06.05.2023, 20:38
Who needs keys?
Nachmittag des 01. Juli 1822
Alex Mason & Shanaya Árashi
Das Gespräch mit Tarón hatte Shanaya aufgewühlt, Mal wieder. Irgendwie schafften das inzwischen zu viele. Und ständig war das Ganze auf den selben Kern zurück zu führen. Immerhin hatte sie dieses Mal schnell ein wenig Ablenkung gefunden. Mit einem gut gefüllten Beutel hatte die Schwarzhaarige sich aufgemacht, war über den Markt geschlendert, ohne jedoch irgendein genaues Ziel zu haben. Zuerst schien keiner der Stände irgendetwas interessantes zu präsentieren, nicht einmal die Stände, an denen sie sonst Stunden hätte verbringen können, lockten heute das Interesse der Schwarzhaarigen hervor. Irgendwann hatte sie sich also an einem Brunnen nieder gelassen, ihre blauen Augen waren den vorbei laufenden Menschen gefolgt. Kinder, Frauen, die mit Einkäufen nach Hause eilten. Paare, die sich verliebt anhimmelten, ältere Menschen, die sich von dem Gewusel um sie herum nicht stressen ließen. Und mittendrin saß sie auf dem Boden, mit dem Rücken an den Brunnen gelehnt, der leise plätscherte.
Eine ganze Weile verharrte sie dort, bis der Tatendrang sie aufstehen ließ, die Glieder einmal in die Luft streckend. Ihr nächstes Ziel war ein Stand mit… Kram. Auf den ersten Blick schien dieser ältere Mann alles mögliche anzubieten. Vasen, Kerzenständer, Kerzen, andere, metallische Dinge die irgendwie schwer nach Folterwerkzeugen aussahen. Nichts spannendes, bis die blauen Augen auf eine kleine Truhe fielen, die etwas versteckt am hinteren Rand des Tisches versteckt stand. Rote Farbe blätterte von der kleinen Schatulle, sie sah alles andere als wertvoll aus, auch wenn sie mit kleinen Blumen verziert war. Und so wechselte sie für sehr wenig Geld den Besitzer, einen Schlüssel hatte er ihr dafür jedoch nicht geben können. Aber wie schwer sollte es schon sein, dieses kleine Ding aufzuknacken?
Zuversichtlich trug die junge Frau die Beute in eine verwinkelte Gasse, abgeschirmt vom Rest der Straßen. Hier hatte sie ihre Ruhe, stellte die kleine Truhe auf einer der Kisten ab, die hier standen, und betrachtete sie aufmerksam. Nur zwei Herzschläge, ehe sie ihren Dolch zog, ihn ruhig zwischen die Holzscheite schob und versuchte, die Kiste aufzuhebeln. Es knackte leise, aber nicht so, als hätte sie ihr Ziel erreicht. Ihr Bemühen wurde forscher, fester. Aber weder das Schloss noch das Holz gaben nach. Als nächstes schlug sie ein paar Mal mit dem Knauf des Dolches gegen das Schloss, aber außer einem metallischen Klirren tat sich nichts. Sie hatte dieses Ding unterschätzt, die fünf Minuten, die sie dafür eingeplant hatte, waren längst verstrichen. Ein letzter Versuch folgte, in dem Shanaya die Kiste einfach auf den Boden warf. Vielleicht half ja rohe Gewalt. Es klapperte, ihr Fuß, der dann auf die Kiste hinab schnellte, änderte aber nichts an der Situation. Also hob die junge Frau die Beute mit einem leisen, genervten Brummen auf und betrachtete das Holz noch einen Moment. Ein Atemzug und das Ding flog im hohen Bogen durch die Luft. Statt jedoch gegen die Hauswand zu prallen, die Shanaya anvisiert hatte, flog dieses verdammte Ding ein ganzes Stück weiter nach rechts – zurück in die Gasse, aus der sie gekommen war. Den Wurfarm noch erhoben erstarrte die Schwarzhaarige in ihrer Bewegung, blinzelte, als sie den Lockenkopf erkannte, der sich zu ihr gesellt hatte. Statt jedoch etwas zu sagen, blickte sie ihn nur aus blauen Augen an, verengte diese leicht, bevor der geplante Fluch ihre Lippen verlassen konnte.