25.07.2017, 22:33
Es gab sie tatsächlich. Diese Momente, in denen du dein Leben überdenkst und dich fragst, ob die Richtungen, die du eingeschlagen hast, wirklich die richtigen waren. Ob du dich an bestimmten Punkten hättest anders entscheiden müssen, andere Wege gehen sollen, um nicht dort zu enden, wo du gerade bist. Farley hatte bisher nie Reue verspürt für irgendeine seiner Entscheidungen. In einer Zelle im Schiffsbauch eines Gefangenentransportes zu sitzen und eben diese Zelle mit zwei Halunken teilen zu müssen, die schlimmer stanken als all der gammlige Fisch in den Häfen der acht Welten zusammen, hatte ihn allerdings doch nachdenklich gemacht. Nicht, dass er über das Weglaufen von Zuhause, die Heelerei, die kleinen Gaunereien oder die Diebstähle nachdachte. Nicht doch, das wäre nahezu lächerlich gewesen. Er liebte seinen Beruf, wenn man das, was er tat so nennen wollte. Nein, Farley spielte mit dem Rücken an die Zellenwand gelehnt und so weit von seinen Zellengenossen wegsitzend wie möglich, nur immer wieder jede Minute seines letzten Coups in Gedanken durch. Wie hatte es nur dazu kommen können, dass er erwischt wurde? Natürlich war ihm in den Sinn gekommen, dass er verraten worden war. Aber es war im Allgemeinen eher nicht sein Stil anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Er suchte sie lieber bei sich. Wenn er sich darum sorgen musste, dass andere ihn womöglich verrieten, hätte das noch seine wichtigste Regel ins Wanken gebracht. Traue niemandem, außer dir selbst. Und gehe schon ja keine engen Beziehungen mit jemandem außer dir selbst ein. Das brachte nur Scherereien. Da alle seine Kontakte eher oberflächlicher Art waren, kam ihm auch niemand so richtig in den Sinn – außer eben sich selbst – der die Aktion hätte verbockt haben können. Doch der Fehler, den er gemacht hatte und der letztlich dazu führte, dass er statt einen erfolgreichen Rumschmuggel abzuschließen und einigen Goldmünzen mehr in seiner Tasche zu haben, die Eisen angelegt bekam, wollte sich einfach nicht entdecken lassen. Sinnlos, wie lange er auch darauf in seinen Gedanken herumnagte. Der junge Mann unterdrückte ein Seufzen und schloss die Augen. Nach Schlafen war ihm nicht zumute. Er mochte die Seefahrt und er hatte nichts gegen Schiffe. Allerdings war der Geruch unter Deck nicht der beste. Mehrere Tage ohne frische Luft, ohne die Aussicht aufs Meer und eingesperrt mit zwei Widerlingen, die vom Wort Körperhygiene scheinbar in ihrem ganzen Leben noch nie etwas gehört hatten, waren nicht unbedingt die Voraussetzungen, unter denen man die Augen schloss und im nächsten Moment schlummerte wie ein Kleinkind. Zumal er, wenn er schlief, keineswegs darüber nachdenken konnte, wie er aus dieser vermaledeiten Zelle entkommen konnte. Farley hatte keine große Lust in irgendein Gefängnis zu wandern und womöglich eines seiner Körperteile zu verlieren. Der Gedanke allein war unappetitlich.
Allerdings schien er nicht der einzige zu sein, der so empfand. Auch wenn er zugeben musste, dass das, was sich in den nächsten Minuten abspielte, eher... ungewöhnlich war. Alles war recht schnell gegangen. Die Matrosen hatten ihre Verladearbeiten beendet, zwei dieser höherrangigen Tiere waren nach unten gekommen und plötzlich waren vier weitere Gestalten aufgetaucht, die einen der Gefangenen abholen wollten. Es war nicht schwer gewesen, die Geschehnisse aus dem Schatten der Zelle heraus zu beobachten, ohne sich zu deutlich bemerkbar zu machen. Sicher hatte er nicht jedes Wort mitbekommen, aber so wie die Ereignisse sich entwickelten, war das doch recht eindeutig ein Befreiungsversuch – der darin endete, dass ein riesiger Tumult im Zellentrakt entstand und sich eine Tür nach der anderen langsam öffnete. Farley hatte darauf verzichtet sich wie die anderen Idioten in die Zellentür zu hängen, die Arme hinauszustrecken und darum zu betteln, ebenfalls freigelassen zu werden. Seiner begrenzten Erfahrung