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Kapitel 3 - Freiheit oder Tod
Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Nov 2016
#5
Enrique lehnte mit geschlossenen Augen an einem der Masten, den Hinterkopf an das Holz gestützt, die Arme vor der Brust verschränkt und die Füße schulterbreit fest gegen das Deck gestemmt.
Seit Linara fiel es ihm schwerer die neutrale Maske zu wahren und seinen Unmut nicht zu zeigen.

Eigentlich hätte er jetzt oben an Deck gestanden und sich die Zeit während der Hundswache mit Peilungen, der Betrachtung des Nachthimmels oder der Segel vertrieben. Harper hatte sie ihm aufgenötigt, in der Annahme, sie sei ihm unangenehm, ihm damit aber eher einen gefallen getan und sogar die Wache gegeben, die er seinem Rang nach gehen sollte. Während der Mittelwache war kaum jemand unterwegs, alle waren ruhig oder murrten nur leise vor sich hin, da konnte er fast vergessen, dass er Tag ein, Tag aus mit gut 200 Mann auf diesem Gott verfluchtem Kahn festhing.

Da hätte ihn das idiotische Gehabe der Freiwache auch nicht gestört. Drei von ihnen polterten johlend die Stufen hinunter in den Frachtraum und kurz darauf mit Fässern beladen wieder nach oben. Wie zu erwarten war weckte das die Gefangenen an der Treppe mit der Folge von flehen, betteln und fordern, sie mögen doch wenigstens eines der Fässer dalassen. Da die Matrosen mit Hohn und Spott antworteten schlug die Stimmung um und die Verurteilten schrien ihnen Verwünschungen und Drohungen hinterher. Kurz richtete er sich auf.

"RUHE! ODER ES SETZT WAS!", fuhr der 2. Leutnant die Krawallbrüder an. Für jene, die nicht sofort spuren würden gäbe es den Rohrstock. Die drei Matrosen sahen schweigend zu, dass sie Land gewannen um ihn nicht noch mehr zu verärgern, diejenigen, die ihn von der Fahrt nach Linara her kannten zogen sich ebenfalls zurück. Viele der neuen und meist leichtgläubigen Kleinkriminellen taten es ihnen gleich. Gerüchte verbreiteten sich schnell.
Und auch wenn der eine oder andere Gefangene immer noch überlegte, ob er sich mit dem Offizier anlegen sollte, lehnte der sich wieder wie vorher an den Mast.

Jetzt hatte Harper diese vermeintliche Strafe in eine echte umgewandelt. Hier unten hatte ein Leutnant der Royal Navy nichts zu suchen, außer gelegentlich nach dem Rechten zu sehen. Diesen Posten hätte eigentlich ein Offizier der Seesoldaten inne haben sollen. Dass es eine Strafe war, das hatte der Alte nicht gesagt, hatte stattdessen davon gesprochen, dass er beschlossen habe die Fähnriche mehr zu fordern und das es notwendig sei, dass gerade Nachts, wenn es dauern würde, bis die übrigen Seesoldaten zur Stelle wäre, bei einem schon fast überfülltem Schiff, ein Offizier ein Auge auf die Gefangenen habe. Außerdem wisse Enrique ja, wo die potentiellen Troublemaker säßen (immerhin hatte er sie ja auf die Zellen verteilt).
Sie hatten sich angesehen, der Dunkelhäutige ihn ein 'Aye Sir!' hören lassen und beide gewusst, dass das die Strafe für Netara und die daraus resultierenden Folgen war.

Also stand er hier, den Geruch von Urin in der Nase, der nicht wegging, egal wie häufig sie die Zellen reinigen ließen, lauschte auf die nächtlichen Geräusche des Schiffes und wartete auf die Pöbeleien der Insassen, die jetzt noch oder schon wieder wach waren.

Wenigstens war der Kapitän nicht so arrogant oder bescheuert, dass er sich bei der Navigation darauf verließ, dass die Fähnriche verstanden, was sie da taten, sondern hatte Anweisung gegeben, dass er zu Beginn und gegen Ende der Wache ebenfalls mit dem Sextanten die Position bestimmte und diese mit der des wachhabenden Offiziersanwärter verglich. Also hing die Ledertasche schwer an seinem Gürtel.

Dass Kaladar mit ihm Wache schob war ein schwacher Trost aber immerhin einer. Wenn er sich auf jemanden verlassen konnte, dann auf ihn. Auch für ihn sollte das vermutlich eine Strafe sein. Enrique verzog das Gesicht zu einem schiefen grinsen. Wenn Harper oder die Nummer Eins wüssten, wie sie zueinander standen hätten sie das niemals zugelassen.

Ein leises Rumpeln unterbrach seine Gedanken. Es kam von unten. Kurz darauf war es wieder verstummt. Ob er dem nachgehen sollte? Einen Moment lang spielte er ernsthaft mit dem Gedanken, oder zumindest mit dem, den Wachhabenden verständigen zu lassen. Dann entschied er sich dagegen. Möglicherweise hatte sich jemand nach unten geschlichen oder die Idioten hatten etwas so stehen lassen, dass die Bewegungen der Morgenwind es aus dem Gleichgewicht bringen mussten oder es waren Ratten. Was es auch war, so lange wie es nicht hierher kam war es nicht seine Aufgabe. Nicht heute Nacht.

"Kaladar?", fragte er leise ohne die Augen zu öffnen. Der hatte vorhin neben ihm gestanden und Enrique hatte ihn bis jetzt nicht weggehen gehört. "Was meinst du: Kriegen wir zwei der Anderen hier unten dazu eine Partie Whist zu spielen, ohne dass sie uns deswegen anschwärzen?"

{ Zellentrackt,  auf dem Gang  |  direkt neben Skadi, in Sichtweite von Lucien, Samuel und Yaris }
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Kapitel 3 - Freiheit oder Tod - von Weltenwind - 04.02.2017, 01:14
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