07.04.2017, 00:26
Die Menge tobte. Sie wollten Yaris tot sehen und am liebsten wäre es ihnen, wenn es jetzt sofort passierte. Ihr voller Zorn entlud sich über ihn und längst erweckte die Szenerie mehr den Eindruck, die Soldaten und Wachen beschützten den Grünäugigen und seine Wächter als das sie die Menge von ihm abschirmten. Neben den aufgebrachten Rufen warfen die Menschen weiterhin fauliges Obst und Gemüse und drängten vorwärts gegen den Kordon.
Immer wieder wurden der Attentäter und seine Wachen getroffen. Seine Kleidung war verschmiert, seine Haare verklebt und ein Stein oder etwas anderes Hartes hatte ihm eine kleine Platzwunde über der Schläfe beschehrt.
Die Marinesoldaten schrien auf die Menschen ein, sie sollten das unterlassen oder auf ihre Kollegen, sie sollten dafür sorgen, dass das nicht weiter passierte. Weitere Soldaten und Wachen, die bis jetzt im Hintergrund geblieben waren, wurden zur Verstärkung geschickt.
Ehe die Situation jedoch vollends aus dem Ruder laufen konnte erreichten sie die Kutsche, stießen und zogen ihn hinein, so er nicht von selbst einstieg, verbanden seine Fesseln mit den Ketten im Wagen bis er kaum gerade sitzen konnte. Erst dann atmeten sie ein wenig auf.
Derweil war ihm der Dunkelhäutige gefolgt, ein paar Geschossen ausgewichen und ins Grübeln geraten. Gänzlich unbeschadet war, auf Grund das die meisten Leute schlecht zielten, auch sein Äußeres nicht geblieben und Harper würde sicherlich einiges dazu zu sagen haben, aber derzeit konnte der Offizier nicht mehr dagegen unternehmen, außerdem beschäftigten ihn andere Dinge und langsam formte sich ein Plan in Enriques Gedanken. Yaris Zurschaustellung von trotzigem Stolz ließ ihn Schmunzeln. Kraft war vorhanden und mochte es auch noch sein, sollte Yaris für seinen Angriff auf den Gefängnisvorsteher an Bord bestraft werden. Dass der Attentäter ihn nicht angegriffen hatte, obwohl der Leutnant ihm extra die Gelegenheit verschafft hatte zeigte, dass Scottsdale sich beherrschen konnte, so er denn wollte. Blieb abzuwarten ob er sich verständig zeigen würde.
Beiläufig glitt sein Blick über die wogende Masse und streifte Yaris Bekannte. Die Geste der Frau glich der einer Liebenden, aber das wollte nicht ganz passen. Um das zu sein hätte er mit mehr Emotionen gerechnet, Tränen und Verzweiflung. Sie aber blieb ruhig. Vielleicht eine Verwandte oder eine Freundin. Möglicherweise jemand, der schlicht dankbar war, für das, was dieser Mann getan hatte.
Wieder sah er auf den Rücken des Attentäters. Würde es ihm genauso gehen, sollte Scottsdale sich darauf einlassen und es wieder erwarten funktionieren? Lieber täte er es selbst aber bis jetzt hatte dieser feige Bastard sich ihm immer wieder entzogen oder jemand anderes sich Enrique in den Weg gestellt und wenn er sich nicht vollends der Rache an ihm verschreiben wollte musste er ihn auf Deck erschießen oder auf einen glücklichen Zufall hoffen.
War das hier ein solcher? War es das Risiko wert? Was wenn er Yaris nicht trauen konnte? Dann sei es drum, dachte er zornig. Ob an Bord der Morgenwind, tot oder im Gefängnis machte kaum noch einen Unterschied. Jede Änderung wäre eine Befreiung für den Leutnant und hierbei möchte er vielleicht doch mit dem Leben davonkommen. Jetzt bräuchte er nur noch eine Gelegenheit.
Und er wusste auch schon wie er sie bekommen würde.
Enrique erreichte die Kutsche, als seine Leute damit fertig waren Yaris zu sichern und anfingen zu überlegen wie sie weiter vorgehen sollten. Ihr Hauptmann hatte sein Möglichstes getan und wandte sich an seinen Vorgesetzten:
"Befehle Sir?"
"Sie und Collins bemannen die Trittbretter und schießen auf jeden, der Kutsche in den Weg stellen will. Der Rest bleibt beim Plan!"
"Aber Sir—"
"Jeder der versucht uns am Fahren zu hindern steckt mit Scottsdale unter einer Decke. Sie werden schießen!"
"Ay Sir! Aber dann—"
"Auf ihren Posten! Jetzt!", fuhr er den Hauptmann mit einem vielsagenden Blick auf die Menschenmenge die kaum noch zu kontrollieren war an, stieg ein und schloss die Tür hinter sich.
"Ay Sir!", erwiederte der Mann salutierend,dann sah er zu, dass die Befehle ausgeführt wurden:
"Sie haben ihn gehört Collins! Kutscher, wir fahren!"
Der Dunkelhäutige lehnte sich auf der Bank Yaris gegenüber zurück, die Hand mit der Waffe auf seinem Oberschenkel abgelegt und beendete in Gedanken den Satz des Hauptmannes: —dann sind sie mit dem Attentäter alleine im Kutschraum. Richtig. Und genau so will ich das haben.
Ruckhaft setzten sie sich in Bewegung, die Hufe der Pferde schlugen hart auf das Kopfsteinpflaster. Nach wie vor prallten Wurfgeschosse gegen die Hülle und auch das Geschrei tönte in voller Lautstärke. Kaum einer da draußen hatte überhaupt eine Chance, mitzubekommen, wenn sie sich unterhielten, geschweige denn das Gesprochene zu verstehen. Der 2. Leutnant wartete noch einen Moment, dann beugte er sich vor und fragte gerade laut genug, dass sein Gegenüber ihn verstehen konnte:
"Wieviel ist ihnen Ihr Leben wert?"