03.05.2024, 12:05
Liam bildete sich nichts darauf ein, mit der kleinen Elster gut auszukommen. Er hatte mit Shanaya noch nie ein Problem gehabt. Anfangs hatte sie ihn vielleicht ein bisschen belächelt, aber das war ihm herzlich egal gewesen. Er kannte seine Qualitäten und die lagen weitaus eher in der Abenteuerlust und Kreativität als im Kampfgeschehen. Daraus hatte er nie ein Geheimnis gemacht, hatte inzwischen aber auch schon allzu oft bewiesen, dass er nicht zögerte, wenn es darauf ankam. Manchmal wünschte man sich zwar, dass er Situationen früher als aussichtslos einschätzte, aber bisher hatte es eigentlich immer gereicht. Bei Per? Sie hatten damit nicht rechnen können. Und Per hatte ganz bestimmt gewusst, dass er sich mit seiner Aktion selbst zur Zielscheibe machte. Liam war auch nicht für die Entscheidungen ihres verstorbenen Kameraden zuständig. Per war erfahren gewesen. Und es hätte gut ausgehen können. Hätte es aber genauso, hätte er die Kugel gefangen, die für ihn bestimmt gewesen war. Wäre auch nicht die erste gewesen. Vermutlich auch nicht die Letzte.
Liams Lächeln war blass, als Shanaya ihm gut zuzureden glaubte. Da zeigte sich wieder, wie unterschiedlich sie doch waren. Die Schwarzhaarige hätte sich die Schuld nicht aufladen wollen. Wenn sie im Glauben war, alles richtig gemacht zu haben, war sie unantastbar. Der Lockenkopf war anders. Für ihn zählte nicht nur richtig oder falsch. Für ihn zählte mehr.
„Es geht nicht um Schuld, Shanaya. Es geht darum, dass wir zu dritt aufgebrochen sind und nur zu zweit zurückkamen.“
Dass sie alle nicht ausreichend aufgepasst hatten. Dass die Kugel für ihn bestimmt gewesen war, war nur ein letzter, unbedeutender Tropfen in diesem ganzen Fass. Sie hatten nicht ausreichend aufgepasst. Es hätte jeden von ihnen treffen können. Vielleicht hätte Per es geschafft, hätten sie ihn vor Ort verarztet - er wusste es nicht. Rayon genauso wenig. Sie konnten es nicht sagen. Das Lächeln, was sie ihm schließlich wieder auf die Lippen lockte, war ehrlicher als zuvor.
„Die Welten würden im Chaos versinken, weil alle nur essen wollen, sich aber jeder zu Schade für die Feldarbeit wäre.“, bemerkte er und einem Seitenblick zur Schwarzhaarigen. „Ich bin freiwillig hier, vergiss das nicht. Ich lass' den Kopf nicht hängen.“ Einen kurzen Moment versank er in Schweigen, den Blick wieder gen Horizont gerichtet. Semi-freiwillig, war es inzwischen. Und er war sich sicher, dass es nicht das letzte Mal war, dass so etwas passierten. „Aber es wäre Per gegenüber auch nicht fair, wenn wir ihn einfach direkt vergessen würden. Er war Teil der Sphinx wie Aspen es war, wie Scortias, wie Feuerbart. Wer weiß, ob wir ohne sie da wären, wo wir jetzt sind.“