07.11.2016, 23:00
Ich packe meinen Seesack
... und ich nehme mit: meinen Cousin, ohne ihn zu fragenVormittag des 11.März 1822
Gregory Scovell & Trevor Scovell
Trevor boxte sich in der Menge nach vorn, bis er den perfekten Blick auf Ellhan hatte. Nein, doch nicht. Er tauchte noch einmal ab, kraxelte bis zur Reling und schwang sich geschickt in die Wanten. Jetzt hatte er den perfekten Blick. Nämlich auf das andere Schiff, dass da auf offener See neben der Sirène schaukelte. Er hatte vorhin geholfen, die beiden Schiffe miteinander zu vertauen und seitdem träumte er davon, die Seile wieder lösen zu dürfen. Dann sollte die Sphinx die Segel hissen und wieder wegsegeln! Und sie würden ihr einen klitzekleinen Vorsprung geben, bevor sie sie wieder einholten und wieder festmachten und dann noch mal alles, solange, bis Trevor keine Lust mehr hatte, falls das je passierte. Bestimmt passierte es nicht. Nicht, wenn er dabei diese Segel sehen durfte.
„Die sind rot, Gregory! Rot! Schau dir das an!“, brüllte er seinem Cousin zum ungefähr zehntausendsten Mal heute zu.
Er brüllte nur zur Sicherheit, weil er keine Ahnung hatte, wo Gregory war – dafür hätte er ja den Blick von den Segeln nehmen müssen. Mittlerweile waren sie gerafft, was Trevor ein bisschen deprimierte, aber die Farbe war trotzdem deutlich sichtbar.
Außer ihm war niemand so begeistert von dem Spaß-Verfolgungsjagd-Plan gewesen. Wobei, Ellhan selbst hatte er noch gar nicht fragen können, der hatte sich ziemlich schnell mit dem Captain der Sphinx in seine Kajüte verzogen. Eben erst war er wieder herausgekommen und hatte alle zusammengerufen. Jetzt fing er an, dem Rest der Crew irgendeinen Plan zu unterbreiten. Trevor beschloss, ihn gleich nach diesem Besprechungskrimskrams zu fragen. Er turnte an den Seilen noch ein Stückchen höher.
„Wir sollten unsere auch rot färben“, murmelte er mehr zu sich selbst, weil er wusste, dass er jetzt besser nicht mehr brüllte.
Das war auch ganz gut so, denn so bekam er noch den Rest von Ellhans „… sich auf eine ziemlich gefährliche Mission begeben–“ mit. Trevors Kopf ruckte abrupt herum.
„Was?!“
Die roten Segel und der Spaß-Verfolgungsjagd-Plan waren augenblicklich vergessen. Einarmig schwang Trevor sich auf die Innenseite der Wanten, lies los und landete in einer Mischung aus aufgeregtem Sprung und perfektem Sturz in der Menge unter ihm. Von irgendwem kassierte er einen Schlag auf den Hinterkopf, vermutlich, weil er demjenigen ziemlich zielsicher auf den Fuß gesprungen war. Er ignorierte es und drängelte sich weiter nach vorn, bis er bei Ellhan und dessen Begleitung von der Sphinx angekommen war. Sein Captain warf ihm einen kurzen Blick zu, der verriet, dass er genau wusste, mit welchem Wort er sich gerade einen neuen Zuhörer gekeschert hatte. „–um ihren Bruder zu retten“, beendete er seinen Satz. „Er ist ein Gefangener der Marine und wird jetzt oder in den nächsten Tagen auf einem von zwei Schiffen nach Esmacil gebracht.“ Er machte eine Kunstpause. Trevor wippte ungeduldig auf den Zehenspitzen vor und zurück, die Finger in ein Loch in seinem Shirt verdreht, in seinem Kopf ratterte es. Marine!? Gefangener!? Ziemlich gefährliches Mission!? – Boo-jah! „Wer sich diesem Abenteuer gewa–“
„Hier, ich!“ Trevors Arm schoss in der Luft und fuchtelte wild umher.
Von links und rechts erhielt er die üblichen Halt's-Maul-oder-wir-holen-dich-Kiel-Knuffer. Aber das war ihm schnurz. Und wie er diesem Abenteuer gewachsen war! Er war verdammt noch mal geboren für dieses Abenteuer! „... der darf sich der Talins Crew anschließen. Es wird auch keine–“
„Ich geh! Und Gregory auch!“
Der hatte zwar noch nichts dazu gesagt, aber er war schließlich Trevors Cousin. Ellhan warf ihm ein Lächeln zu, das Trevor zu ungeduldig zu interpretieren war und deshalb einfach als Bestätigung auffasste. Aufgeregt drängte er sich durch die Menge, während der Captain von Konsequenzen zu reden begann.
Er durfte! Auf das Schiff! Mit den roten Segeln! Auf eine z i e m l i c h gefährliche Mission! Er konnte sein Glück gar nicht fassen! Mit diesem Gedanken stürzte unter Deck, um seine Sachen zu packen.