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Kapitel 3 - Freiheit oder Tod
Crewmitglied der Sphinx
für 250 Gold gesucht
dabei seit Apr 2016
#90
Immer wieder verstärkte Kaladar den Druck unter den langen Fingern. Versuchte die zwei widerwilligen Gefreiten die Stufen hinauf zu treiben, bevor sie noch den Anweisungen des zweiten Leutnants Folge leisteten, den sie unter dem Lärm augenscheinlich kaum bis gar nicht zu verstehen schienen. Je weniger Männer hier unten zurück blieben, desto großer wurde die Chance, dass dieses Chaos mit ihrem Überleben statt Ableben endete.

"Ihr habt den Leutnant gehört.. nach oben mit euch!"

Aufgebracht verwirbelten die ausgestreckten Hände der Dunkelhaarigen die Luft vor sich, scheuchten die verwirrt dreinblickenden Gestalten in Richtung Aufgang. Erleichtert registrierte Skadi das zunehmende Tempo der beiden, folgte ihnen ohne einen Blick zurück die Stufen empor - in der Hoffnung, dass de Guzmán wusste was er tat. Und dass er das Schiff verlassen würde - ganz gleich ob mit oder ohne ihr. Denn alles war besser, als das, was auf die Verfehlung dieser Nacht folgen sollte. Im besten Fall umging der Offizier dem Tod und selbst dann konnte er von Glück sprechen, wenn er nicht bis an sein Lebensende mit Schmerzen und Folgeschäden einer Folterung zu kämpfen hatte. Sicherlich sprach sich die Marine frei von allen "barbarischen" Sitten und Bräuchen, doch letztlich war jedem Kind klar, dass hinter den samtigen Vorhängen und glänzenden Rängen ebenso viel Gewalt und Verschlagenheit standen. Und Skadi war sich sicher, dass der Dunkelhaarige weitaus rosigere Aussichten verdient hatte. Zurück zu seiner Familie kehren konnte, sofern sie noch auf Erden wandelte. Letztlich kannte sie den Offizier nicht gut genug - augenscheinlich sogar noch weniger, als sie gern behauptet hätte. Doch diese unerklärliche Loyalität in ihren Adern wollte ihn in Sicherheit wissen, weit entfernt von diesen Planken, die sie mit einem letzten Schritt die Stufen hinauf erreichte.
Das Durcheinander an Deck schien nahezu perfekt. Drang mit einem melodischen Klingeln an ihr Ohr, das Harper mit seiner rauen Stimme jäh durchschnitt. Augenblicklich blieb Skadi in ihrer Bewegung stehen, suchte das langgezogene Gesicht des Kapitäns, der gerade dazu übergegangen war einen seiner Untergebenen zusammen zu falten. Und selbst wenn sie seine Worte unterhalb der dicken Holzbohlen nicht verstanden hatte, konnte sie sich sehr gut ausmahlen, dass sie weniger einer Befehlskette diente, als dem bloßen Zweck seinem Unmut Luft zu machen. Und es brauchte keinen zweiten Herzschlag, ehe er seine Augen auf sie richtete. Den Blicken der anderen Soldaten folgend, die vollkommen planlos herum standen. Keiner wusste genau, was die jähe Nachtruhe vertrieben hatte. Gemurmel wurde laut, kurze Rufe, hier und da ein Pfiff. Doch Kaladar tat nichts anderes, als den Blick des Kapitäns zu erwidern und sich allmählich in Bewegung zu setzen. Ignorierte die skeptischen Blicke der Umstehenden, überhörte sogar die lauter werdenden Fragen des Älteren, dessen Wut sich in wilden Spuckefäden entlud. "Sergeant Kaladar, antworten sie gefälligst!"

