26.01.2017, 19:43
Kaum war Aspens Frage nach der 'Neuausgabe' verhallt, gab die verschlossene Schublade unter Shanayas Malträtierung nach und schoss schwungvoll auf. Ein in dunkles Leder gebundenes Buch rutschte daraufhin ganz nach vorn und abgesehen davon, dass es geradezu frisch und neu wirkte, hatte es erstaunliche Ähnlichkeit mit der Reihe von Büchern, die der Montrose in dem Regal vor sich entdeckt hatte. Ein einzelnes Blatt, scheinbar beschrieben, lugte halb zwischen den Seiten irgendwo aus der Mitte des Bandes hervor. Als die Schwarzhaarige das Buch aufnahm und es auf jenen Seiten aufklappte, um einen Blick hinein zu werfen, wurde dann auch deutlich, warum sich beides in einer abgeschlossenen Schublade befand.Ein Hauch von Glück ...
Bei dem einzelnen Blatt Papier handelte es sich um einen Brief, der das in rotes Wachs gepresste Wappentier der königlichen Marine trug. Ein Seeungeheuer, halb Löwe, halb Fisch. Darüber wandte sich der örtliche Kommandant des Marinebüros an den hiesigen Hafenmeister mit einer Änderung der Abfahrtszeiten einiger Schiffe. So sei die Belzac auf ihrem Weg aus Südosten in ein Unwetter geraten und würde deshalb nicht rechtzeitig den Hafen erreichen, um die von ihr beförderten Gefangenen auf die drei Transportschiffe zu verlegen. Man habe sich deshalb entschieden, das schnellste der drei im Hafen zu belassen, um die Belzac zu erwarten. Man bitte nun freundlichst darum, die Morgenwind mit höchster Priorität zu bedenken und ihr das Auslaufen zu ermöglichen, sobald die unten aufgeführten Häftlinge verladen seien und die Gezeiten dies zuließen. Während der gesamten Zeit würden sämtliche Gefangenen selbstverständlich unter permanenter Bewachung stehen. Es gäbe demnach keinen Grund zur Besorgnis. Zudem wünsche man eindringlichst, wie nach kurzem Überfliegen der wenigen Zeilen schnell deutlich wurde, dass dieses Schreiben vertraulich behandelt und sorgsam verschlossen werden solle.
Weitere Informationen gab der Brief nicht Preis, dafür aber das Buch, in dem er gelegen hatte. Ein Blick auf die dortige Liste offenbarte eine unendliche Reihe von Schiffsnamen, deren Captain, ein Datum samt Stunde und die Fracht, mit der diese Schiffe den Hafen von Linara verließen.
Neben etlichen, grob notierten Gütern fiel schnell der drei Mal untereinander stehende Begriff „Gefangenentransporter“ auf. Drei Schiffe wurden unter diesem Begriff geführt: Die Triumph, die Königswitwe und die Morgenwind. Die beiden ersten Schiffe sollten am 14. März, also bereits am morgigen Tage auslaufen. Das dritte Schiff, die Morgenwind, von der auch in dem Brief die Rede gewesen war, war hingegen fein säuberlich durchgestrichen worden. In einer Spalte neben ihren Daten hatte jemand „verschoben, 15. März, 12. Std.“ notiert. Etwas weiter unten auf der Buchseite und eine ganze Hand voll Schiffe später tauchte der Name Morgenwind ein weiteres Mal auf. Jetzt wurde der Zeitpunkt ihres Auslaufens auf den 15. März zur zwölften Stunde festgesetzt.