04.12.2016, 22:12
Yaris kannte die kärgsten und widrigsten Lebensumstände. In den ersten Jahren seines Lebens hatte er sie zur Genüge kennen gelernt. Sein Vater hatte ihn nur auf dem kalten Boden in der Ecke schlafen lassen und nachdem er ihn umgebracht hatte, hatte er in den ersten Jahren nie genug Geld gehabt. Erst nach und nach hatte er von seinem Beruf als Attentäter leben können. Und dennoch, es hat nie mehr gegeben, als eine billige Absteige, auch wenn er sich mehr hätte leisten können. Das Leben hatte ihn gelehrt, mit wenig zufrieden zu sein und das hatte sich in all den Jahren nie geändert.
Aber in so einem Loch wie diesem, hatte er sich nur selten wiedergefunden. In Situationen, die ihn in die Kanalisation getrieben hatten. Doch auch das hatte es nur selten gegeben. Was wollte man auch von der Marine und ihren Gefangenentransporten erwarten. Sie alle waren der Abschaum der Gesellschaft – die einen mehr, die anderen weniger.
Yaris war geschmerzt und nach dem Schlag von vorhin schmerzte nicht mehr nur sein blutender Rücken, sondern auch sein Kopf. Doch nur zu gern würde er diesem verdammten Soldaten sein hämisches Gelächter bis in sein dämliches Hirn treiben – zusammen mit seinem Nasenbein, verstand sich. Nur wäre das verdammt unklug und er leider nicht so ganz in der Lage, nachdem die Zellentür zugeschlagen worden war. Verdammtes Inzestpack.
In den Zellen um sie herum würde leise geredet, während sich die Stimmen der Soldaten, begleitet von schweren Schritten, entfernten. Yaris versuchte eine halbwegs erträgliche Sitzposition zu finden. Sein Rücken pochte und klebte. Der raue Stoff des Leinens scheuerte noch mehr. Nicht besonders förderlich. Zudem waren da noch die schweren Eisenketten.
Ein Bein angewinkelt aufgestellt, das andere angewinkelt auf dem feuchten Boden abgelegt, machte der Attentäter das Beste daraus, und ließ den Kopf zurück gelehnt an den Gitterstäben. Nicht einen Blick hatte er auf etwaige Zellengenossen geworfen. Wieso auch. Sie alle hier hatten dasselbe Ziel. Aus welchem Grund sie hier waren oder welches Schicksal sie erwartete, war ihm so was von Schnuppe.
Dennoch, irgendwann hoben sich die Lider und der dunkle Schopf sank herab. Wache Augen von funkelndem Grün wanderten – ohne dass sich der Kopf mitbewegte - durch die Zelle. Sein untrüglicher Instinkt sagte ihm, dass er beobachtet wurde und Yaris‘ interessierte sich zwar nicht für seine Mitgefangenen, für den, der ihn da so intensiv musterte hingegen schon. Sein Blick streifte zunächst den älteren Mann in der Ecke, dessen finstere Miene ihm wohl Ruhe vor anderen garantieren sollte. Der war mehr mit sich selbst beschäftigt. Einige abgewandte Köpfe in den umliegenden Zellen schieden auch aus.
Allerdings saß ihm schräg gegeben über ein junger Kerl, dessen Blick ruhte unverwandt und sogar skeptisch verengt auf seiner Person. Ohne jede Regung hielt der Ältere dem Blick stand. Wich kein Stück zurück, sondern stellte eher desinteressiert und doch drohend mit dem Funkeln in seinen Augen unmissverständlich die Frage, was sein Problem war. Yaris war vielleicht geschwächt, weit entfernt von fit, doch er war mindestens genauso weit entfernt davon sich nicht zur Wehr zu setzen, wenn der andere Stress wollte – weshalb auch immer. Denn der 31 Jährige war sich ziemlich sicher, diesem Gesicht noch nie begegnet zu sein. Doch was bedeutete das schon in seiner Berufswahl. Er hatte ihn nicht getötet – offensichtlich. Aber hinter jedem Auftrag standen Familien – Eltern, Geschwister, nahestehende Verwandte - und Freunde, die für ihren Verlust nur zu gern blutige Rache am Mörder ihrer Liebsten verüben würden. Es war also alles möglich.