18.03.2017, 18:31
Yaris war doch immer wieder fasziniert davon, wie überheblich ein Mensch reagieren konnte, wenn er sich am längeren Hebel wähnte. Im Moment mochte das ja sogar auf diesen kleinen Leutnant zutreffen. Denn wie er sehr richtig festgestellt hatte, war der Attentäter in seinem Zustand nicht dazu in der Lage, es mit allen hier anwesenden Soldaten aufzunehmen. Doch Yaris fragte sich, ob das auch noch so sein würde, wenn der Mann unter ihm lag mit einer Klinge am Hals, wohl wissend, dass der – wie er ihn so schön betitelte – Killer ihm im nächsten Moment ohne ein Gefühl der Reue zu empfinden die Kehle aufschlitzen würde. Wie er dabei zusah, wie der Lebensfunken in den dunklen Augen brach und schließlich erlosch. Oder würde er ihm doch ins Gesicht lachen, bis sein Lebenslicht verpufft war. Um ehrlich zu sein, traute er dem Mann letzteres sogar noch mehr zu. War der Mann mutig? Sicher. Aber seinem Mörder und damit dem Tod ins Gesicht zu lachen, zeugte nicht wirklich von Mut. Man nannte es Kühnheit und Kühnheit verleitete einen nicht selten zu Überheblichkeit und Dummheit und schlussendlich zum frühzeitigen Ableben.
Sollte sich der Mann in seiner Position großartig fühlen. Yaris überließ ihm den Posten sehr gern. Der Fall würde unweigerlich kommen. Denn er kam immer. Wenn nicht er es war, dann durch jemand anderen. Der Dunkelhaarige stockte keinen Moment und er drehte sich auch nicht noch einmal zu dem Marine um. Sein Gang inzwischen nicht mehr gebeugt, auch wenn es ihn unsägliche Schmerzen kosten musste, einen solch aufrechten Gang aufrechtzuerhalten.
Der Leutnant war passé, doch das Mädchen, das wie der Fels in der Brandung der wogenden Menge standhielt, nicht. Zärtlich strich sein Blick über ihre Gestalt und ein Funken loderte im eisigen Grün seiner Augen auf. Kurz – kaum merklich – neigte sie ihre blonden Locken. Zwei verwandte Seelen, die sich trotz der ins Land gezogenen Jahre widererkannt hatten. In der Hand trug sie ein schlichtes, schwarzes Tuch. Es flatterte wild im aufkommenden Sturm, doch sie hielt es in eisernem Griff, mit dem sie es an die Lippen führte und einen sanften Kuss darauf setzte. Dann ließ sie es los und eine kräftige Windböe riss es hinauf in den dunkelgrauen, aufgewühlten Himmel. Yaris folgte dem Tuch mit dem Blick und lächelte, bevor ein ungeduldiger Soldat ihm brummend etwas in den Rücken schnaunzte und seinen Worten mit seinem Stilett nachhalf, dessen Spitze sich in bereits geschundenes Fleisch bohrte, aus dem sich ein weiterer heißer Rinnsal löste.