03.03.2017, 18:47
Ein frischer Wind kam auf und brachte Regentropfen mit, doch nicht ausreichend um die Gemüter zu kühlen. Bei einigen wenigen bedurfte es dessen auch gar nicht. Ein Hauch von Seeluft begleitete ihn wie ein Vorzeichen darauf, wo sich die beiden bald befinden würden. Die dunkleren Töne in den Wolken waren die erste Veränderung im Grau des Himmels, seit Enrique Land und Yaris den Hof betreten hatte, abgesehen von den weißen Schemen der Möwen, die gelegentlich vorüber huschten. Zu hören waren sie im Moment nicht. Dazu waren die Menschen viel zu laut.
Je näher sie dem Tor kamen um so aufgeregter wurden die Massen. Das Gefängnispersonal, das im losen Kordon um die Kutsche stand und eigentlich als zusätzliche Bewachung für den Attentäter gedacht gewesen war sah sich gezwungen sich gegen die herandrängenden Menschen zu stemmen.
Auch die Frau musste acht geben. Die Menschen um sie kümmerte sich zwar einen Dreck um sie oder ihr Verhalten, dennoch war genau das auch das Problem: Hätte sie mit nach vorne gedrängt, dann wäre sie der Bewegung der Masse gefolgt. So glich sie einem Gegenstand, der demnächst von der Brandung mitgerissen würde und schwimmen oder untergehen mochte. Derzeit hielt sie sich noch gut, doch es konnte sich jederzeit ändern.
De Guzmán nahm das alles beiläufig um sich herum wahr und verarbeitete es. Der Teil von ihm, der sich damit beschäftige, fragte sich im Stillen, ob sie ihn auch dafür verantwortlich machen würden, sollte jemand zu Tode getrampelt oder gequetscht werden. Sehr wahrscheinlich schon.
Und dass ihm sein Vorgesetzter den Rücken freihalten würde, war, im Gegensatz zu Ersterem, äußerst unwahrscheinlich.
Anzusehen war ihm allerdings nicht, dass er seine Aufmerksamkeit nicht nur auf Yaris hatte, auch nicht, welche Emotionen diese Gedanken hervorrufen mochten.
Als der Gefangene einen Schritt auf ihn zutrat machte er nur mit einer beiläufigen Handbewegung klar, dass die Soldaten Ruhe bewahren sollten. Viel mehr lächelte er ebenso geringschätzig und spöttisch über dessen Worte.
Der Ausdruck 'Was interessiert es mich, ob du gehängt oder erschossen wirst?' war eindeutig.
Dann trat der Jäger zum Vorschein, zeigte sich in all seiner Pracht. Damit hatte er also die volle Aufmerksamkeit des Killers. Sieh einer an. So leicht kann man ihn also reizen. Der eiskalte Blick ging wie ein belebendes Kribbeln durch ihn hindurch und machte ihn paradoxer Weise ruhig. Gelassen hielt schwarzes Feuer dem Frost stand. Er sah dem Grünäugigen unverwandt ins Gesicht, rührte sich auch nicht, zog sich nicht zurück oder richtete die Pistole anders aus. Vielmehr wirkte er amüsiert, ja regelrecht erheitert, ob dieser Zurschaustellung.
Und als Yaris sich dann abwandte, hätte der Leutnant fast gelacht. Manchmal trieben die Mächte doch ihren Spaß mit den Sterblichen. Der Mann versuchte ihn stehen zu lassen, während Enrique von vornherein geplant hatte stehen zu bleiben um ihn aus seinem Blickfeld schaffen zu lassen. Das musste dem anderen auch gerade klar werden.
Doch dieses Lachen lag wohl verborgen hinter einer gleichgültigen unbeeindruckten Maske.
Der Hauptmann jedenfalls ahnte nichts davon und war durch die plötzliche Gelassenheit des Leutnants beinahe völlig aus der Bahn geworfen worden. Er fing sich jedoch schnell wieder und trieb seine Leute an.
Yaris Frage war zwar eindeutig rhetorischer Natur gewesen, trotzdem nutzte Enrique die Gelegenheit, das der Verurteilte dicht an ihm vorbeiging und gab eine geflüsterte Antwort:
"Ich beurteile lediglich ihre Taten. Und bis jetzt bin ich nicht überzeugt."
Dann, wesentlich lauter und im abfälligen Tonfall:
"Ihr Leben geht derzeit nur einen Weg und den bestimme ich."
Damit ließ der Dunkelhäutige dem Trupp zwei Schritte Vortritt und maß seine Sicherheitsvorkehrungen mit prüfendem Blick, um festzustellen, dass er getan hatte, was er konnte. Als er ihnen dann zur Kutsche folgte richtete er einen Teil seiner Aufmerksamkeit abermals auf die Frau. Recht hübsch, wenn auch einfach gekleidet. Ernst, fast schon traurig, den Blick nach wie vor unverwandt auf den Mörder gerichtet.
Was verband die beiden? Warum war sie hier?
Sie schien sich verabschieden zu wollen.
Eine Komplizin?
Nein. Jemand wie Scottsdale arbeitete allein.
Hunderte Möglichkeiten vielen ihm ein und ihm war klar, dass er zu wenig wusste.
Und dann fragte er sich, warum ihn das interessierte. Was unterschied diesen Mann von den anderen Gefangenen, mit denen er zu tun hatte?
Bevor er zu einer Antwort gelangen konnte flog das erste Wurfgeschoß. Er ging weit daneben aber mit ihm brach der Bann. Viele hatten Küchenabfälle mitgebracht und anderes von der Straße aufgesammelt und ihr Ziel befand sich in Reichweite. Und keine zwei Schritte später traf das erste Stück fauligen Obstes Yaris auf die Brust.