23.08.2017, 11:00
Die grauen Zellen des Koches arbeiteten auf Hochtouren, während Greo den Befehl zum Dichtholen der Segel gab. Es wäre ihm viel lieber gewesen, wenn sie vor dem Wind hätten segeln können - umso schneller hätten sie die Morgenwind erreicht -, doch zumindest in dieser Hinsicht machte das Wetter ihnen einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Immer noch besser als ein ausgewachsener Sturm, dachte er grimmig, während er Greo stumm zunickte.
Der Großteil seiner Gedanken galt in diesem Moment jedoch den Geschehnissen auf dem Gefangenentransporter. Es wäre naiv gewesen, zu glauben, dass die Explosion zufällig kurz nach dem Auslösen des Alarms auf dem Schiff geschehen war. Augenscheinlich hatte es massive Probleme bei der Umsetzung des ursprünglichen Plans gegeben, welche die Piraten zur Improvisation gezwungen hatten. Mit der gewählten Methode stimmte Rayon ganz und gar nicht überein, denn die bedeutete mit nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass in dieser Nacht Unschuldige ihr Leben lassen mussten, doch damit würde er sich später beschäftigen und gegebenenfalls den Kapitän zur Rede stellen. Zunächst einmal galt es, schnell zu reagieren und zu hoffen, dass ihre Crew es rechtzeitig und unverletzt von Bord geschafft hatte. Zumindest ihr Ziel war jetzt klar: Sie würden besorgniserregend nah an die Morgenwind heranfahren müssen, um ihre Kameraden aus dem Ozean zu fischen und sich damit in unmittelbare Gefahr begeben. Der Dunkelhäutige warf den beiden noch intakten Schiffen der Marine einen flüchtigen Blick zu. Er konnte zwar nicht erkennen, ob sie bereits mit dem Wendemanöver begonnen hatten, davon mussten sie jedoch ausgehen. Ihr einziger Vorteil war, dass die Sphinx nicht nur aufgrund ihres Aufbaus, sondern auch aufgrund der deutlich geringeren Beladung einen immensen Geschwindigkeitsvorteil hatte. Den mussten sie nutzen, wenn sie die Nacht überleben wollten.
Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Ryan sich unverzüglich an die Arbeit machte und den Fockmast ansteuerte. Auch wenn der blinde Passagier bisher wenig getan hatte, um sich seine Sympathie zu verdienen, nötigte ihm dieser bedingungslose Tatendrang durchaus ein gewisses Maß an Respekt ab. Zumindest würde er sie bei ihrer Unternehmung unterstützen, und sie konnten gerade jede helfende Hand gebrauchen.
In eben diesem Moment und als er gerade in Richtung Großmast davonstürmen wollte, hörte er eine Stimme, deren Besitzer er eigentlich unter Deck erwartet hatte. Er drehte sich um und erblickte Gregory, den der Trubel an Bord der Sphinx anscheinend aus seinem heilsamen Schlaf gerissen hatte. Der Smutje unterdrückte einen erneuten Fluch, denn eigentlich sollte der Bruder des mehr oder weniger zielstrebig ebenfalls auf den Großmast zutaumelnden Trevors sich nach den Komplikationen, die seine Schusswunde verursacht hatte, schonen, doch der Anblick eben jener betrunkenen, selbsternannten Tänzerin ließ ihn verstummen. Mit ihrer Notbesatzung würde es ohnehin länger als sonst dauern, das Schiff auf Kurs zu bringen, und der Braunhaarige würde sich zumindest darum kümmern können, dass sein Bruder ihre Bemühungen nicht sabotierte. Einen winzigen Kommentar konnte er sich jedoch nicht verkneifen. Schnell überbrückte er die Distanz zu dem Mann, mit dem er bereits seit einiger Zeit segelte.
"Du solltest in deiner Hängematte liegen und tief und fest schlafen, Greg", sagte er mit sorgenvoller Stimme, bevor er ihm auf die Schulter klopfte. "Aber ich bin froh, dass du hier bist. Hier...", sprach er dann, löste die Halterung des Trinkbeutels, den er um seinen Gürtel geschnallt hatte und warf ihn Gregory zu. "Du kannst ein wenig Stärkung vertragen."
Er warf dem Braunhaarigen ein Lächeln zu und machte sich dann gemeinsam mit ihm auf den Weg zum Großmast, um das Segel zu trimmen und die Sphinx damit auf schnellstem Wege zur Morgenwind zu befördern.
[ Hauptdeck der Sphinx | gemeinsam mit Gregory und Trevor auf dem Weg zum Großmast | in Sicht- und Hörweite von Ryan und Greo ]