Dieses Forum nutzt Cookies
Dieses Forum verwendet Cookies, um deine Login-Informationen zu speichern, wenn du registriert bist, und deinen letzten Besuch, wenn du es nicht bist. Cookies sind kleine Textdokumente, die auf deinem Computer gespeichert sind; Die von diesem Forum gesetzten Cookies düfen nur auf dieser Website verwendet werden und stellen kein Sicherheitsrisiko dar. Cookies auf diesem Forum speichern auch die spezifischen Themen, die du gelesen hast und wann du zum letzten Mal gelesen hast. Bitte bestätige, ob du diese Cookies akzeptierst oder ablehnst.

Ein Cookie wird in deinem Browser unabhängig von der Wahl gespeichert, um zu verhindern, dass dir diese Frage erneut gestellt wird. Du kannst deine Cookie-Einstellungen jederzeit über den Link in der Fußzeile ändern.


At the bottom of the glass
Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Jun 2019
#5
Das Lächeln in Rúnars Gesicht wirkte so unecht, dass Tarón es selbst dann noch als fadenscheinig erkannte, da eine große Wolke das eh schon spärliche Mondlicht verschluckte. Aber es war ja auch kein neuer Gedanke, dass Rúni diese Sachen wohl nicht wirklich gefallen würde – doch Tarón nahm es in diesem Fall in Kauf. Musste es in Kauf nehmen. Zumindest glaubte er das.
Und wie zuvor lächelte er den Anflug eines schlechten Gewissens, das dabei in ihm emporkroch, wie eine im Sand verschüttete Krabbe, davon.
„Nun…ich habe zumindest eine ganz gute Ahnung.“
Er machte aus, wie Rúnar sein Hände in die Taschen seines Mantels stemmte, um ihn ein wenig vor sich zu halten und kurz schwankte er zwischen Witz und der erneuten fast peinlichen Berührtheit angesichts dessen, dass es wohl seine Schuld war, die diese Handlung nötig machte.
Zeit also sich auf etwas zu konzentrieren, das er aktiv tun konnte, anstatt Rúnar einfach so anzuglotzen.
Seine Beine kamen in Bewegung während seine Augen noch versuchten festzustellen wo sie eigentlich genau waren. Doch die Lichter, die er entfernt durch Reihen von Bäumen scheinen sah gaben ihm genug Anhalt, um diese Frage schnell zu klären.
„Ich meine neben der Taverne gab es Zimmer…ein paar der guten Damen haben sich auch direkt drinnen getummelt – ist dir wahrscheinlich nicht aufgefallen…“ konnte er sich die kleine Stichellei nicht nehmen lassen.


"Sehr gut", sagte Rúnar, mehr aus Höflichkeit, mehr als Floskel. Nach wie vor hätte er lieber weiterhin mit Tarón herumgelegen, weiter seine Finger durch das Haar des anderen, über dessen nackte Haut gleiten lassen. Den Moment herausgezögert, an dem sie sich hatten anziehen müssen und so tun müssen, als wäre das nie passiert -- weil Tarón es so wollte. Weil Rúnar vorhin Taróns kurzen Anflug von Panik nur zu gut hatte nachvollziehen können. Aber anscheinend hatte auch Tarón es noch nicht ganz verdrängt, denn Rúnar sah kurz zu ihm und diesen Blick konnte selbst er deuten.

Er versuchte jedoch nicht Taróns Blick zu halten, sah wieder weiter geradeaus -- dorthin, wo sie hergekommen waren. Bei Taróns kleinem Scherz kam er nicht um ein kurzes, ehrliches Lächeln hin. Er hatte den Impuls über etwas wie Ansteckungsgefahr zu scherzen, und dass Tarón aufpassen musste, dass er nicht selbst einen Blick für sowas verlor, aber das wagte er nicht, nachdem der andere ohnehin schon so unsicher gewesen war.

Und Rúnar hätte die Damen wahrscheinlich so oder so nicht bemerkt. "Ich hatte ja auch nur Augen für dich. Ist dir wahrscheinlich nicht aufgefallen." Er hatte es ausgesprochen, bevor er darüber nachgedacht hatte, dass dies Tarón mindestens genau so sehr verunsichern könnte. Und zudem auch noch verletzter klang, als es Rúnar lieb war. Er fügte leise hinzu, weiter geradeaus schauend, den Blick des anderen vermeidend: "Entschuldige. Das war unangebracht."


