30.04.2024, 10:04
Er hasste diese Tage. Das war ein Fakt mit dem er leben musste und den er all die Jahre seines bisherigen Lebens ignorieren … ach, wem wollte er hier etwas vormachen? Er hasste diese Tage der Dunkelheit einfach und Ende. Es konnten noch so viele Frauen aus der Crew verschwunden sein und alle konnten noch so viel Drama darum machen, er wollte dieses Schiff noch die nächsten zwei bis drei Tage nicht verlassen. Doch stattdessen waren alle furchtbar besorgt und entschieden sich, die Stadt nach den drei Frauen zu erkunden. Und er?`Getreues Mitglied der Mannschaft, das er war, würde er dabei natürlich helfen und vollkommen unnütz sein. Was sollte er dabei auch groß helfen können?
Rym biss für einen Moment die Kiefer fest aufeinander, klammerte sich an der Reling fest und lauschte, wie nach und nach die Menschen das Schiff verließen, um sich auf die Suche zu begeben. Er wollte nicht, wollte wirklich nicht. Doch ein kleiner Teil von ihm, und das würde er niemals jemanden erzählen, mochte den Commodore wirklich. Er war ein guter Trinkkumpane, ganz klar, aber er war Zairym ähnlich und das zog den Scharfschützen auch zu ihm hin. Er war ein Schauspieler. Niemals wirklich die gleiche Person, immer angepasst, je nachdem, mit wem er sprach. Und das mochte er. Dadurch konnte man vieles oberflächlich halten. Zumindest so lange, bis Risse in der Fassade entstanden und man feststellte, dass man die andere Person vielleicht doch ein bisschen mehr mochte, als nur als Saufkumpel. Und nachdem Lucien so angespannt, so fast völlig von der Rolle zu sein schien, weil seine Schwester verschwunden war. Tja, da konnte Rym ihn auch nicht alleine lassen. Also musste er ihm wohl irgendwie helfen, auch wenn er absolut nicht wusste wie. Und das – mit großen Ausrufezeichen – war ein zusätzlicher Grund für seine schlechte Laune. Es war dunkel und er musste sich mehr als fünf Meter weit von seinem jetztigen Punkt wegbewegen.
Schicksalsergebend seufzte er, behielt die Hand auf der Reling und tastete sich mit bedächtigen Schritten der Rampe entgegen. Er wollte dieses Holzbrett nicht runter gehen, aber er hatte keine andere Wahl. Hier auf dem Schiff konnte er in der nähe des kleinen, flackernden Punktes den Captain nicht ausmachen, also würde er am Kai auf ihn warten müssen. In der Hoffnung, dass er seinen Weggang nicht verpasst hatte.
Er stieß auf eine Lücke in der Reling und seufzte gleich noch einmal. Nun gut. Das schlimmste was passieren konnte war, dass er ins Wasser fiel, oder nicht? Keine große Sache. Der dunkelhaarige nahm seine Brille aus der Brusttasche und setzte sie sich auf, auch wenn sie nur minimal dabei half, sich zurecht zu finden. Nochmals zögerte er kurz, trat dann aber mit festen Schritt voran und traf immerhin auch das Brett, bevor er es auch einigermaßen sicher – wenn auch wackelig – nach unten schaffte.
Schemen in der Dunkelheit deuteten darauf hin, dass andere sich schon in Gruppen zusammen gefunden hatten und sich auf den Weg machten. Aber ein einzelner, einsamer, kleiner Umriss stand immer noch am Kai. Er hatte verschiedene Möglichkeiten, um wen es sich dabei handelte, aber zur Crew musste sie gehören, sonst hätte schon jemand etwas gesagt. Genau das war der Grund, warum er sich einfach keine Namen merken wollte. Er räusperte sich kurz.
„Wartest du darauf, dass die drei aus dem Boden schießen und auf einmal freudestrahlend wieder an Board sind? Oder warum stehst du hier noch herum?“
Er hoffte inständig, dass er mit seiner Vermutung recht hatte, dass das hier die kleine Königin war.