06.10.2016, 11:36
Ein wenig enttäuscht war er dann ja doch, als sich herausgestellt hatte, dass das Schiff auf ihrer Seite gewesen war. Natürlich hätten sie bei einer ernsthaften Auseinandersetzung nur wenig Chancen gehabt, so wenige wie sie waren, aber spannender wäre es allemal gewesen. Liam hatte schon den ein oder anderen Überfall erlebt – wie sollte es auch anders sein in dieser Zeit, wenn man sich oft auf dem Meer aufhielt – und bisher war es meist glimpflich ausgegangen. Ganz egal, ob sich die Crew nun zu Kooperration oder Widerstand entschieden hatte. Sein Glück bisher und darauf verließ er sich auch weiterhin. Was wollte man mehr, wenn einem das Leben gut gesonnen war? Nicht umsonst kümmerte er sich nicht groß um Gefahr sondern war mehr der 'ich schmeiß' mich einfach mal rein'-Typ. Genau deswegen stand er nun auch eher unbeteiligt dabei. Das einzige, was von ihm zu hören war, war ein leises Schnaufen, während sein Blick über die neuen Gesichter wanderte und schließlich wieder bei Talin hängen blieb. Mit seiner linken Hand kraulte er Sineca am Kinn, die ebenfalls – und misstrauischer als er – die neuen aus neugierigen Katzenaugen von seiner Schulter aus begutachtete. Während er halbherzig dem Geschehen lauschte, malte er sich noch immer die Szenen aus, die sich bei einer Seeschlacht ergeben hätten, blinzelte aber immer wieder und versuchte, sich mehr auf das Gespräch zu konzentrieren, wenn es ihm bewusst wurde. Abermals ein Seufzen, ehe er sich an die kurze Diskussion zwischen Talin und Aspen hängte und mit den Schultern zuckte.
„Wenn wir das Schiff mit Hilfe der übrigen Gefangenen kapern, müssen wir niemanden mitnehmen als die, für die wir uns Interessieren, oder? Der Rest hat sein eigenes Schiff und – schwubs – sind neue Piraten geboren.“
Er sah kurz zu Aspen, dessen Idee er gerade unterstützen wollte.
„Wie er schon sagt – wir sind alleine zu wenige, um die Marine außer Gefecht zu setzen. Wenn wir unbemerkt auf's Schiff kommen und es von Innen heraus auseinandernehmen können, haben wir nicht nur eine größere Mannschaft als die Marine sondern auch den Überraschungsmoment auf unserer Seite.“
Ihn reizte der Gedanke an eine große Intrige tatsächlich sehr. Wahrscheinlich hätten sie dann sogar weniger zu tun, immerhin hatten die Gefangenen mit Sicherheit ziemlich großen Unmut gegenüber der Marine. Während sie sich also um das Schiff kümmern würden, konnten sie den Tumult nutzen, um unbemerkt mit ihrer gefangenen Crew zu verschwinden. Als das Thema wieder zu den Listen gelenkt wurde, brachte Shanaya die wohl passenste Idee. Reingehen – rausholen. Himmel, warum so kompliziert?
„Ihr zwei lenkt ihn ab und ein anderer holt, was wir haben wollen.“ Ein süffisantes Grinsen zeichnete sich nun auf seinen Zügen ab. „Ich bezweifle, dass wir jemanden haben, der sich besser um die Ablenkung kümmern könnte. Mann bleibt Mann.“
Und er bezweifelte, dass es sich um eine Frau handeln würde – und wenn, hatten sie ja immer noch Prinz Eisenherz, der sich ausziehen konnte. Kurz darauf aber mischte sich eine andere Stimme ein, die Liam einen kurzen Moment überraschte. Huch, wer hatte ihn noch gleich um seine Meinung gefragt? Er respektierte Talins Entscheidung, ihn aus seinem Gefängnis rauszulassen, aber hatte er da nicht etwas wie 'Shanayas Schoßhündchen' gehört? Doch statt ihm etwas an den Kopf zu werfen und daran zu erinnern, dass er Shanayas Erlaubnis brauchte, um etwas zu sagen – konnte man doch so einführen, oder? - warf er stattdessen lieber wieder eine Frage in die Runde, selbst wenn sie ihnen im Augenblick nicht groß weiterhelfen würde.
„Meint ihr, der -“ Er wieß auf Ryan „- ist ein zu schlechter Dieb, als dass die Marine Interesse an ihm hätte? Dann können wir vielleicht einfach ganz friedlich tauschen. Wie Münzen.“