, klemmte das Treibgut zwischen ihre Arme und griff dann nach Shanayas Tuch, um es an das Stück Holz zu binden, dass sie aufgesammelt hatte. Es war schwieriger und dauerte länger, als sie gedacht hatte, doch schließlich war die improvisierte Fahne fertig. Mit noch immer zusammengebissenen Zähnen, sammelte sie ihre Kräfte und hob das Holzstück in die Höhe, um es dann hin und her zu schwenken. Sie hoffte, die Jungs würden es, wenn überhaupt, schnell sehen, denn lange würde sie das nicht durchhalten.
[im Wasser schwimmend | bei Shanaya | schwenkt eine improvisierte Flagge | in sichtweite der im Wasser schwimmenden | will die Aufmersamkeit der Leute auf der Sphinx (T.T)]