Mit einem letzten Schritt erreichte sie den hohen Kopf dieses Schiffes, starrte in die dunklen Gesichter in seinem Rücken und sprach so leise, dass nur er sie verstehen konnte.
"Sir, sie müssen zurück in ihre Kajüte."
Skadi hörte bereits das schwere Atmen neben sich, das sie binnen weniger Sekunden in ihrer Bitte unterbrechen sollte, doch sie ließ ihren Vorgesetzten gar nicht erst zu Wort kommen.
"Jones, Martínez und Jackson haben in betrunkener Eigenregie die Gefangenen frei gelassen und ich bezweifle, dass wir der Masse an blutdurstigen Piraten Herr werden können."
Ein kurzer Blick zur Seite folgte, um sicher zu gehen, dass der Kapitän den nahezu wahren Ernst ihrer Wort verstand. Natürlich stand hier sein Leben auf dem Spiel. Ganz gleich ob es unter oder über Deck war, spielte es in jenem Moment absolut keine Rolle mehr.
"De Guzmán versperrt bereits mit den übrigen Soldaten die Aufgänge. Es wäre also das Klügste alle Männer zur Verstärkung nach unten zu schicken und die Leuchtfeuer zu entzünden, bevor die Gefangen bekommen was sie wollen...nämlich ihren Kopf."
Die künstliche Pause trieb für einen Sekundenbruchteil eine leichte Blässe auf Harpers Miene. Wurde wenig später durch Skepsis und einen prüfenden Blick in Richtung des Niedergangs ersetzt. Fast schon demonstrativ wischte sich Skadi mit einer Hand über die blutende Nase, die wohl Beweis genug für die Brutalität unter ihren Füßen sein durfte. Und wie in Zeitlupe senkte sich das Haupt des obersten Befehlshabers. Hob sich daraufhin zu einem kurzen Nicken, ehe er erst zu Kaladar hinab blickte und sich dann an die umstehenden Leutnants, Sergeants und Soldaten wandte.
Ihr Plan war aufgegangen, ohne dass es sie mehr Worte und Überzeugungskraft gekostet hatte? Fast erleichtert hätte Skadi ihre angespannten Lungen vom übermäßigen Stickstoff befreit. Zügelte sich jedoch in der kurz aufflammenden Euphorie, um unter den wachsamen Blicken verborgen zu bleiben. Sie durfte sich jetzt keinen Fehler mehr erlauben. Nicht wenn so viel auf dem Spiel stand.

Ihre Finger kribbelten bei jedem ihrer Schritte. Gaben selbst dann keine Ruhe, wenn die Kuppen über einen dunklen Türrahmen tänzelten oder den Knauf ihres Dolches berührten. Ihre Muskeln barsten nahezu vor schierer Anspannung, waren sich der Präsenz der beiden Wachleute gewahr, die ihren kleinen Trott in Richtung Kajüte begleiteten und jäh zurück blieben, als Harper die Tür ins Innere aufschwang. Es brauchte nur noch einen kleinen Schritt voraus. Eine winzige Bewegung und sie stand inmitten des Zwielichts, das sie als einziges von ihrem Ziel trennte.
Doch Skadi blieb stehen, auf gleicher Höhe zu den Wachposten und rückte ihren Hüftgurt zurecht.
"Lasst niemanden hinein. Der Kapitän ist alles, was dieses Schiff noch zusammenhält."
Sie hatte den beiden kaum etwas zu sagen, doch Harper machte nicht den Anschein, als widerspräche er ihren Worten. Hatte zuvor seine eigenen Anweisungen über Deck verlauten lassen und wohl mehr als deutlich klar gemacht, dass er seinen Kopf gern in Sicherheit wusste. Und im Gegensatz zu ihr, war den anderen Marineangehörigen selbiges von Bedeutung.

Tief ein und ausatmend folgte Kaladar somit den Spuren ihres Vorgesetzten. Schloss mit einem beiläufigen Handgriff die Tür hinter sich und schob den Sicherheitsriegel in seine Verankerung. Der letzte Anker, der sie davon abhielt ,nach dem Blutbad, das sie hier veranstalten würde, entdeckt zu werden.
"Wie konnte so etwas unterer Ihrer und de Guzmáns Aufsicht geschehen?!"

Skadi registrierte mit einem kurzen Blick über die Schulter den aufgebrachten Zustand des Älteren, reagierte jedoch genauso wenig darauf wie zuvor. Wenn man bedachte, dass sich die betrunken Soldaten ohne jegliche Erlaubnis an den Rumvorräten bedienten, konnte man hier jederzeit jeden wachhabenden Offizier und Sergeant anklagen. Und wenn sie bedachte, wie gerissen und habgierig Harper war, konnte sie sich mehr denn je vorstellen, dass auch aus seiner Feder die ein oder andere Ungerechtigkeit hervorgegangen war.  

"4 Augen können gegen 8 alkoholisierte Hände kaum etwas ausrichten Sir."

