15.02.2017, 22:13
Ach Gottchen. Yaris hatte ja schon viel erlebt, aber dieser Bärtige hier war ein Exemplar, dem man nur sehr selten begegnete. Sicher, pessimistische Zeitgenossen gab es zu Hauf. Doch dieser Typ war ja ein Schwarzmaler sondergleichen. Wer auch einmal gewesen war und was auch immer passiert war, es musste etwas unvorstellbare Schreckliches gewesen sein. In diesem Mann erkannte er keinerlei Optimismus. Von Hoffnung wollte er gar nicht erst anfangen. Irgendetwas hatte jeder zu verlieren. Und wenn es nur noch das bloße Leben war. Dieser Mann aber war der Inbegriff einer gebrochenen Seele. Nicht wie Yaris, dessen Seele bereits in jungen Jahren gebrochen worden war. Doch die Zeit hatte seine Bruchstücke wieder zusammengefügt. Auch wenn dabei ein vollkommen neues Bild hervorgebracht. Sein Gegenüber aber war zerborsten in kleinste, völlig zur Unkenntnis deformierte Fragmente, dass er allem nur noch mit Sarkasmus – in Form von Spott – begegnete. Sollte der Attentäter Mitleid mit ihm haben oder war es selbst dafür bereits zu spät?
Zu welcher Seite Yaris sich auch hinreißen lassen mochte, er ließ es nach außen nicht erkennen. Er begegnete noch nicht einmal dem Blick des Mannes. Wozu auch. Seine Ausstrahlung traf ihn selbst hier noch ungefiltert. Seine Ohren und sein Instinkt waren für Yaris völlig ausreichend.
Dass sich Yaris nun doch ins Gespräch seiner beiden Zellengenossen einmischte, lag nur daran, dass ihm dieses Geplänkel auf den Geist ging. Der eine mit seinem Sarkasmus und der andere mit seinem jugendlichen Leichtsinn – Letzteres war nur allzu leicht mit Kühnheit zu verwechseln.
Und endlich tat er, was er bis zu diesem Moment unterlassen hatte. Langsam – wie in Zeitlupe – sankt sein dunkler Schopf nach vorn und unergründlich tief-grüne Augen legten sich auf den Älteren, den er zunächst schweigend musterte, bevor sich sein Kopf weiter senkte, der Blickkontakt abriss. Doch er gab gewiss nicht klein bei. Das leise Lächeln auf seinen Lippen verriet es. Eine Spur Hohn und Arroganz und Amüsement darin. Andächtig atmete der Attentäter durch bevor er kaum merklich den Kopf schüttelte.
„Es gibt einen kleinen, aber feinen Unterschied zwischen einem Attentäter und einem Killer.“, belehrte er den bärtigen Griesgram. Doch er unterließ es, diesen Unterschied explizit herauszustellen. Immerhin hatte er es nicht nötig sich für sein Metier zu rechtfertigen. Die meisten begriffen es ja doch nicht. Aber es bestand durchaus eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass diese beiden Männer den benannten Unterschied erkannten. Schließlich kamen sie ebenfalls von einem Weg, der sie in die Schatten der Gesellschaft geführt hatte.
„Und du …“, Yaris neigte leicht den Kopf, während seine Kettenglieder leise rasselten, als er sich eine etwas angenehmere Position suchte. „… hast immerhin noch Ideale, was man von deinem Freund da nicht behaupten kann. Vielleicht sind es diese Ideale, die dich vor dem scheinbar unweigerlichen Weg retten werden.“ Wenn es die richtigen Ideale waren, dann waren sie in der Lage Berge zu versetzen. Daran festhalten, ein gegebenes Versprechen einzulösen war definitiv ein guter Anwärter. Sicherlich weit mehr, als viele der armen Hunde hier hatten.