Tarón stolperte beinahe – sowohl ganz wortwörtlich als auch über die Worte, die Rúnar in seinem Rücken einfach in die Nacht spuckte, als wäre es das natürlichste auf der Welt. Es hätte ein Scherz sein können – doch die nächsten Worte des anderen unterstrichen, dass es zumindest kein vollständiger Scherz war. Sonst hätte sich der andere nicht entschuldigen müssen.
„Nicht nötig…“ War es nicht. Tatsächlich nicht. Denn er wusste, dass Rúnar das ernst meinte – und für die Wahrheit musste sich niemand entschuldigen.
Und doch – nun wo er darüber nachdachte, WAR es ihm aufgefallen. Tarón hatte die Zeichen nur nicht richtig gedeutet – weil er bis zu den Ereignissen am Strand niemals damit gerechnet hätte, dass sich ihre „Beziehung“ auf solch eine Ebene erheben würde. Aber Rúnars Blicke hatte er gesehen, hatte sich sogar in der Taverne über sie gewundert, ehe er sie abgetan hatte. Und nun, wo er wirklich darüber nachdachte wurde ihm auch bewusst wie viel Öl er selbst wohl noch ins Feuer gegossen hatte…
Nun…aber auch das war egal, nicht wahr? Denn spätestens am Strand hatte er höchstselbst gleich ein ganzes Fass Öl hinein gestoßen und Rúnars beschauliches Lagerfeuer in ein unkontrollierbares Inferno verwandelt, das ihn selbst verschlungen hatte.
Doch eine Frage ergab sich dann doch…
Während er dennoch weiter ging, nutzte er die bleibende Einsamkeit ehe sie wieder zu anderen Menschen stoßen würden darüber nachzudenken, ohne sie am Ende zu formulieren. Er glaubte die Antwort garnicht wirklich wissen zu wollen…denn diese würde alles im Zweifel nur noch komplizierter machen als ohnehin schon.
Augen für ihn – bereits in der Taverne…wie lange schon?
°Es ist egal…°
Und das war es wohl auch.
Die Musik begrüßte sie so, wie sie sie zuvor verabschiedet hatte – und Tarón hatte das seltsam unwirkliche Gefühl als würden sie die Barriere zu einer anderen Welt überschreiten als er zwischen den Bäumen wieder auf den Weg vor der Taverne trat. Die lag genauso da, wie sie sie zuvor verlassen hatten. Nur die Leute schienen ein wenig betrunkener, die Taverne an sich vielleicht etwas leerer. Aber Taróns Augen fanden dafür nur umso schneller was sie suchten.
„Ah scheint wir müssen nicht einmal rein…“
Ein Funken Mitleid keimte in ihm auf, als er die drei Mädchen sah, die offenbar beinahe jeden Mann ansprachen, der an ihnen vorbei kam, Verzweiflung und Gram bereits so tief in ihre an sich jungen Gesichter eingegraben, dass selbst ihr strahlendes unechtes Lächeln die Spuren nicht daraus vertreiben konnten. Nicht hübsch, nicht hässlich – ganz normale junge Frauen, die vielleiht noch nicht einmal ihr zwanzigstes Jahr gesehen hatten und die versuchten ihre offensichtliche Armut mit billigem Tand zu kaschieren mit dem sie ihre erbärmlichen Kleider etwas aufzuhübschen versucht hatten.
Das waren keine typischen Huren – nun oder doch. Je nachdem wie man es sah. Es waren nur keine, die zu einem organisierten Etablissement gehörten. Und solche wie sie gab es überall.  Das dort waren Frauen, die auf sich allein gestellt und aus purer Verzweiflung handelten und sich verkauften, weil sie sonst verhungern würden. Weil sie – warum auch immer - keinen Mann hatten und keine Aussicht darauf einen zu bekommen, keine Familie, die sie stützte oder aber Familie, die sie stützten mussten. Keine Arbeit oder die nötigen Fähig- oder Möglichkeiten eine zu ergattern.
Kurzum: sie waren perfekt für ihre Zwecke.
Tarón warf Rúnar ein wölfisches Grinsen zu, dann bewegte er sich auch schon in Richtung der drei, die grade dem letzten Mann nachsahen, der auf dem Weg von der Taverne die schlecht beleuchtete Gasse entlangtorkelte in der sie ihre Träume begraben hatten.


Für den Moment den Tarón brauchte um zu antworten malte Rúnar sich sämtliche Szenarien aus, was als nächstes passieren könnte. Dass Tarón ihn am Kragen packte und ihm mit drohend leiser Stimme einflößte, dass er besser dafür zu Sorgen hatte, dass seine Augen sich das nächste Mal auf was anderes richteten. Dass er so tat als hätte er Rúnar gar nicht erst gehört. Was dann dadurch revidiert wurde, dass Tarón kurz stolperte und schon schoss Rúnar durch den Kopf, wie er am besten zurückrudern konnte. Und absurderweise kam ihm dennoch sofort der Gedanke, wie Tarón ihn am Kragen packte, wie Rúnar kurz den sanften Atemhauch auf seinen Lippen spüren würde während Tarón zögern würde und ihn dann doch küssen würde.