Es war nicht so, dass sie sich für irgendetwas hätte rechtfertigen müssen. Doch wenn sie wollte, dass Harper seinem  Rettungsplan nachging, musste sie ihre Schmierenkomödie aufrecht erhalten. Ganz gleich wie lange es brauchte und wie unangenehm ihre Gelüste gegen ihren Brustkorb drückten.
Harper reagierte auf ihre Worte jedoch nur mit einem verächtlichen Schnauben und einer Geste, die ihre Miene verdunkelte. Er hielt absolut nichts von der vermeintlichen "Schwäche", die seine Untergebenen an den Tag gelegt hatten, begann mittlerweile sein Hab und Gut aus den Regalen und Schubfächern zusammen zu klauben - für den Fall, dass alles in das Rettungsbot verfrachtet werden musste, das hinter dicken Planken auf ihn wartete.
Herzschlag um Herzschlag schob sich die Dunkelhaarigen aus den Schatten. Wartete jeden Moment gespannt auf den richtigen Augenblick. Horchte auf das schwere Atmen des Kapitäns und den Tumult außerhalb, der sich bis in den Bauch des Schiffes erstreckte. Nur ein Augenblick würde ihr bleiben, um einen gezielten Angriff zu setzen. Und selbst wenn sie Harper damit überraschte, würde das darauf folgende Gerangel deutliche Spuren hinterlassen.
Und gerade als er ihr den Rücken zuwandte, seine blaue Robe ablegte, um ein sicheres Lederwams anzulegen, schnellte sie mit gezogenem Dolch voraus. Bohrte ihn tief in die Seite des hoch gewachsenen Körpers und lehnte sich mit aller Kraft gegen den Griff. Der Schmerzensschrei war das erste, das Skadi wahrnahm, ehe sie sein Ellenbogen traf und zurück schleuderte. Ihre Hüfte gegen seinen Schreibtisch trieb und der nachfolgende schwere, rasselnde Atemzug Blut auf Harpers Lippen legte. Sein Entsetzen, ebenso wie seine Verwunderung schienen tief ihn seine Miene gemeißelt, als er sich herum wandte und blind mit den langen Fingern nach dem Dolch in seinem Körper fischte. Doch statt das Ende der Klinge zu erreichen, floss durch die ruckartigen Bewegung nur unkontrolliert Blut aus seinem Organismus. Tränkte das weiße Hemd in leuchtendes Rot, das Skadi im Halbdunkel nur als immensen Fleck wahrnehmen konnte. Doch der Kapitän ergab sich seinem Schicksal nicht. Setzte zu einem gezielten Schlag gegen sie an, dem die Jägerin nur mit einem Fall zu Boden entkam. Ruckartig zog sie ihre Beine hinauf, stemmte sie mit aller Kraft gegen den Körper über sich und brachte den Befehlshabenden zum Straucheln.  

Es brauchte eine Gefühlte Ewigkeit, in der Jäger und Opfer durch den Raum tanzten und letzten Endes Gesicht an Gesicht auf dem Boden landeten. Blutverschmiert und sichtlich am Ende der Kräfte. "Für meine Brüder und Schwestern.", wisperte Skadi dem Älteren zu, hörte das immer lauter werdende Klopfen an der verschlossenen Tür, die alsbald aus ihren Angeln fliegen würde. Blickte dem röchelnden Leib unter sich tief in die Augen, bis das Leben darin erlosch.
Doch die Genugtuung war nicht das erste Gefühl, das sich einstellte, kaum dass die zierliche Gestalt zur Seite rollte und schwer atmend gegen die Decke starrte. Es war ein Zittern, das ihren Körper durchfuhr und erst losließ, als sie sich aufrappelte und den umgebenden Geräuschen lauschte. Sie musste hier heraus, so schnell wie möglich. Und es war de Guzmán und ihren langen Jahren auf diesem Schiff geschuldet, dass sie aus den verschlossenen vier Wänden entkam, ehe die Vordertür splitternd  unter den Tritten der Wachposten nachgab. Mit hektischen Händen den kleinen Geheimgang ins Nebenzimmer fand und mit einem letzten Aufbegehren ihrer Kräfte zurück aufs Achterdeck verschwand.

{ Erst auf dem Kanonendeck | dann auf dem Achterdeck | wenig später in der Kajüte des Kapitäns | danach mit letzter Kraft wieder auf dem Achterdeck}
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