07.04.2017, 20:30
Ein nicht minder amüsiertes Schmunzeln spielte um seine Mundwinkel, als die Antwort des jungen Soldaten prompt kam und mit der gleichen, deutlichen Ironie aufwartete, wie seine eigene Bemerkung zuvor. Da er jedoch immer noch den Kopf gesenkt hielt und sein Blick auf dem schleimigen Brei ruhte, blieb Luciens Reaktion vor allzu neugierigen Augen verborgen. Er ahnte, dass er sich keine Freunde unter den Gefangenen machte, wenn auch nur der Verdacht entstand, er sympathisiere mit einem Marinesoldaten. Sie konnten schlecht ahnen, dass ihm nichts ferner lag, als das. Allerdings kam der Dunkelhaarige während dieses gesamten Schauspiels, das sich im Zellentrakt abspielte, nicht drumherum, sich zu fragen, ob er es wirklich mit der typischen Schublade Marine zu tun hatte. Dieser junge Kerl machte eher den Eindruck, als kotzten ihn seine Kollegen – oder zumindest dieser eine – gehörig an. Oder galt das unter ihresgleichen als normal? Nun, hätte Lucien sich in den letzten zwei Jahren nur ein Mal die Mühe gemacht, seine Bewacher genauer zu beobachten, hätte er darauf vielleicht eine Antwort gefunden. Doch so blieb ihm nichts anderes, als zu mutmaßen. Unter Umständen pisste ja auch die herausragende Dummheit seines Hünen den Burschen so mächtig an und sonst nichts. Blieb die Frage, ob der jüngere der beiden sich überhaupt das Recht heraus nehmen konnte, über die Fähigkeiten seines Kameraden zu urteilen.
Der Schmugglersohn jedenfalls antwortete nicht und verlegte sich darauf, die Szene hauptsächlich anhand der Geräuschkulisse zu verfolgen und so zu tun, als legte er wenig Wert auf eine weitere Unterhaltung. Nur Sekunden später nahm die ganze Situation unerwartet Fahrt auf.
Der Soldat, der ihm am nächsten stand, trat eine der leeren Schüsseln in Richtung seines Begleiters, dessen impulsiver Ärger ihn einen Moment lang so sehr ablenkte, dass er die eigentliche Gefahr aus den Augen verlor. Nämlich die, die ihm direkt gegenüber stand – nur durch ein paar Gitterstäbe von ihm getrennt. Das schmerzverzerrte Japsen ließ selbst Lucien wieder aufsehen und lenkte nicht nur seine, sondern auch die Aufmerksamkeit etlicher anderer auf den purpurrot anlaufenden Wärter. In seinem Blick stand kalte Rache. Unverzüglich wandte er sich zu seinem jüngeren Kollegen um, um nach dessen Schlüssel für die Zellen zu grapschen. Das glänzende Stück Metall zog auch Lucien kurzzeitig in seinen Bann. Der Blickkontakt brach jedoch in dem Moment ab, da der schlanke Bursche seinen Kollegen unmittelbar vor der Zelle zu Boden beförderte. Das ganze geschah derart schnell, dass in den ersten wenigen Herzschlägen danach perplexes Schweigen herrschte, bevor die gesamte Gefangenenschaft in begeistertes Gejohle ausbrach.
Der Dunkelhaarige hatte sich instinktiv einen Schritt von den Gitterstäben zurück gezogen, doch nun packte ihn erneut die Neugier. Ohne den Blick von dem finalen Bild abzuwenden, stellte er seine Schüssel auf den Boden und trat wieder an die Zellentür heran. In den leuchtend grünen Augen blitzte es verschlagen.
„Ich muss sagen, damit habe ich jetzt nicht gerechnet.“
Lucien ließ die Arme auf die Querstrebe des Gitters sinken und richtete den Blick auf den jungen Soldaten, der noch immer über seinem Kollegen stand. Damit erübrigte sich auch die Frage, wer hier unten von den beiden das Kommando hatte. Offensichtlich hatte er es mit jemandem zu tun, der immerhin so weit wusste, was er tat, um mehr als nur ein kleines Licht in den Reihen der Marine zu bilden. Und er hatte den Schlüssel.
„Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber solltet ihr hier unten nicht irgendwie... ich weiß nicht... Zusammenhalt demonstrieren?“