01.05.2024, 23:45
Liam wirkte unruhig. Auf eine seltsam andere Art und Weise als Ceallagh es ihm üblicherweise zugestehen würde. Wahrscheinlich – und das war wohl mehr als offensichtlich – weil ihm die Frauen, oder vielleicht sogar eine im Speziellen, zu wichtig waren, um noch länger wie angewurzelt auf dem Schiff herum zu stehen. Tarón hielt sich kurz und präzise an das, was er zu sagen hatte. Vereinbarte Suchgebiete und Treffpunkte und machte keine Anstalten irgendetwas künstlich in die Länge zu ziehen. Angesichts der Situation eine weise Entscheidung. Man spürte wie der Raum förmlich vibrierte. An einigen Stellen deutlich mehr, als an anderen. Doch das Gefühl von nagender Unruhe blieb. Egal in welches Gesicht er im Licht der Laternen blickte. Die Dunkelheit auf der Insel tat wohl ihr Übriges – nährte die Sorge, Angst und fehlende Zuversicht irgendwelche Hinweise zu finden. Weil es bei Tage schon schwer genug war, aber in anhaltender Nacht? Das glich schon fast einem Fangenspiel mit verbundenen Augen. Wie viele Chancen sich der Schmuggler also ausrechnete, die drei Frauen zu finden, behielt er vorerst für sich. Ohnehin war er – rein körperlich betrachtet – keine allzu große Hilfe. Die Ereignisse auf der vorletzten Insel hatten wieder einmal seine Arme in Mitleidenschaft gezogen. Er musste Soula fast schon danken, dass es nicht denselben Arm erwischt hatte. Wenngleich ihm die Beständigkeit von Schussverletzungen seit seiner Ankunft auf der Sphinx durchaus stutzig machen konnte.
Dicht hinter Lola war Ceallagh nun vom Schiff auf die Gangway getreten. Hielt eine Laterne zwischen den Fingern seines gesunden Arms und holte noch einmal tief Luft, ehe er zu den anderen am Kai aufschloss. Schritt dabei an der jungen Navigatorin vorbei, die den Rumpf weitaus früher als alle anderen verlassen hatte. Und warf er ihr einen kurzen Blick zu, der gefühlt alles und nichts bedeuten konnte. Von einem haltet die Augen auf bis hin zu tut nichts, was ich nicht auch täte war alles darin zu lesen. Womöglich weil sich der Hüne von allen wohl am wenigsten Sorgen machte. Machen musste. Ihm war klar, welche Konsequenzen und Auswirkungen das Verschwinden der drei Frauen auf die Crew nahm. Doch viel mehr als das war ihm bewusst, wie wenig Sinn es machte, sich Hals über Kopf in eine Rettungsmission zu stürzen. Man übersah Dinge, die wichtig waren, weil die Scheuklappen zu hoch aufgetürmt waren, um den Blick auf ein einziges Ziel zu richten. War er also mit Liam und Lola mitgegangen, um zu verhindern, dass der Lockenkopf zu emotional an die Sache heran ging? Vielleicht, wenngleich er sich so viel kameradschaftliches Mitgefühl nicht zuschreiben würde. Eher war es die Anwesenheit Lolas, die ihn dazu bewog. Aus welchen Gründen auch immer. Es war durchaus mehr ein Bauchgefühl, als eine rein rationale Entscheidung.
Und kaum, dass er sich von Shanaya mit einem knappen “Bis später.“ abwandte, just in dem Moment als Zairym die Gangway hinab stiefelte, reihte er sich hinter Lola in die kleine Gruppe um Liam ein, die mit zügigen Schritten in der nächsten Seitengasse verschwand.
“Wie ist sie so?“ Eine pauschale Frage, die sich auf eine oder alle drei vermissten Frauen beziehen konnte. Und eigentlich nur den Zweck hatte, Liams Schritt ein wenig zu verlangsamen und seinen Kopf zu entlasten, der seinen Körper auffällig schwer nach vorn zog. Davon abgesehen, dass Lola keine Hechtsprünge mehr hinterher setzen musste und die kleinen Fläschchen in ihrer Tasche klangen als würden sie beim nächsten Sprung auseinanderbersten.
[ Lola & Liam | auf dem Weg zum Gesundheitsviertel ]