04.06.2024, 04:29
Ihr Blick huschte durch den Raum, bevor sie blinzelte und den Schleier der Mattheit zu verscheuchen zu versuchte. Eindeutig zu wenig Essen, eindeutig zu wenig zu trinken. Eindeutig zu heftige Träume. Talin wollte nichts lieber als sich wieder auf dem Bett zusammen zu rollen und nie wieder aufzustehen. Es klang verlockend einfach so lange zu schlafen, bis das, was auch immer das hier war, vorbei war. Aber so leicht war das Leben nicht, nicht wahr? Die Probleme verschwanden nicht, wenn man sich zu einer Kugel zusammen rollte. Meistens folgten dann nur noch mehr Tritte und Schläge, weil man sowieso schon am Boden lag.
Ruckartig schüttelte die Blonde den Kopf, verscheuchte das Gefühl des kalten, harten Bodens unter ihrem Körper, das höhnische, betrunkene Lachen in ihrem Ohr und die Phantomschmerzen, die sich über ihren ganzen Körper auszubreiten versuchten. Sie war nicht mehr an diesem Ort. Sie wusste vielleicht gerade nicht, wo genau sie war, aber ganz sicher nicht auf Kelekuna in diesem Haus, dass sie in einem Blutbad zurückgelassen hatte. Auf der kleinen Insel hätte zumindest niemals so ein Haus mit so einem prachtvollen Zimmer gestanden.
Nochmals blickte sie sich um, die Dunkelheit vor dem Fenster sagte ihr immerhin, dass es entweder Nacht war oder sie noch nicht so lange verschwunden waren, dass die Finsternis wieder vertrieben worden war. Sie hasste diese Zeit, konnte man doch jegliches Zeitgefühl verlieren, wenn es dauerhaft schwarz vor der Nase war. Und man nebenbei entführt wurde. Ob ihrer eigenen Gedanken wollte sie schon ein Schnauben ausstoßen, als Soulas leise Stimme an ihr Ohr drang. Erst jetzt wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder vom Zimmer ab und dem jungen Mädchen auf dem Bett zu. Talin schwieg, beobachtete sie einfach nur, wie sie den Kopf senkte, so völlig verloren aussah, wie ein Welpe, den jemand in einer Pfütze ertränken wollte. Die Gedanken an ihre Vergangenheit verschwanden völlig aus Talins Kopf, als sie sich langsam um das Bett herumbewegte und vor dem anderen Mädchen in die Hocke ging.
„Hey,“ Sie ergriff sanft Soulas zitternde Hände, versuchte, ein wenig von ihrer eigenen Wärme in die kalten Finger fließen zu lassen, „alles in Ordnung. Atme ein paar Mal tief ein und aus, das hilft für gewöhnlich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du dich noch an einiges erinnerst. Dein Name ist ... Steffen, richtig? Nein, warte, ich glaube, dass war ein Männername. Susi? Susan? Es liegt mir auf der Zunge, ...“
Sie schenkte dem Mädchen ein schwaches Lächeln und strich sanfte Kreise über ihren Handrücken.
„Ich fang einfach mal an, vielleicht hilft dir das ja. Ich erinnere mich, dass wir den größten Raubzug Allerzeiten geplant haben, dass wir in einer Taverne vielleicht ein bisschen über den Durst getrunken haben, dass wir auf dem Marktplatz sehr unhöfliche Stadtwachen getroffen haben, dass Skadi verschwunden ist und wir sie gesucht haben und dann... dann nur an Träume, verwirrende Gänge, Schmerzen und Schwachheit. Das ist das, was ich noch weiß. Wie sieht es bei dir aus? Kannst du da noch etwas ergänzen?“
Sie wollte am liebsten noch weiter drängen, wollte wissen, ob sie noch Waffen bei sich hatte, wenn sie überhaupt welche hatte, ob sie Türen aufknacken konnte, denn die Blonde war sich ziemlich sicher, dass sie hier eingeschlossen waren. Doch das alles schob sie hinten an, egal wie ungeduldig sie war, von hier zu verschwinden. Erst einmal musste sie Soula helfen, sich zu beruhigen.
[irgendwo im nirgendwo | mit Soula]