23.04.2017, 20:52
Yaris kannte die Menschen. Obwohl er kein wirklicher Teil der Gesellschaft war, kannte er sie. Denn er hatte genug Zeit, sie zu beobachten. Sie zu studieren. Die feinen, kleinen Details von Emotionen. Mit den Jahren hatte er ein feines Gespür dafür entwickelt. Selbst könnte er mit den wenigsten wohl umgehen können. Aber er wusste sie für sich zu nutzen. Yaris wusste, wann er Macht über andere hatte und wie er diese für seine Zwecke und gegen sein Gegenüber einsetzen konnte und musste, um diesen auszuspielen. Ein Spiel, in das er sich selbst nie involvieren lassen würde, weil sozialer Umgang nicht seine Welt war. Doch er konnte sie für sich nutzen und manipulieren. Wie er es jetzt mit diesem Leutnant tat.
Er wusste und sah, wie sehr dieser Mann ihn hasste. Und doch war er bereit, einen Pakt mit dem Teufel zu schließen. Der Attentäter spielte mit Freuden mit diesem Zwiespalt, um ihm zu zeigen, dass Macht eine relative Sache war. Wahre Macht war unabhängig von Rang und Namen oder sozialer Stellung. Wissen war Macht. Darum konnte sich Yaris dieses arrogante Lächeln auch leisten.
Ehre. Selbstachtung. Diese Worte klangen aus dem Mund des Marine wie hohle Phrasen. Wie konnte der Mann ihm diese Worte jetzt entgegenwerfen, wo er sie ihm doch zuvor aberkannt hatte, als er ihn als Killer bezeichnet hatte. Ein Killer hatte nichts von all dem. Ein Killer wollte nur Blut sehen und seine eigene sadistische Lust befriedigen. Der einzige Fakt, der ihnen beiden zu Eigen war, dass sowohl ein einfacher Killer als auch Yaris Der Attentäter des Nachts ruhig schlafen konnten trotz des Blutes an ihren Händen.
Langsam atmete der Gefangene ein.
“In einem Punkt haben Sie Recht, Leutnant … WENN ich annehme, dann können Sie Ihre Mutter darauf verwetten, dass der Auftrag zu Ende geführt wird …“ Die Betonung lag auf wenn, eindeutig. Zu welchen Bedingungen stand jedoch offen und das musste dem Mann klar sein. Yaris war ein Attentäter. Er tötete seine Ziele. Dass er dem Marine das Ziel lebend auf einem Silbertablett servierte, war für gewöhnlich nicht seine Jobbeschreibung.
Dann beugte sich Yaris wieder vor –soweit die Ketten diese Bewegung zuließen … was nicht viel war. Inzwischen war sein Blick wieder vollkommen fokussiert, auch wenn sein Schädel von innen scheinbar von einem Specht in Dauereinsatz bearbeitet wurde. An seiner Schläfe bildeten sich bereits die Verläufe eines heftigen Blutergusses.
Yaris hasste diesen Mann. Er war nicht besser als die Leute da draußen auf den Straßen. Dieser Mann verachtete ihn für das, was er war und was er tat. Und doch forderte er genau diese Dienste nun für sich ein. Zum Teil aus niederen Gründen. Und auch wenn Yaris nichts mehr zu verlieren hatte, hing er doch an seinem Leben.
“Wenn Sie meine Ketten sprengen, werde ich den Mann finden und zu Ihnen bringen … doch ich kann nicht versprechen, dass er lebendig sein wird … ich kann Ihnen nur versprechen, dass der Auftrag erfüllt wird …“ Kalt und emotionslos. Yaris hatte nicht umsonst den Titel „DER Attentäters“. Auch wenn er auf frischer Tat ertappt worden war … sein Blick ließ keinen Zweifel.