06.09.2016, 00:09
Shanaya hätte platzen können. Einfach so. Nicht vor Wut, sondern von dieser verdammten Spannung, von dem Willen, weiter zu kommen. Es ging ihr gehörig auf die Nerven, nicht voran zu kommen, auch wenn die Talin verstand. Ein Grund, wieso sie niemals dafür gemacht sein würde. Captain zu sein. Das wäre eine vermutlich schlaflose und immer weiter voran getriebene Crew. Und so kam ihr die letzte Zeit in der Brig viel zu lang vor – bis Talin endlich den Weg auf Deck anschlug. Und auch wenn sie selbst jetzt ein Anhängsel hatte, konnte sie es kaum erwarten. Der Dieb nahm ihr kein bisschen Wind aus den Segeln, so schnell es Talins Schritte zuließen eilte die Schwarzhaarige nach oben, bewegte sich sofort zur Reling, um zu sehen, wie weit das fremde Schiff noch entfernt war. Und weiterhin schwieg Talin. Die Blonde machte sie wahnsinnig, wie konnte sie nur so lange den Mund halten?! Die Schwarzhaarige nahm also ihren Platz an der Reling ein, von wo sie sowohl das Schiff als auch die diebische Elster im Blick hatte. Sie wollte ihn nicht die ganze Zeit in ihrer Nähe haben, war also glücklich, wenn er auf Abstand blieb. Trotzdem beobachteten die hellen Augen die Bewegungen des Mannes, eine kleine falsche Bewegung würde ihr reichen. Sie hatte zu gute Laune, vermutlich tat es dem Dieb besser, wenn er sich einfach Nichts zu Schulden kommen ließ.
Und schließlich war es da, das fremde Schiff war mit ihnen gleichauf – und Talin schien noch immer die Ruhe selbst. Einen Moment lang überlegte die Dunkelhaarige, ob sie ihr aus dem Hinterhalt an den Haaren ziehen sollte, um sie aus der Reserve zu locken. Aber so schnell wie dieser Gedanke gekommen war, verwarf sie ihn auch wieder. Eine Phantasie ihrer guten Laune, die sie besser zurück steckte. Sonst musste der Dieb nachher auf sie aufpassen, weil sie in der Brig landete. Die junge Frau hob den Kopf ein wenig an, verschränkte leicht die Arme und musterte ein wenig skeptisch den Captain des anderen Schiffes. Gut, den Gedanken an 'Feinde' konnten sie ja nun über Bord werfen (Vielleicht direkt den Dieb hinterher?) aber so ganz zufrieden war die Schwarzhaarige doch nicht. Mit der Zunge fuhr sich die Dunkelhaarige über die Zähne, grübelnd, während die zwei Captains sich in die Kajüte verzogen, um lauter geheime Dinge zu besprechen, die IHNEN vorenthalten wurden. Oh, wie gerne hätte sie die Tür eingetreten. Mit der Faust auf den Tisch gehauen... Statt dessen musste sie sich damit begnügen, den Rest der fremden Crew zu betrachten. Ob sie wohl mehr wussten, als sie? Und was gab es überhaupt zu wissen? Vielleicht hatten die ja den geheimnisvollen, dreiköpfigen Bruder in ihrer Brig versteckt? Und jetzt verhandelten sie mit Talin über den Preis. Shanaya ließ den Blick schweifen, lächelte, als die Augen die Gestalt ihres Gefangenen strichen. Sie wusste da einen perfekten Tausch! Nur leider würde die andere Crew das wohl anders sehen, also folgte nur ein leises Seufzen, mit dem Shanaya diesen Gedanken wieder verwarf.
Sie wusste nicht, wie lange Talin weg war, wie lange ihr Blick zwischen der anderen Crew, den eigenen Mitgliedern und dem Dieb hin und her gewandert war. Aber ENDLICH tauchte die Blonde wieder auf. Und auch wenn Shanaya sich nicht wirklich regte, zumindest lehnte sie sich von der Reling weg, die blauen Augen aufmerksam auf ihren Captain gerichtet – die keinen dreiköpfigen Mann dabei hatte. Und wieder spielte ihr ihre Fantasie einen Streich – jetzt hatte sie eine dreiköpfige Talin im Kopf, nur mit männlichen Gesichtszügen. Shanaya schüttelte den Kopf, konzentrierte sich wieder auf das Wesentliche. Schnell wurde deutlich, dass sie anstatt des Bruders – das wäre ja auch zu einfach! - andere mit auf die Sphinx brachte. Einen großen, schwarzen Schrank und zwei, die sie noch nicht beurteilte. Dafür schien sie dann ja noch genug Zeit zu bekommen. Aber gut, sie wollte sich nicht beschweren. Sie mussten jede Hand annehmen, die helfen wollte. Wenn es wirklich an ein Schiff der Marine ging... dann brauchten sie ein paar mehr Leute...
Die Zeit verging, Shanaya stand noch immer an der Reling, während ihr blauer Blick kaum noch von Talin abgewandt wurde – und wenn, dann nur um zu sehen, was der kleine Taschendieb so im Schilde führte. Verdammt, jetzt gerade verfluchte sie diese Aufgabe. Aber die Dunkelhaarige riss sich zusammen, es musste jetzt eben sein. Die junge Frau beobachtete also von der Reling aus das Geschehen, nah genug, um kein Wort zu verpassen. Talin wollte ihr Schweigen brechen – und fast wäre die Dunkelhaarige in tosenden Applaus ausgebrochen. Satt dessen stand sie einfach weiter da, scharrte in Gedanken mit den Füßen. Sie sagte jedoch Nichts, wenn Talin ihr auch nur einen Moment in die Augen blicken würde, würde sie genau wissen, was in ihr vorging. Und je weniger ihr man jetzt dazwischen funkte, desto schneller wurde ihre Neugier gestillt. Shanaya ließ es sich jedoch nicht nehmen, auch die Fremden ein wenig zu begutachten. Prüfende Blicke lagen auf ihnen – gespannt, wie sie sich die ersten Minuten an Bord ihres neuen zu Hauses schlagen würden.
[An der Reling – Nähe der Anderen]