Taróns nächste Worte hielten Rúnar davon ab den Gedanken weiterzuspinnen. Nicht nötig. Das war alles. Schlicht und neutral. Nicht nötig. Immerhin das.

Rúnar wusste nicht, was er dazu noch sagen sollte. Es sah ihm nicht gleich zu schweigen, vor allem nicht bei einem Gespräch das so viel Spannung mit sich brachte. Oder bringen konnte. Wenn irgendeine Anspannung zwischen ihnen war, dann war Tarón gut darin, sie zu verbergen. Dass Rúnar angespannt war, war bestimmt offensichtlich. Auf wahrscheinlich tausend verschiedene Arten und Weisen. Besser wurde es nicht, als Tarón ihre beider Aufmerksamkeit auf die drei Mädchen vor der Taverne lenkte. Ihre Berufssparte sah man ihnen an: Sie versuchten sich gezielt und willkürlich zugleich Kundschaft zu verschaffen und der einzige, der in einem schlechteren Aufzug dastand war Rúnar mit seinen geradewegs zerrissenen Klamotten.
Tarón warf Rúnar ein Grinsen zu -- Rúnar erwiderte es halbherzig und folgte Tarón zielstrebig zu den Mädchen. Die fassten sie schnell ins Auge. Die Braunhaarige mit den zusammengebundenen Haaren flüsterte der mit den offenen schwarzen Haaren ganz kurz etwas zu, beugte sich dann zur anderen Seite, um der dunkelhäutigen Frau ebenfalls etwas zu sagen. Alle drei musterten die Männer für einen Moment und dann legten sie einen Blick auf, den Rúnar eigentlich nur von Geschäftsleuten bei Verhandlungen kannte. Seltsam, ihn ausgerechnet bei Prostituierten zu sehen, in Kombination mit verführerischem Lächeln und aufreizender Haltung -- aber es machte die Sache leichter.

"Abend, die Damen", sagte Rúnar und wie automatisch hatte er seine, zum Szenario recht passende, diplomatische Stimme aufgesetzt.

"Noch nicht genug gehabt heute, was?", sagte die Dunkelhäutige und ließ ihre Finger über das Revers von Rúnars Mantel gleiten, während sie ihn unter schweren Lidern hervor mit einem schiefen Lächeln musterte. Rúnar nahm einen scharfen Atemzug, zwang sich aber ein Lächeln auf. Seine Gedanken wieder kurz davor zu kreiseln: Wie auffällig war es? Was würde die Crew später bemerken? Doch er rief sich ins Bewusstsein, dass sie eben genau deswegen jetzt hier vor diesen Frauen standen.

Rúnar nahm die Hand der Frau in seine, hielt sie, als hätte er die Dame gerade zum Tanz aufgefordert -- sanft, höflich ... diplomatisch. Rúnar warf Tarón nicht gerade unauffällig einen Blick zu, sah dann wieder zurück zu der jungen Frau. (Spätestens wenn er hinter ihnen beiden die Tür des Gästezimmers schließen würde und sie darum bitten würde, mit ihm die Zeit auszusitzen, würde sie schon verstehen, was Sache war.) "Mein Begleiter wird bezahlen", sagte Rúnar, "deswegen überlasse ich ihm die Auswahl der Dienlichkeiten."

"Ich verstehe", sagte sie. Und Rúnar war sich, trotz seiner leichten Resttrunkenheit und seiner generellen Unaufmerksamkeit, sicher, dass sie alles verstand, was er ihr bedeutet hatte.


