17.01.2017, 13:02
Zugegeben: Im Inneren des Raumes hatte er mit nichts Bösem gerechnet. Er hatte mit einem Schreibtisch gerechnet, Unordnung, Papier, Zettel, Stifte, Wachs, Schränken und einer erloschenen Laterne. Die mangelnde Vorsicht allerdings bereute er spätestens, als der laute Knall die gefährliche Stille zerriss und mit ihm ein stechender, brennender Schmerz an seiner Hüfte einsetzte. Seine Augen erhaschten noch einen Blick, auf ein ängstlich zusammengekauertes Kind im hinteren Teil des Raumes, ehe Shanaya an ihm vorbei voran ging. Liam hingegen lehnte sich kurz an den Türrahmen hinter ihm und drückte die linke Hand auf die Wunde, die sich nicht nur mit dem Schmerz sondern auch mit einem auffällig roten Fleck in seinem Hemd bemerkbar machte. Auch Aspen trat an ihm vorbei, während sich der Dunkelhaarige noch fing. Mit ruhigen Atemzügen versuchte er, sich an den Schmerz zu gewöhnen, ehe er sich wieder aufrichtete – der Junge war mittlerweile gefesselt und harrte voller Furcht der Dinge aus, die da kamen.
„Nein, nein. Geht schon.“, entgegnete er den Nachfragen beider ein wenig angestrengter als üblich. „Unkraut vergeht nicht, tut mir Leid.“
Ein kurzes Grinsen hätte Aspen gelten können, doch Liam hatte den Kopf gesenkt und grinste eher seinetwegen. Es machte es ihm selbst einfacher, den Schmerz zu vergessen – dafür war auch später noch Zeit, selbst wenn die Wunde nicht ganz so oberflächlich sein konnte, wie er es sich wünschte. Jedenfalls ließ das Wachstum des Fleckes das vermuten. Vorsichtig hob er die linke Hand wieder von seiner Taille, warf noch einen kurzen Blick auf den Gang, den er laut Aspen bewachen sollte, doch dort blieb es vorerst still.
„Wie sieht es vor dem Fenster aus?“, warf er Shanaya entgegen.
Vielleicht bot sich dort eine gute Möglichkeit, um zu fliehen, ohne wieder durch das ganze Gebäude zu müssen. Blieb nur noch die Frage, wie sie Trevor herausbekamen. Ein Fluchtweg durchs Fenster hätte aber auch bedeutet, dass sie die Tür des Büros einfach hinter sich wieder hätten absperren können und damit vorerst in Sicherheit gewesen wären. Verdammt, konnte er nicht einfach plötzlich um die Ecke kommen, weil er unten alles zu Ermordende umgelegt hatte? Liam blieb tatsächlich im Eingang stehen – so lange jedenfalls, bis er die Antwort von Shanaya hätte, die den Hintergrund seiner Frage mit Sicherheit verstanden hatte.
„Gibt es verschließbare Schubladen? Versuch die Schlüssel.“
Kaum dass er die Aufmerksamkeit des Blondschopfs hatte, warf er ihm den Schlüsselbund entgegen. Vielleicht hatten sie in solch einer Schublade tatsächlich mehr Glück. Die Informationen, die sie suchten, waren immerhin keine, die für jedermann gemacht waren.