nach hatte das so viel Erfolg wie einen Fisch darum zu bitten in die heiße Bratpfanne hüpfen zu wollen. Nein, Farley konnte geduldig sein, wenn er es wollte und sein musste. Denn Geduld zahlte sich meist aus. Während seine Mitgefangenen noch immer zwischen den Gittern hingen, erhob sich der Braunhaarige langsam und schob sich naserümpfend hinter sie, um den Rest des Geschehens beobachten zu können. Die beiden hohen Matrosentiere, die die untergebenen Seemänner gefühlt alle zwei Minuten anbrüllten... schlugen sie sich auf die Seite der Befreier? Die Lage wurde unübersichtlich, aber Farley glaubte zu sehen, wie einige der vier zuerst aufgetauchten Gestalten unter Deck verschwanden. Ihm schwante nichts Gutes, die führten doch etwas im Schilde. Noch weniger als in einem Gefängnis zu verrotten wollte Farley im Zellentrakt eines Schiffes sterben. Und diese Befreiungsaktion roch danach, dass noch etwas Großes passieren würde. Der Tumult über ihnen war nicht zu überhören. Befehle wurden gebrüllt, was genau konnte er nicht sagen, da der Lärmpegel im Zellentrakt zu einem ohrenbetäubenden Geschrei angewachsen war. Scheinbar hatten alle Taugenichtse, die bis vor wenigen Stunden noch friedlich in ihren vergitterten Kajüten gesessen hatte, ihre Stimmen wiedergefunden. Verfluchtes Pack. Doch das Glück schien ausnahmsweise auf seiner Seite zu sein, denn auf wundersame Weise schienen die beiden, mit denen er eine Zelle teilte, zu irgendeiner besonderen Gruppe von Idioten zu gehören. Denn nur kurze Zeit später sprang die Tür zu ihrer Zelle auf. Die beiden vor ihm stürmten hinaus und um den zurückgelassenen Farley kümmerte sich niemand.
Der junge Dieb wartete einige Sekunden ab und schaute sich um, bevor er die Zelle verließ. Kurz überlegte er, ob er sich eine Waffe besorgen sollte. Bei der Durchsuchung hatte man ihm alle größeren Verteidigungsgeräte abgenommen. Er benutzte sie so gut wie nie, aber ein gutes und überzeugendes Argument in der Hand zu halten war nie verkehrt. Allerdings hatte man das kleine Messer in seinem Stiefel übersehen. Amateure. Nun ja, ihm sollte es reicht sein – und es sollte ihm zunächst genügen, um sich im Notfall verteidigen zu können. Die anderen Gefangenen interessierten Farley nicht. Sollten sie die Soldaten verprügeln, abstechen oder was auch immer mit ihnen tun – oder sich selbst die Köpfe einhauen. Nein, er interessierte sich für die Gruppe, die so unvermittelt im Zellentrakt aufgetaucht war und erst der Grund für all dieses Durcheinander war. Es war nicht ganz leicht in dem Tumult aus befreiten Gefangenen den Überblick zu behalten. Nach einigem Suchen aber entdeckte er die Gesuchten und sah sie gerade noch, wie sie in Richtung Kanonendeck verschwanden. Farley fackelte nicht lange, schlängelte sich geschickt zwischen stinkenden und einem offenbar toten Körper vorbei und folgte den anderen die Treppe hinauf. Im Gegensatz zu den anderen, die das seltsame Gebilde von einem Wachsoldat und mehreren Gefangenen abgaben (die konnten wirklich von Glück reden, dass die Soldaten so dumm waren ihnen dieses Schauspiel abzunehmen), hatte der junge Mann allerdings keine Tarnung. Farley blieb also nichts anderes übrig als sich so normal und schuldlos wie möglich zu verhalten. Er sah nicht so unflätig und abgeranzt aus wie ein Großteil der anderen Gefangen. Selbst mit seinem nicht mehr sonderlich sauberen weißen Hemd und seinen Stiefeln hätte er fast einer der Seemänner sein können, der gerade erst wach geworden und auf der Suche nach seiner Uniform war. Zielstrebigen Schrittes folgte er also den anderen. Er zog einige misstrauische Blicke auf sich, die er mit einem festen Nicken gen Oberdeck beantwortete. Aber im Allgemeinen dauerte es nicht lange, bis die Soldaten sich wieder hektisch anderen Dingen zu wandten – woanders wurde ihre Anwesenheit wohl dringender gebraucht und kaum jemand hatte Zeit sich um einen einsam herumlaufenden jungen Mann zu kümmern.
Auch wenn sich der Weg als unkomplizierter erwiesen hatte, als zunächst befürchtet, atmete Farley auf als er die Gruppe hinter einer Tür verschwinden sah, die scheinbar zu einer Kajüte gehörte. Er stürmte nicht gleich mit der Tür ins Haus, sondern lehnte sich zunächst daneben mit dem Rücken an die Wand, ließ den Kopf für einen Moment rückwärts gegen das Holz sinken. Eine Sekunde lang erlaubte er sich sogar die Augen zu schließen und zu lauschen. Es war schwer mit dem Tumult auf dem Schiff etwas zu verstehen. Bruchstückhaft glaubte er, etwas von „festhalten“, „schwimmen“ und „runter hier“ zu verstehen. Der Braunschopf reimte sich die Geschichte selbst zusammen. Vielleicht stimmte sie nicht in allen Details und war hier und dort lückenhaft. Am Ende lief es aber darauf hinaus, dass das Schiff untergehen würde – und er hatte keine Lust mit unterzugehen. Gerade als einer der Gruppe – klang das nach einer weiblichen Stimme – etwas von einem Schiff faselte, das sie holen kommen würde, öffnete Farley die Tür der Kajüte und schlüpfte leise herein. Natürlich hatte er sich zuvor versichert, dass ihn niemand sah – je mehr ungebetene Besucher, desto schlechter für ihn.
„Und was ist der Preis für jemanden, der gerne auch noch ein Plätzchen auf diesem Schiff hätte?“, fragte er ganz in der Nähe der Tür stehen bleibend und in die Runde sehend. Die kleine Gruppe hatte nun die Wahl ihn umzubringen, ihn springen und dann ersäufen zu lassen oder ihn mitzuretten. Die Frage war, welchen Preis es für die letzte Option gab. Farley hoffte, dass es überhaupt einen gab und man sich einig werden würde. Für alle Fälle war er allerdings durchaus bereit, das Messer in seinem Stiefel zu ziehen – oder die Aufmerksamkeit der Soldaten auf die Kajüte zu lenken.
[erst Zellendeck | dann erst vor, schließlich in Enriques Kajüte| Talin, Shanaya, Aspen, Yaris und Lucien]
Allerdings schien er nicht der einzige zu sein, der so empfand. Auch wenn er zugeben musste, dass das, was sich in den nächsten Minuten abspielte, eher... ungewöhnlich war. Alles war recht schnell gegangen. Die Matrosen hatten ihre Verladearbeiten beendet, zwei dieser höherrangigen Tiere waren nach unten gekommen und plötzlich waren vier weitere Gestalten aufgetaucht, die einen der Gefangenen abholen wollten. Es war nicht schwer gewesen, die Geschehnisse aus dem Schatten der Zelle heraus zu beobachten, ohne sich zu deutlich bemerkbar zu machen. Sicher hatte er nicht jedes Wort mitbekommen, aber so wie die Ereignisse sich entwickelten, war das doch recht eindeutig ein Befreiungsversuch – der darin endete, dass ein riesiger Tumult im Zellentrakt entstand und sich eine Tür nach der anderen langsam öffnete. Farley hatte darauf verzichtet sich wie die anderen Idioten in die Zellentür zu hängen, die Arme hinauszustrecken und darum zu betteln, ebenfalls freigelassen zu werden. Seiner begrenzten Erfahrung nach hatte das so viel Erfolg wie einen Fisch darum zu bitten in die heiße Bratpfanne hüpfen zu wollen. Nein, Farley konnte geduldig sein, wenn er es wollte und sein musste. Denn Geduld zahlte sich meist aus. Während seine Mitgefangenen noch immer zwischen den Gittern hingen, erhob sich der Braunhaarige langsam und schob sich naserümpfend hinter sie, um den Rest des Geschehens beobachten zu können. Die beiden hohen Matrosentiere, die die untergebenen Seemänner gefühlt alle zwei Minuten anbrüllten... schlugen sie sich auf die Seite der Befreier? Die Lage wurde unübersichtlich, aber Farley glaubte zu sehen, wie einige der vier zuerst aufgetauchten Gestalten unter Deck verschwanden. Ihm schwante nichts Gutes, die führten doch etwas im Schilde. Noch weniger als in einem Gefängnis zu verrotten wollte Farley im Zellentrakt eines Schiffes sterben. Und diese Befreiungsaktion roch danach, dass noch etwas Großes passieren würde. Der Tumult über ihnen war nicht zu überhören. Befehle wurden gebrüllt, was genau konnte er nicht sagen, da der Lärmpegel im Zellentrakt zu einem ohrenbetäubenden Geschrei angewachsen war. Scheinbar hatten alle Taugenichtse, die bis vor wenigen Stunden noch friedlich in ihren vergitterten Kajüten gesessen hatte, ihre Stimmen wiedergefunden. Verfluchtes Pack. Doch das Glück schien ausnahmsweise auf seiner Seite zu sein, denn auf wundersame Weise schienen die beiden, mit denen er eine Zelle teilte, zu irgendeiner besonderen Gruppe von Idioten zu gehören. Denn nur kurze Zeit später sprang die Tür zu ihrer Zelle auf. Die beiden vor ihm stürmten hinaus und um den zurückgelassenen Farley kümmerte sich niemand.