Der Umschwung in Rúnars Stimme war bemerkenswert – und doch überraschte er Tarón nicht. Nicht, nachdem Rúnar ihn an diesem verflucht langen Abend seine ganze Lebensgeschichte offenbart hatte.
Nicht einmal, dass der Blonde es schaffte die „Dame“ vor sich wie eben eine solche zu behandeln rang dem Falken mehr als ein leises innerliches Seufzen ab. Vielleicht war er sogar dankbar dafür, dass Rúnar so einfach mitspielte – schlecht fühlte er sich deswegen dennoch. Doch den Blick des anderen erwiderte er fest und bestätigend: das hier war der Weg. Sie hatten ihn eingeschlagen, sie gingen ihn nun bis zum Ende. Und Tarón würde dafür zahlen - auf mehr als eine Weise.
Auch auf seinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus und das seine war trotz der Umstände deutlich echter als das Rúnars. Die drei waren hübsch genug und rochen halbwegs anständig, so, dass ihre Gesellschaft vielleicht sogar erfreulich werden konnte.
Doch wo Rúnar sich noch immer wie ein gestrandeter Adeliger verhielt, war Tarón sich sehr bewusst darüber, dass diese Mädchen aus einem Loch stammten, das nur unbedeutend tiefer lag als das, aus dem er einst gekrochen war. Er machte sich nicht die Mühe so zu tun, als wisse er nicht wie ihre Lage aussah oder als seien sie etwas, das sie nicht waren. Und das schloss ihn selbst mit ein.
Er klopfte Rúnar kurz auf den Rücken, warf ihm ein verschmitztes Lächeln zu, das dann zu der Dunkelhäutigen und anschließend weiter über die anderen beiden Mädchen strich – doch nicht, ohne dass sich etwas anderes in seinen Blick schlich. Eine unausgesprochene Drohung besser die richtigen Worte und Entscheidungen zu treffen.
„Na Rúni – glaubst du, du schaffst auch zwei? Wenn nicht – ich bin ja zum Glück auch noch da.“
Zumindest die Dunkelhäutige schien schlau und im Umgang mit seinesgleichen erfahren genug, um auch gut zwischen den Zeilen zu lesen (nicht, dass er davon ausging, dass sie tatsächlich lesen konnte). Sie lächelte nur und sah kurz zu ihren Freundinnen.
Das hier war ein Geschäft – und egal ob diese beiden Männer nun wirklich den Dienst wollten, den sie hier offen anpriesen oder es um etwas anderes ging, sie alle drei würden heute wohl nicht mit leeren Taschen gehen müssen.
„Wohnt ihr in der Nähe?“
Ein misstrauisches Flackern, ein kurzes Zögern. Die Dunkelhäutige sah zu der Brünetten. Doch welche Wahl hatten sie denn schon?
„Ja. Nur eine Straße weiter.“ Antwortete das Mädchen mit den Kastanienhaaren.
„Wunderbar. Nun ich würde vorschlagen ihr zeigt es uns - und ich zeige euch dafür vielleicht noch ein paar von denen.“
Er ließ die Tylps auffällig doch kurz genug in seiner Hand aufblitzen, ehe sie in den Tiefen seiner Manteltaschen verschwanden.
Wenn sie sich klug anstellten, würde er tatsächlich großzügig sein. Großzügiger, als er sein musste – doch die Jahre hatten wohl weich werden lassen. Diese armen Dinger taten ihm in erster Linie leid und wenn sie ihnen einen Dienst – welcher Art auch immer – erwiesen…nun…er konnte dieses Silber – vielleicht sogar etwas Gold - aktuell entbehren und sie konnten von dem was er ihnen anbot eine Weile überleben.
„Also?“
Und so gingen sie mit ihnen. Und trotz dessen, dass es klein und ärmlich war, fügte sich das Häuschen, das sich die drei teilten, doch in die Fassade des schönen Ostyas ein. Sie hatten tatsächlich nicht viel. Tarón erfuhr in den nächsten Stunden, dass die Brünette und die schwarzhaarige Schwestern waren und weitere Details ihres weitgehend verkorksten Lebens. Wie er geahnt hatte, gab es keine Familie, die ihnen helfen konnte, keinen Mann, der sie ehelichen wollte und auch keine Fähigkeiten mit denen sie ein nennenswertes Einkommen erzielen konnten – abgesehen von denen, die sie bereits feilboten. Doch die Dunkelhaarige konnte zumindest gut genug nähen, um Rúnars Hemd zusammen zu flicken, während sie sich um diesen im Nebenzimmer „kümmerte“ und die Hände der Dunkelhäutigen waren fest und zart zugleich, als sie Taróns Rücken massierte. Dabei bleib es auch – zumindest was ihn anging. Ein wenig reden, eine kleine Wohltat für seinen Rücken, der Schwur ihrerseits zu behaupten sie seien die halbe Nacht hier gewesen und hätten es wie die Irren mit ihnen getrieben. Und das Gefühl von allen Seiten – Rúnar vielleicht ausgenommen – diese Nacht einen guten Deal gemacht zu haben, als ein Achter am Ende schimmernd in die dunkle Hand des ältesten Mädchens fiel.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
RE: At the bottom of the glass - von Rúnar Rúnarsson - 06.06.2023, 22:43

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste