17.08.2024, 20:26
Sie kannten sich also. Ein Ruck durchfuhr Ceallaghs Mundwinkel für einen Moment, ehe er sein Gesicht der Straße zuwandte und die Dunkelheit im Blick behielt. Dieses Gefühl, das sich merklich seinen Nacken hinauf schob, war er nahezu gewohnt. Ihm mehr Bedeutung beizumessen, würde ihm vom Leben, das er führte, abraten. Ein Schmuggler zu sein hieß, sich in brenzlige und unvorhersehbare Situationen zu bringen. Womöglich war das auch der Reiz, den er darin suchte. Die leise Gefahr, die ihm zärtlich in die Glieder biss und regelrecht unter die Haut schlüpfte. Davon abgesehen blieb ihm ohnehin noch alle Zeit der Welt, der gemeinsamen Vergangenheit zwischen dem Lockenkopf und dem Fremden auf den Grund zu gehen. Mit einem Verletzten im Schlepptau kämen sie mit ziemlicher Sicherheit nicht so schnell voran wie bisher. Und schätzte er die Lage richtig ein, würde Liam ohnehin nicht davor fliehen können, um seiner Herzdame nachzujagen. Weniger weil sie keine Ahnung hatten, wo sie steckte, sondern weil er damit beschäftigt sein würde, den Fremden in Richtung des Ärzteviertels zu tragen.
Während Ceallagh Lola also weiterhin Licht zum Arbeiten spendete, widmete sich der Schmuggler ganz seinem Beobachtungsposten, den Liam ihm überlassen hatte. Er war ohnehin für niemanden eine große physische Hilfe. Und ganz gleich wie viel Wissen er hinter seinen blaugrünen Augen trug, konnte er nur schwer von sich behaupten, mehr von Medizin zu verstehen, als er für seine eigenen kleinen Verletzungen brauchte. Bewunderte er deshalb ein wenig wie konzentriert sich die junge Frau ihrer Arbeit widmete? Durchaus. Seit ihrer ersten Begegnung beobachtete er sie mit aller Sorgfalt. Studierte ihre Denkweisen, ihren Charakter. Und wer hier ein kitschiges Romankapitel vermutet, darf sich mit einem Holzbrett vor den Kopf hauen. Wir sind hier nicht bei „Herzblatt“!
“Mh… für den Krieg solltest du dir vielleicht noch etwas Zeit lassen.“ Es war interessant mit was für einem Humor sich der Ältere umgab, während er den Boden der Gasse in rote Farbe tränkte. Dieser Humor hatte schon etwas Zynisches an sich. Glich ganz dem Seinen, wenn er so darüber nachdachte. Dennoch… abgesehen von seiner Wunde, die so tief gar nicht war (zumindest beteuerte der Fremde es einige Minuten später), würde ihm die ewige Nacht nicht wirklich in die Karten spielen. Zumindest hatte es das nicht in dieser Situation. Ceallagh bezweifelte also ein wenig, dass es beim zweiten Versuch wirklich besser verlaufen würde. Nicht wenn er sich von zwei Personen auf die Beine helfen lassen musste und mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne sie gar nicht erst auf eben diesen blieb.
“Dann wollen wir mal.“, murmelte der Hüne, wandte den Kopf zu der kleinen Ginsterkatze hinab, die ihm um die Beine strich und lächelte hörbar. Er hatte vielleicht kein sonderlich großes Herz für Menschen, doch Tiere… ach… wem machte er schon was vor.
“Dem nächsten Angreifer beißt du einfach in die Versen… richtig fest und tief.“, flüsterte er ihr zu und drehte sich auf Selbigen herum, um die kleine Truppe mit erhobener Laterne durch die Finsternis zu führen.
“Woher kennt ihr zwei euch eigentlich?“ Der Blondschopf sah nicht über seine Schulter zurück. Behielt viel lieber den Blick auf seine Umgebung gerichtet und vertraute darauf, dass sich die Herrschaften schon genug angesprochen fühlen würden.
[ Liam, Lola, Niloc | von der Gasse auf dem Weg zum Ärztehaus]