Der junge Dieb wartete einige Sekunden ab und schaute sich um, bevor er die Zelle verließ. Kurz überlegte er, ob er sich eine Waffe besorgen sollte. Bei der Durchsuchung hatte man ihm alle größeren Verteidigungsgeräte abgenommen. Er benutzte sie so gut wie nie, aber ein gutes und überzeugendes Argument in der Hand zu halten war nie verkehrt. Allerdings hatte man das kleine Messer in seinem Stiefel übersehen. Amateure. Nun ja, ihm sollte es reicht sein – und es sollte ihm zunächst genügen, um sich im Notfall verteidigen zu können. Die anderen Gefangenen interessierten Farley nicht. Sollten sie die Soldaten verprügeln, abstechen oder was auch immer mit ihnen tun – oder sich selbst die Köpfe einhauen. Nein, er interessierte sich für die Gruppe, die so unvermittelt im Zellentrakt aufgetaucht war und erst der Grund für all dieses Durcheinander war. Es war nicht ganz leicht in dem Tumult aus befreiten Gefangenen den Überblick zu behalten. Nach einigem Suchen aber entdeckte er die Gesuchten und sah sie gerade noch, wie sie in Richtung Kanonendeck verschwanden. Farley fackelte nicht lange, schlängelte sich geschickt zwischen stinkenden und einem offenbar toten Körper vorbei und folgte den anderen die Treppe hinauf. Im Gegensatz zu den anderen, die das seltsame Gebilde von einem Wachsoldat und mehreren Gefangenen abgaben (die konnten wirklich von Glück reden, dass die Soldaten so dumm waren ihnen dieses Schauspiel abzunehmen), hatte der junge Mann allerdings keine Tarnung. Farley blieb also nichts anderes übrig als sich so normal und schuldlos wie möglich zu verhalten. Er sah nicht so unflätig und abgeranzt aus wie ein Großteil der anderen Gefangen. Selbst mit seinem nicht mehr sonderlich sauberen weißen Hemd und seinen Stiefeln hätte er fast einer der Seemänner sein können, der gerade erst wach geworden und auf der Suche nach seiner Uniform war. Zielstrebigen Schrittes folgte er also den anderen. Er zog einige misstrauische Blicke auf sich, die er mit einem festen Nicken gen Oberdeck beantwortete. Aber im Allgemeinen dauerte es nicht lange, bis die Soldaten sich wieder hektisch anderen Dingen zu wandten – woanders wurde ihre Anwesenheit wohl dringender gebraucht und kaum jemand hatte Zeit sich um einen einsam herumlaufenden jungen Mann zu kümmern.
Auch wenn sich der Weg als unkomplizierter erwiesen hatte, als zunächst befürchtet, atmete Farley auf als er die Gruppe hinter einer Tür verschwinden sah, die scheinbar zu einer Kajüte gehörte. Er stürmte nicht gleich mit der Tür ins Haus, sondern lehnte sich zunächst daneben mit dem Rücken an die Wand, ließ den Kopf für einen Moment rückwärts gegen das Holz sinken. Eine Sekunde lang erlaubte er sich sogar die Augen zu schließen und zu lauschen. Es war schwer mit dem Tumult auf dem Schiff etwas zu verstehen. Bruchstückhaft glaubte er, etwas von „festhalten“, „schwimmen“ und „runter hier“ zu verstehen. Der Braunschopf reimte sich die Geschichte selbst zusammen. Vielleicht stimmte sie nicht in allen Details und war hier und dort lückenhaft. Am Ende lief es aber darauf hinaus, dass das Schiff untergehen würde – und er hatte keine Lust mit unterzugehen. Gerade als einer der Gruppe – klang das nach einer weiblichen Stimme – etwas von einem Schiff faselte, das sie holen kommen würde, öffnete Farley die Tür der Kajüte und schlüpfte leise herein. Natürlich hatte er sich zuvor versichert, dass ihn niemand sah – je mehr ungebetene Besucher, desto schlechter für ihn.
„Und was ist der Preis für jemanden, der gerne auch noch ein Plätzchen auf diesem Schiff hätte?“, fragte er ganz in der Nähe der Tür stehen bleibend und in die Runde sehend. Die kleine Gruppe hatte nun die Wahl ihn umzubringen, ihn springen und dann ersäufen zu lassen oder ihn mitzuretten. Die Frage war, welchen Preis es für die letzte Option gab. Farley hoffte, dass es überhaupt einen gab und man sich einig werden würde. Für alle Fälle war er allerdings durchaus bereit, das Messer in seinem Stiefel zu ziehen – oder die Aufmerksamkeit der Soldaten auf die Kajüte zu lenken.
[erst Zellendeck | dann erst vor, schließlich in Enriques Kajüte| Talin, Shanaya, Aspen, Yaris und Lucien]