20.04.2017, 21:00
Mit einem tiefen Seufzen wischten die schmalen Fingerspitzen den Schweiß von der Stirn, machten der Sonne Platz, die seit Anbruch des Morgens erbarmungslos auf die Morgenwind hinab schien. Seit Tagen vergammelten sie regelrecht zwischen den knarzenden Planken. Konnten dem Meer beim Schweigen zusehen und die eigene Haut angesichts der steigenden Temperaturen schier brutzeln hören. Ein Wetter, das Skadi mit der Zeit unter den Marineleuten zu schätzen gelernt hatte. Ganz gleich wie sich die Hand voll derer mehrte, die entgegen jeglicher Disziplin alle Hüllen fallen ließen, nur um der Hitze unter der Uniform zu entgehen, gab es ausreichend Leutnants, Offiziere und Kapitäne, denen die Etikette ein Heiliges war. Man musste sich also keine Ausreden zurecht legen, wenn man zugeknöpft wie eh und je über Deck spazierte, auf direktem Wege zu den Räumlichkeiten der Führungspositionen. Ihr Ziel war jedoch weniger Harper, dessen Visage sie kaum mehr einen Monat länger ertragen konnte. Angesichts seiner derzeit schlechten Laune ein Umstand, den sie wohl mit mehr als einer Person dieses Schiffes teilte. Doch vom Standpunkt ihrer vorrangigen Beweggründe aus betrachtet, käme ihr wohl einzig und allein der Dunkelhäutige gleich, dessen grüblerische Miene sie seit Sonnenaufgang kaum zu Gesicht bekommen hatte.
Mit einem leisen Klimpern im Gepäck flogen die schmalen Füße die Treppenstufen hinab, tauchten den Körper in eine angenehme Dunkelheit und überschütteten ihn jäh mit dem beißenden Gestank von abgestandener Luft. Das Leben auf einem Schiff, das weder gerade aus, noch zurück segeln konnte, war ein schierer Albtraum. Weder unter, noch über Deck konnte man sich mehr bewegen. Garte wie eine Krabbe an der Sonne oder zerkoche im Ofen unterhalb der dunklen Holzplanken. Der beißende Geruch nach Teer machte die Atemwege nicht glücklicher gestimmt und verlangte Skadi auf ihren letzten Metern immer wieder ein Schlucken oder Räuspern ab. War sie den Anblick von Blut, Innereien und Fleisch gewohnt, mochte sie diese "seltsam neumodernen" Gerüche nicht. Ebenso wenig wie verbranntes Schießpulver, das verdächtig nach Feigling stank. Kein gescheiter und selbstbewusst Mann erwählte eine Waffe, die ihn trotz all seiner körperlichen, sowie taktischen Schwächen, zu einem Gewinner machte - weil Blei seinen Gegenüber übler zusetzte als eine geschärfte Klinge, deren Schnittwunden binnen weniger Tage verheilte. Ein Mann mit Ehre kämpfte Auge um Auge und versteckte sich nicht hinter dem Lauf einer Handfeuerwaffe.
Erst zaghaft, dann nachdrücklicher pochten die Fingerknochen gegen den hölzernen Rahmen der Kajüte. Warteten bis die dunklen Augenpaare aufblickten und der zierliche Körper der Nordskov wie von selbst Haltung einnahm. Gott, würde sich ihr Vater gerade im Grabe umdrehen, sähe er sie in ihrer Schmierenkomödie. Auch wenn er mit Stolz behaupten konnte, dass er wohl kaum eine bessere Schaustellerin zur Tochter hätte haben können. "Sir, Kapitän Harper schickt mich." Ein kurzer Blick zur Seite, die Stimme erhoben, als wollte sie, dass auch ja jeder den vermeintlichen Beweggrund ihres Besuch mitbekam. Mit anhaltendem Atem huschten die dunklen Obsidiane der Jägerin zurück auf den Offizier, ehe sie eintrat und mit einem Fuß die Tür wenige Zentimeter in Richtung Rahmen schob, eine Hand breit geöffnet, um den Schein des "offiziellen" Anliegens zu wahren. "Er möchte einen Zwischenbericht ihrer Berechnungen, Sir." Mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger klopfte Skadi auf die leichte Beule ihrer "brandneuen" Weste -die ihr einer der ausgedienten Sergeants vermacht hatte- und bedeutete dem Offizier mit einem kurzen Zucken in den Mundwinkeln, dass sie geradewegs mit neuen Wettbeiträge hereingeschneit kam. Und angesichts seiner überhand nehmenden Langeweile war das vielleicht der Ruf des Himmels.