08.05.2024, 21:35
Ein leises Stöhnen entfuhr ihr, als sie langsam zu sich kam. Ihr Kopf sagte ihr, sie sollte die Augen aufschlagen und so schnell wie möglich von hier fliehen – auch wenn diese Nachricht durch eine sehr weiche, weite Wattewolke zu kommen schien. Ihre Augen allerdings öffneten sich nur sehr langsam, schienen förmlich aneinanderzukleben, während sie gleichzeitig versuchte, sich daran zu erinnern, was genau passiert war. Bruchstücke tauchten aus dem Dunst auf, verschwanden aber auch genau so schnell wieder. Sie hatte versucht zu fliehen, sie hatte geträumt ... ein kleiner Schauer lief ihr über den Rücken und sie schlug gänzlich die Augen auf, starrte an eine ihr unbekannte Decke und versuchte krampfhaft nicht zu weinen. Lucien, wie sein Kopf in den bereitgestellten Korb unter der Guillotine fiel. Ihr wurde schlecht.
Talin wusste nicht wie, aber sie schaffte es, sich schneller zur Seite zu drehen, als sie für möglich gehalten hatte, und übergab sich. Mehr als Galle konnte sie nicht hochwürgen, da sie nicht besonders viel im Magen zu haben schien. Aber allein das Würgen reichte aus, um ihren Körper noch ein wenig mehr zu schwächen. Wie großartig. Jetzt fühlte sie sich nicht nur in ihrem Inneren müde und taub, sondern auch ihr Körper schien sich nur noch zusammenrollen zu wollen und nie wieder aufzustehen. Aber nachdem die Bilder ihres Traumes vor ihrem inneren Auge immer wieder abgespult wurde, wagte sie es nicht, die blaugrünen Iriden zu schließen. Vermutlich würde sie nie wieder schlafen können, wenn sie diese Bilder nicht vergaß.
Eine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Eine Stimme, die ihren Namen sagte. Die Blonde richtete sich ein wenig weiter auf und sah sich um. Gerade als sie langsam die Beine über die Bettkante schob, entdeckte sie Soula. Ein leises Gefühl der Erleichterung durchfuhr sie, gemischt mit einem Hauch Schuld. Hätte sie nicht vorgeschlagen, sie sollten Soula mit einem Raubzug von ihren Gedanken ablenken, wäre die Dunkelhaarige jetzt vielleicht nicht in dieser Situation. Sie schluckte, bereute es aber sofort wieder, bevor sie sich räusperte und jegliches weitere Würgen unterdrückte.
„Ja, ich bin hier.“
Was ja nicht zu übersehen war. Innerlich verdrehte sie die Augen, versuchte sich dann aber lieber auf die Aufgabe zu konzentrieren, sich aufzurichten. Es fiel ihr schwer, aber nach und nach schien ein wenig Kraft in ihren Körper zurück zu kehren. Sie stand auf und schlurfte langsam, aber stetig in die Mitte des Raumes, um ihn einmal in Augenschein zu nehmen. Viel brachte es ihr nicht.
„Sie haben uns auf jeden Fall nicht genug zu essen gegeben, sonst würden wir uns sicher nicht so schwach fühlen. Ist immerhin auch eine Art jemanden zu töten.“
Wieder räusperte sie sich, vorbei an dem trockenen Gefühl und dem ekligen Geschmack in der Kehle.
„Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was wer auch immer getan hat und warum wir noch leben. Aber über letzteres bin ich froh“, sie rieb sich über die Schläfen, bevor sie Soula wieder ansah, „An was erinnerst du dich?“