18.10.2016, 15:33
Schweigend folgte sie der Diskussion und versuchte alles klar zu strukturieren. Irgendwie unterhielten sie sich gerade auf zwei Ebenen. Der Plan, wie sie herausfanden, auf welchem Schiff ihr Bruder sein würde – und welche Schiffe überhaupt in Betracht kamen – und dann der Plan, wie sie auf eben jenem Lucien retteten. Der Listenplan, wenn sie ihn mal einfach so nannte, gefiel ihr. Einer ging rein, zwei lenkten ab und die anderen schoben wache. Ja, damit konnte man etwas anfangen. Doch aus irgendeinem Grund gingen ihr die Worte des kleinen Diebes nicht mehr aus dem Kopf. Gab es so eine Liste überhaupt? Der Marine war wichtig, dass wenigstens alle vollzählig waren und keiner ihrer Gefangenen einfach so verschwand. Aber führten sie eine Liste mit ihren Namen? Wenn er es so sagte, dann konnte sie es sich eher weniger vorstellen. Dafür aber würden sie doch mit Sicherheit Listen darüber führen, was sie auf welchem Schiff transportierten. Das wäre doch mal was. Und dann störte sie noch eine Kleinigkeit an diesem Plan, doch sie konnte nicht ganz greifen, was es war.
Und diesen Moment wählte der Dieb auch, um sich aus dieser Diskussion zurückzuziehen. Etwas perplex stand sie da, blinzelte und schüttelte dann leicht schmunzelnd den Kopf. Sollte er nur machen. Wenn sie mit ihm über einen Plan B diskutierten, der seinen Marineoffizier beinhaltete, dann würden die anderen sicher dagegen sträuben. Aber sie behielt den Gedanken vorerst im Hinterkopf und ging erst mal nicht weiter auf ihn ein.
„Was die Liste angeht, so finde ich eure Idee gut. Vermutlich hat der kleine Dieb recht und es werden keine Namen aufgeführt, aber mit Sicherheit schreiben sie auf, welche Schiffe zum Transport benutzt werden. Und wenn wir das wissen, würde uns das schon sehr helfen.“ Kurz verstummte sie, denn das, was sie gestört hatte, konnte sie endlich erkennen. „Es wäre gut, die Liste nicht zu stehlen. Wenn ausgerechnet die fehlt, werden sie vermutlich die Wachen verstärken und wir kommen gar nicht mehr ran.“ Ihr Blick glitt zu Liam. „Du kannst lesen, richtig? Dann wäre es besser nur einen Blick auf die Liste zu werfen und raus zu suchen, was wir brauchen.“
Und dann war da noch die Sache mit dem Angriff auf dem Schiff. Liam und Aspen vertraten die Idee, die Gefangenen für sie zu gewinnen vehement und ganz unrecht hatten sie nicht. Es wäre gut, wenn sie auf ihrer Seite wären und sie nicht verrieten. Und es stimmte auch, dass sie dann ein ganzes Schiff für sich hatten, wenn sie erst einmal die Marinesoldaten beseitigt hatten. Aber war es wirklich so einfach? Es klang sehr verlockend. Sie wollte zustimmen, denn es wäre die einfachste Möglichkeit, doch es gab ein Problem, das an ihr nagte. Der Zielort war Esmacil, die Gefängnisinsel.
Talin seufzte tief, sah zu Aspen und schüttelte den Kopf.
„Euer Plan ist gut und schön und so gern ich es so einfach hätte, die Gefangenen auf unserer Seite zu haben, so sehr haben wir ein Problem, wenn sie erst einmal frei sind. Jeder auf diesem Schiff, der nicht zur Marine gehört, wird ins Gefängnis gebracht. Das heißt es sind überwiegend Schwerverbrecher: Mörder, Brandstifter, Vergewaltiger und was weiß ich. Ich würde mich nicht darauf verlassen, dass sie uns nicht auch umbringen, um auch die Sphinx zu kriegen. Und ehrlich gesagt, hänge ich an meinem Leben und an dem Schiff.“ Sie seufzte, zog die Stirn kraus und überlegte angestrengt. Was könnte man sonst tun. Oder sollten sie vielleicht erst mal einen Schritt zurückrudern? Was tun, wenn sie wussten, was auf der Liste stand? Langsam fing sie wieder an zu sprechen:
„Wenn Liam die Liste gefunden hat, dann sollten wir die Schiffe beobachten und sehen, auf welches Lucien gebracht wird. Wie wäre es, wenn wir dann noch vor dem Ablegen der Schiffe zuschlagen?“