13.09.2016, 16:15
Lachen? Warum war ihr zum Lachen zu Mute? Fragen verzog Aspen die Stirn. Er war hier um die Situation zu klären, nicht um sich und seine Ansichten ins Lächerliche ziehen zu lassen. Doch entgegen seiner Erwartungen, dass ihre Stellungnahme hiermit beendet war und Talin genau aus diesem Grunde längere Zeit schwieg, begann die Blonde mit einem Mal ihr Mieder zu öffnen. Überrascht hob der Montrose die Brauen, bevor er galant zur Seite sah und an seinem Glas nippte - das war ihm dann doch zu viel des Entgegenkommens, auch wenn er sich gerade bei Talins Figur nicht beschweren sollte.
Erst bei ihren folgenden Worten sah er wieder auf, entdeckte die unschöne Narbe und verzog innerlich jede Faser seines Gesichts, auch wenn seine Mimik ausdruckslos blieb. Wie alt war sie? 17, wie der kleine Rabe? 19? Irgendwo in diesem Bereich. Unwillkürlich musste Aspen zugeben, dass genau solche Erinnerungen wie Talins Narbe der Grund dafür waren, dass er seinen Vater ermordet hatte. Seiner Schwester hätte schließlich das Gleiche geblüht.
Mit einem Seufzen wandte er den Blick wieder ab, beugte sich zum Tisch vor, um sowohl sein eigenes Glas, als auch ihrs noch einmal neu zufüllen. Was sollte er dazu sagen? Eine Entschuldigung? Dafür, dass lieber er eine Rüge abbekam als ein Fremder, der ihr dies nicht so leicht verzieh? Abschätzend über die eigenen Worte kreiste er sein Glas, lehnte sich wieder zurück.
„Wie alt warst du zu diesem Zeitpunkt?“, behielt er das Thema bei, auch wenn Talin das Thema offensichtlich beenden wollte. „Und vor allem wer warst du zu dieser Zeit? Ein kleines, hilfsbedürftiges Mädchen, das sich nicht wehren konnte? Das sich von Daddy verheiraten ließ, weil es der einzige Sinn ihres Lebens war?“
Provokant schürzte er die Lippen und schnaubte gleichzeitig herausfordernd. Wie viel wollte sie denn heute noch von dem kleinem Mädchen in sich tragen, dass sie sich davon beeinflussen ließ? Freudlos lachte er einmal auf, bevor er die Arme auf die verschränkten Beine lehnte und zu ihr hochsah.
„Selbstverständlich darf dieses kleine Mädchen von damals wegen einer harmlosen Berührung – nenne es von mir aus Bevormundung – überreagieren. Unsere jetzige Talin, den Captain der eine gesamte Crew anführen soll, hat das nicht mehr nötig.“
Reichte das an Anspielungen? Oder musste er deutlicher werden? Eine kurze Pause folgte, um das Gesagte wirken zu lassen. Sachte schüttelte sich sein Kopf verneinend, bevor Aspen sich über den Bartansatz strich und den Mund verzog.
„Hier in deiner Kammer darfst du schreien und dich selbst bemitleiden, wenn du das brauchst. Hier räume ich gerne hinter dir auf und steh dir als Boxsack zur Verfügung. Aber hinter dieser Tür“ - mit dem Kopf nickte er zur schweren Holztür - „hat das kleine verletzte Mädchen nichts mehr zu suchen.“ Ohne dass Aspen es beabsichtigte, wurde seine Stimme weicher, verständnisvoller – verdammt, er verstand zu gut, dass die Vergangenheit einen immer weiter begleitete. Nur in manchen Positionen musste sie eben verdrängt werden.