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Willkommen an Bord
Samuel Zaedyn
Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Keine Angabe
#12
Dass er innerhalb kürzester Zeit von seinem Opfer heruntergerissen und erneut unsanft auf den Boden gedrückt wurde, kümmerte ihn nicht mehr, ebenso wenig wie sein nun umso heftiger schmerzender Kopf oder die Wunde an der Stirn, die sich bei ihrem erneuten Kontakt mit den Planken auftat. Seinem ebenso spontanen wie kurzen Wutausbruch folgte wieder die unendliche Leere, an die er sich in den letzten Jahren bereits gewöhnt hatte. Lowell hatte ihn mit seiner Drohung so sehr gereizt, dass er so deutliche Emotionen gespürt hatte wie schon lange nicht mehr und letztendlich war der Angriff auf den Helfer seines Vaters nichts anderes gewesen als die Möglichkeit, den Hass und Schmerz zumindest ein einziges Mal an jemand anderem auszulassen als an ihm selbst. Seine Situation - die Vergangenheit - änderte aber auch das nicht, wie Samuel angesichts des erbärmlichen Anblicks des winselnden Lowells schmerzlich bewusst wurde. Die Schmerzen und die Demütigung des Gefängnisaufsehers brachten ihm nur einen Bruchteil der Befriedigung, die er sich erhofft hatte, denn ein einziger unangenehmer Abend im Leben seines Vaters und Lowells waren in keinem Fall eine Kompensation für das, was er hatte durchleben müssen und schon gar nicht für das Leben seiner Frau.

Dazu kam, dass Samuel durchaus wusste, was ihm nun blühte. Er war ein zum Tode verurteilter Gefangener, ein Geächteter, der soeben einen Beamten angegriffen hatte. Hatte der Offizier bisher noch nicht mit dem Gedanken gespielt, ihn für sein Verhalten zu bestrafen, würde er nun mit Sicherheit gar keine andere Wahl mehr haben, wenn er es sich nicht mit einigen mächtigen Persönlichkeiten Netaras verscherzen und damit unter Umständen gar seinen Vorgesetzten schaden wollte. Der Bärtige bezweifelte zwar, dass jemand auf diesem Schiff die Befugnis hatte, die Todesstrafe vorzuziehen, aber er würde mit Sicherheit ausgepeitscht werden und sich einer sehr unangenehmen Überfahrt nach Esmacil gegenübersehen. In diesem Bewusstsein überraschte ihn die Reaktion des Offiziers enorm, auch wenn dieser offensichtlich keinen Funken Sympathie für Lowell empfand. Der Aufforderung, dem Gefängnisaufseher aufzuhelfen, kam er zumindest nicht nach, sondern hockte sich dicht neben ihn und flüsterte ihm einige Worte in die Ohren, die der Bärtige in seiner Position unmöglich verstehen konnte. Nicht, dass es besonders wichtig gewesen wäre - die Reaktion Lowells sprach Bände. Seine schmerzverzerrte Miene nahm einen Ausdruck reinen Unglaubens und schierer Entrüstung an und für einen Moment schien er seine Schmerzen zu vergessen. Mühsam rappelte er sich auf, nachdem der Dunkelhäutige sich ein wenig von ihm entfernt hatte, und blickte sich mit verletztem Stolz um, richtete seine Augen erst auf den Offizier, dann auf einzelne Mitglieder seiner Mannschaft, die allesamt keine Anstalten machten, ihm ohne einen entsprechenden Befehl ihres Vorgesetzten irgendeine Art von Hilfe zukommen zu lassen. Daraufhin nahm er, so gut es ihm in seinem Zustand möglich war, Haltung an - wobei er angesichts seiner gebrochenen Nase, aus der nach wie vor Blut floss, keinen sonderlich ehrfurchtgebietenden Anblick darstellte - und wandte sich der Konstruktion zu, die ihn vor einigen Minuten an Bord gebracht hatte. Als ihm jedoch klar wurde, dass ihm dieser Weg diesmal nicht offen stand, fügte er sich in sein Schicksal und ging auf das Fallreep zu. Die Widerworte und die Hochnäsigkeit waren ihm anscheinend vergangen, doch bevor er das Schiff verließ, warf er Samuel einen letzten vernichtenden Blick zu, der ein unausgesprochenes Versprechen bedeutete. Der Bärtige, in seiner Situation kaum zu einer Bewegung fähig, versuchte, einen möglichst drohenden Blick zurückzuwerfen, doch selbstverständlich wussten beide, dass er keine Möglichkeit mehr haben würde, Lowell ein weiteres Haar zu krümmen. Dann verschwand der Kopf des verhassten Mannes hinter der Leitplanke.

Samuel indes wandte seinen Kopf, so gut es möglich war, dem Offizier zu, der Lowell anscheinend ein paar unschöne letzte Worte mit auf den Weg gegeben hatte. Zwar konnte er ihn nur aus den Augenwinkeln anschauen, weil die Soldaten mittlerweile sehr darauf bedacht waren, seine Bewegungsmöglichkeiten auf das Atmen zu beschränken, doch viel wichtiger war ohnehin, dass seine Aufpasser ihm nicht so sehr auf die Lunge drückten, dass er nicht mehr hätte reden können.

"Ich entschuldige mich aufrichtig für die Unannehmlichkeiten, die ich Ihnen bereitet habe, Sir", sagte er gepresst, weil das Gewicht des Soldaten, der ihn auf dem Boden hielt, ihm das Sprechen doch deutlich erschwerte. "Ganz gleich, welche Strafe mich erwartet und auch wenn Ihnen das mit Sicherheit nicht viel bedeutet, seien Sie sich meines Dankes gewiss."

Er erwartete keine Antwort. Stattdessen schloss er die Augen und atmete tief durch. Auf die ein oder andere Weise hatte er nun, nach Lowells Abgang, wahrscheinlich die volle Aufmerksamkeit des Offiziers, solange dieser nicht beschloss, ihn gepflegt zu ignorieren.
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Willkommen an Bord - von Enrique de Guzmán - 15.12.2016, 13:43
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