04.02.2017, 17:26
Er war eingeschlafen. Er war schlicht und ergreifend eingeschlafen, nachdem die Kisten, in denen sie sich versteckt hielten, geladen worden waren. Nachdem auch die Sorge verflogen war, dass jemand in diese Fracht hineinsah, hatte ihn einfach nichts mehr davon abgehalten. In den Kisten war es dunkel. Anfangs hatte noch ein schmaler Lichtschimmer von draußen durch die krumm verbauten Latten geschienen, doch seit sie im Frachtraum verladen worden waren, war es größtenteils dunkel gewesen. Dunkel und laut, bis die Aufregung des Auslaufens offenbar verflogen gewesen war. Sineca lauschte aufmerksam. Gemeinsam hatten sie sich in dieser Kiste einpferchen lassen, die zwar weder bequem noch geräumig war, aber immerhin hatten sie beide ausreichend Platz, um sich nicht gegenseitig an die Gurgel zu gehen. In einer Mischung aus Sitzen und Hocke hatte Liam letztendlich den Kopf an die Kistenwand gelehnt und begonnen zu dösen, bis er – wie gesagt – eingenickt war. Geistesabwesend hatten sich seine Finger dabei immer wieder durch das Fell der Genette gearbeitet, die aufmerksam lauschend den Platz zwischen seinen Oberschenkeln und seinem Bauch bezogen hatte. Manchmal kitzelte sie ihn mit ihren Schnurrhaaren oder warnte ihn mit spitzen Krallen, die sich in seine Schenkel bohrten, wenn jemand den Frachtraum betrat. (Gott sei Dank) aber verlief bis hierher alles ohne Zwischenfall. Mittlerweile hatte er sich so an die Geräuschkulisse gewöhnt, dass er nicht einmal bewusst mitbekam, wie sich abermals eine Gruppe Wachen in den Frachtraum verirrte. Erst, als das Wort 'Rum' zwischen den Lauten herausstach, blinzelte er verdutzt und öffnete die Augen, auch wenn sich dadurch nicht wirklich mehr erkennen ließ. Sinecas Nase berührte kurz seine Wange, ehe sie den Kopf offenbar wieder herumdrehte und mit zitternden Schnurrhaaren den Geräuschen lauschte. Liam fuhr ihr abermals kurz über den Pelz. Dann wurde es still. Ein paar Momente zumindest, bis ein vorsichtiges Klappern und Klopfen den Beginn ihres Plans verkündete. Liam lauschte zuerst, um nicht auf etwas hereinzufallen, als sich dann aber die leise Stimme Talins an sie wandte, war es besiedelt.
„Bereit?“, flüsterte er Sineca zu, die leise miauend antwortete und sich dann unter seine Knie flüchtete, als sich der Mann gegen den Deckel ihres Gefängnisses stemmte.
Er war sich recht sicher, dass der Weg nach oben für sie frei war. Es hatte keine Erschütterung mehr gefolgt, die es zwangsläufig gegeben hätte, hätte man noch eine Kiste auf ihnen platziert. Und tatsächlich – das Holz gab knarzend nach und ließ sich nach oben drücken. Kaum war der Deckel einen Spalt weit angehoben, kletterte die melierte Katze an ihm hinauf und sprang ins Freie. Liam ließ das Holz langsam neben seinem Verschlag zu Boden sinken. Offenbar hatten sie seine Kiste recht weit hinten an der Seite platziert, sodass er keinen der anderen sehen konnte. Aber auch Shanayas Stimme mischte sich in die Stille und Sineca stand abwartend im Gang, als wollte sie ihm den Weg zeigen. Diesem folgte er auch sogleich.
„Ich hab' 'Rum' gehört?“, waren seine ersten Worte, die mit einem leichten Grinsen seine Lippen verließen.
Die anderen schienen wohlauf. Nur Aspen fehlte noch. Doch Sineca schien seine Kiste auch schon gleich darauf ausfindig gemacht zu haben und scharrte vorsichtig von außen an der Holzwand. Der Lockenkopf versuchte, seine Uniform zu richten, doch sie fühlte sich so oder so ungewohnt und unangenehm eng an. Neue Mode wurde das ganz bestimmt nicht.