06.06.2024, 14:32
„Wenn es nötig ist.“, antwortete Liam, ohne Ceallagh anzusehen. „Aber auch Talin weiß sich durchaus zu wehren.“
Dass sie noch nicht zurück waren, konnte also nur bedeuten, dass irgendetwas nicht stimmte. Skadi war kein Berserker, der sich bei der erstbesten Gelegenheit auf andere warf. Sie war durchaus bedacht, abschätzend und normalerweise realistisch. Nervös kaute sich der Dunkelhaarige auf der Unterlippe herum, behielt seine Gedanken allerdings für sich. Talin war weniger bedacht, konfliktfreudiger, selbstüberschätzender. Und Skadi absolut loyal. Eine gefährliche Mischung, die ihm noch mehr unbehagen bereitete, weil er wusste, wie weit Skadi sich und ihre Unversehrtheit hinter die von anderen stellte. Die Sache mit Enrique hatte ihm einen unangenehmen Einblick gegeben. Er hoffte bloß, dass sie rechtzeitig kamen. Der Griff der Laterne knarrte leise im angespannten Griff seiner Hand. Lolas Frage riss ihn abermals aus den Tiefen seiner Gedanken und ließ ihn kurz aufsehen, bis ein Geräusch in der Nacht seine Aufmerksamkeit auf sich zog.
„Hoffentlich gut genug.“
Gut genug, um ihre Schritte nachzuverfolgen und sie zu finden. Lebend. Liam wusste, dass er sich alles andere nicht verzeihen würde - besonders das machte ihm Angst, weil es ein Gefühl war, das er so nicht kannte. Seine Aufmerksamkeit galt kurz Sineca, die ihm, kaum dass er die Finger der freien Hand zu sehr in ihrem Fell vergraben hatte, sanft aber bestimmt mit der Tatze zeigte, dass er das lassen sollte. Die Entschuldigung war kaum hörbar und galt nur der Genette, ehe er sich wieder an die Blonde wandte. Stimmlich jedenfalls. Sein Blick blieb aufmerksam nach vorne gerichtet, kaum dass sie sich wieder in Bewegung gesetzt hatten.
„Sie ist eine Ginsterkatze.“, erklärte Liam. „Bislang habe ich noch nicht herausgefunden, woher sie - oder besser ihre Art - ursprünglich kommt. Alex und ich haben sie Schmugglern geklaut.“
Konversation beruhigte. So hieß es zumindest, weil er bei dem unwohlen Kribbeln in seinem Magen keinerlei Veränderung feststellte. Sie widmeten sich schnell wieder dem eigentlichem Thema und er nickte langsam. Auch Lolas Einwand war berechtigt und ein guter Ansatzpunkt um irgendwo zu beginnen.
„Nicht zwingend zwielichtig, unbemerkt aber bestimmt. Wenn man es gezielt auf sie abgesehen hatte, wird man sich vorher die Mühe gemacht haben, sie zu beschatten. Also wüsste man, dass sie nicht alleine sind. Wenn es Zufall war, will man auch nicht zwingend dabei auffallen, wie man drei Frauen verschleppt. Und wenn es die Marine war, hätte man sich längst mit den Köpfen zumindest zweier gesuchter Piraten gebrüstet.“ Ihm wude schlecht. Seine Stimme war gegen Ende seiner Ausführung immer leiser geworden, auch wenn Liam sich einbildete, dass man ihm nichts angemerkt hatte. „Das klingt nach einem guten Pl-“
Liam stockte mitten im Wort, als Ceallagh bedeutungsschwer stehen blieb und in eine Gasse leuchtete. Das Herz des Künstlers schlug einen Augenblick schneller, obwohl er sich bewusst war, wie unwahrscheinlich es war, dass sie einfach so über ihre (lebenden) Gefährten stolperten. Es war also Hoffnung und Furcht zugleich, die ihn ergriff. Angespannt suchten seine Augen die Gasse ab. Das schwere Atmen konnte nun auch er hören, wenn er genau lauschte. Eine Gestalt blieb ihm aber vorerst verborgen. Das Atmen kam ihm nicht bekannt vor. Er wechselte einen flüchtigen Blick mit Lola und Ceall, ehe er sich dem Größeren anschloss und seine Laterne hob. Sineca spannte sich auf seiner Schulter an.
„Vorsicht.“, zischte er seinen Begleitern so leise entgegen, dass nur sie es hören konnten.