14.05.2017, 15:32
Bisher war das alles hier fast zu einfach gewesen. Wenn man von Aspens kleinem Fehltritt absah, lief es doch ganz gut. Einer der drei Gefangenen war frei – die Kampfgeräusche der Anderen waren also nicht mehr als ein leises Hintergeräusch. Und wenn die beiden sich jetzt wegen des Schlüssels umbrachten, für sie wäre das kein Verlust. Dass eben jener Befreite keinen Mucks von sich gab, als Antwort nur ein Nicken übrig hatte, nahm die junge Frau nur mit einem lautlosen Schnaufen hin. Er würde noch Gelegenheit bekommen, ihr seine unendliche Dankbarkeit zu zeigen. Oder auch nicht, je nachdem, wie Talins Bruder drauf war. Vielleicht kroch er auch dankbar vor ihr auf dem Deck rum und küsste ihr die Füße? Möglich war alles, aber... das war nicht wirklich wünschenswert, wenn sie ihrem neuen Captain nicht direkt mit dem Fuß ins Gesicht treten wollte. Ein Gedanke, der das Lächeln zurück auf ihre Lippen lockte.
Der blaue Blick ruhte noch einen Moment auf dem Mann, ehe auch sie von der Bewegung einer der Gefangenen abgelenkt wurde. Er kam aus der Zelle, nahm sich den Degen und erlöste den Soldaten, den sie angeschnitten hatte. Shanaya hob leicht skeptisch eine Augenbraue. Ein guter Samariter, hm? Er saß ganz bestimmt für all die guten Taten in seinem Leben auf diesem Schiff. Für die Leben, die andere in Gefahr gebracht hatten – und die er gutherzig beendet hatte. Trotz dieses lächerlichen Gedankens umfasste die Schwarzhaarige ihren Dolch ein wenig fester. Jeder der Anwesenden konnte zu einer Gefahr werden, wenn er bewaffnet war. Wenn nicht für Lucien, weil sie ihre Zeit zusammen in dieser Zelle verbracht hatten, dann für sie. Der Dunkelhaarige wurde also genau gemustert – aber er schien mit den Gedanken schon woanders zu sein. Kaum hatte er einen Soldaten erledigt, war er wohl darauf aus, sich noch einen zu schnappen. Die junge Frau hob eine Augenbraue, verkniff sich aber jeden weiteren Gedanken. Gut, mit dem Gegröhle der ganzen Gefangenen und seiner Aktion würde es hier unten bald recht voll werden.
Erst ein bestimmtes Gefühl riss ihre Aufmerksamkeit von der Treppe weg, die der Dunkelhaarige nach oben genommen hatte. Das Gefühl, leichter zu sein, wenn auch nicht viel. Mit einem verwirrten Blick wandte sie den Kopf herum, betrachtete den Mann, der ihr gerade die Pistole aus dem Gürtel geklaut hatte. Also wirklich, unerhört! Die Pistole, die sie auf jeden Fall brauchen würde...! Aber mit dem nächsten Herzschlag war einen Schritt vorgetreten, hatte die Pistole auf – Oh, das hatte sie nicht einmal ernsthaft wahrgenommen! - die kleine Gruppe um Talin gerichtet. Die Dunkelhaarige betrachtete kurz seine ausgestreckte Hand, ehe sie den Blick ganz auf das Geschehen richtete. Die Blonde wurde einen Moment von dem Griesgram festgehalten, der dritte Gefangene mischte sich auch noch ein und Shanaya wartete nur darauf, dass der Schuss fiel. Aber das Geräusch blieb aus, den Gedanken, Lucien auffordernd anzustoßen, verwarf sie jedoch sehr schnell wieder. Sie wusste Nichts von seinen Schießkünsten, ob er wirklich treffen würde und nicht aus Versehen einen von ihnen hinrichtete. Kein guter, erster Tag als Captain. Oder vielleicht doch, wenn er den richtigen traf... Ungehört von den Anderen räusperte die junge Frau sich, wollte nun selbst zu der kleinen Gruppe treten, als hinter ihr hektische Schritte laut wurden. So bemerkte sie auch irgendwie am Rande, dass der gute Samariter wieder da war. Er schien seine Sache im 'Marinesoldaten aufwecken' gut gemacht zu haben.
Shanaya gab sich selbst keine Zeit zum zögern, umfasste nur wieder fester den Degen und machte sich auf den Angriff bereit, der folgen würde. Mit einer ruhigen Drehung richtete sie sich den beiden Soldaten zu, blendete das Geschehen hinter sich bestmöglich aus. Sie lächelte, trat den Männern einen Schritt entgegen, ehe sie mit dem nächsten Atemzug bei ihr waren und sofort mit den Degen ausholten. Mit einem Schritt zur Seite wich Shanaya dem ersten aus, konnte so den zweiten Hieb parieren. Er setzte auf seine Stärke, als wolle er diesen Kampf schnell hinter sich bringen. Das konnte sie gut für sich nutzen, auch wenn sie selbst das schnell hinter sich haben wollte. Ein paar Hiebe ging es also so weiter, Shanaya teilte aus, parierte und beobachtete dabei so gut es ging die Bewegung der beiden Männer. Als sie jedoch gerade zu einem neuen Angriff ansetzen wollte, tauchte in ihrem Augenwinkel eine weitere Gestalt auf – die kurzen Prozess mit dem Mann machte. Ob er sie als Frau unterschätzt hatte? Wahrscheinlich. So gelang es der Dunkelhaarigen jedenfalls besser, sich auf einen der Männer zu konzentrieren, der nach einem weiteren, verzweifelten, halbherzigem Angriff seinerseits eine Klinge durch den Rumpf gebohrt bekam. Beide waren erledigt, sodass Shanaya sich mit einem breiten, gut gelaunten Grinsen zu der Blonden herum drehte, sie locker mit dem Ellenbogen gegen den Arm stieß.
„Den dramatischen Abgang konntest du dir nicht verkneifen, hm?“ Ein kurzer Blick zu den anderen, ehe sie der anderen Frau zunickte. „Ich bin ganz deiner Meinung.“