13.08.2024, 19:51
Rúnar machte abrupt Halt -- Dahlamon Tali war so leise gewesen, dass ihm das Knirschen der Kiesel zwischen seinen Sohlen und den Pflastersteinen dagegen wie ein Echo in einem Tal vorkam. Haralds überraschtes Krächzen trug seinen Teil zur dramatischen Untermalung bei.
"Was--", setzte Rúnar an, aber Dahlamon Tali sprach über ihn hinweg. (In erster Linie, weil er nicht laut und deutlich genug zu seinem Versuch, sie zu fragen, was sie da tat, angesetzt hatte.)
Der Kontrast zwischen ihrer natürlichen Autorität und der Tatsache, dass sie da nun vor der Veranda hockte und versuchte, eine Katze anzulocken, sorgte dafür, dass Rúnar ein wenig von seiner unverhältnismäßigen Ehrfurcht verlor und ihn aber gleichzeitig weiter dieses seltsame Gefühl beschlich, darüber, wie unberechenbar diese Frau war. Bei jedem anderen Menschen, der gerade versuchte eine Katze zu locken, würde Rúnar nicht in Frage stellen, ob es demjenigen wirklich darum ging, einfach nur diese Katze zu streicheln.
Natürlich konnte Rúnar sich nur bedingt ihrer Aufforderung widersetzen, weshalb er hektisch neben der Riesin in die Hocke ging und erstmal ... die Lage prüfte. (Bekanntermaßen war er ja gut darin, so zu tun, als wüsste er, was er tat und das galt auch dafür, so zun tun als täte er etwas Sinnvolles, während er einfach nur Zeit schindete oder einfach nur wartete, dass es vorbei ging. Nicht aus Faulheit -- zum Selbstschutz.)
Dahlamon Tali schien selbst schon zu wissen, was sie tat -- aber wie er da so hockte -- wie sie beide da so hockten -- fragte er sich, was sie da überhaupt gerade taten. Sie hatten einen klaren Auftrag und er würde sich wundern, wenn sie dabei durch das Streicheln von Katzen weiterkommen würden. (Wobei das gar nicht so abwegig war. Zumindest was Pferde anging, konnte er das bezeugen -- denn davon hatte er überproportional viele getroffen, im Gegensatz zu anderen Tieren. Es half beim Denken, beim Konzentrieren, Fokussieren, Entspannen, Ablenken. Eigentlich allem. Was er dafür geben würde jetzt ein Pferd streicheln zu können. Seine Handfläche unter eine dichte Mähne zu stecken und über den Hals gleiten zu lassen, bis sie vom feinen Staub marmoriert war.)
Sie hatten Wichtigeres zu tun. Wichtigeres, als Pferdestreicheln und wichtigeres als Katzenstreicheln. Er verspürte sogar einen kleinen Funken von Wut bei Dahlamon Talis selbstverständlicher Annahme, dass Isala schon zurechtkommen würde.
Wie so oft konnte er sich sagen, dass schon alles in Ordnung war -- zumindest, was Isalas Sicherheit anging. Das Skadi-Soula-Talinn-Schiff hatte den Hafen schon lange verlassen und dümpelte unheilvoll durch den Angstozean. Aber wie so oft half das Einreden auch nur bedingt.
"Das sagt sich leicht aus deiner Perspektive." Trotz des Funken -- oder gerade deshalb -- fiel Rúnar in seinen diplomatischen Ton. "Dich würde ein Entführer nicht mal mit der Kneifzange anfassen wollen." Und das sagte er so, obwohl er sich noch immer fast in die Hose machte, wenn er mehr als fünf Minuten mit dieser Frau in einem Raum verbrachte. Denn er war sich sicher, dass sie genau so wahgrneommen werden wollte -- oder dass er ihr damit zumindest ein Kompliment machen würde. (Falls sie verstand, was mit der Redewendung gemeint war. Und falls er sich nicht vollends verschätzte ...)
Es fiel ihm nicht schwer den Impuls zu unterdrücken, sie am Ärmel mitzuziehen, oder ähnliches. Deswegen blieb er einfach hocken und fagte: "Was hast du denn vor?" So wenig verurteilend wie möglich. "Meinst du nicht, wir sollten weiter nach Skadi und den anderen schauen? Sobald sie in Sicherheit sind, können wir uns immer noch Katzen zum Streicheln suchen." Er zog die Augenbrauen zusammen. Das klang auf so viele Arten und Weisen fragwürdig. Aber darüber machte er sich keine weiteren Gedanken. Er hatte gerade genau zwei akute Dinge, auf die er sich konzentrieren wollte: Erstens, Skadi, Soula und Talinn finden -- lebendig, vorzugsweise. Zweitens, nicht von Dahlamon Tali gefressen werden.
{ mit Harald und Dahlamon Tali | im Handwerksviertel | will weiter nach Skadi, Soula, Talinn suchen }