05.02.2023, 22:53
Einen Augenblick lang schwieg er, schmunzelte nur vor sich hin, während er die Schwarzhaarige mit einem Blick sanfter Belustigung bedachte. Der Ausdruck auf seinen Zügen war jedoch ungewohnt zurückhaltend. Die Zuneigung darin echt, ehrlich und warmherzig, doch zugleich vorsichtig und unaufdringlich. Normalerweise, das gestand Lucien sich ein, hätte er die losen Reden über den Schmied ohne Frage weiter aufgebauscht. Sie hätten sich gegenseitig daran hochgeschaukelt, sich den Ball spielerisch hin und her geworfen. Wie sie es in ihren Gesprächen immer taten.
Doch an dieser Situation war von vorn bis hinten nichts normal. Nicht für ihn. Vielleicht auch nicht für Shanaya, aber das zu beurteilen fiel ihm schwer. Wollte es vielleicht auch gar nicht.
„Ich schwöre,“ er hob die Linke in einer versichernden Geste, „meine Hände ausnahmsweise in Unschuld baden zu können. Beide.“
Der Hauch eines Lachens schwang in seiner Stimme mit, blieb jedoch unterschwellig. Und einen Augenblick später verschwand er auch schon aus Stimme und Zügen, kaum dass er Shanayas Blick erwiderte und den Ausdruck darin las. Plötzlich fiel es ihm schwerer, als erwartet, Talins und Zairyms Worte zu ignorieren und zur Seite zu schieben.
Diese Zuneigung in ihren himmelblauen Augen. Die Wärme darin. Das waren Gefühle, die ihm vielleicht schon ein kleines Stück zu weit gingen. Die ihn vage an das Mädchen von Axo erinnerten, mit dem er einst ein paar Monate verbracht hatte. Damals, in einem anderen Leben. Oder die Tochter des Tischlers von Raízun. Oder... Sara. Denn er wusste nicht, wie es aussah, wenn sich jemand bedankte, der einen einfach nur mochte. Er wusste nur, wie Mädchen aussahen, die verliebt waren.
Und genau diese Gedanken waren es, die Lucien ihren Kuss nicht erwidern ließen. Er schloss für einen Moment die Augen, als ihre Lippen sich berührten, nahm die sanfte Liebkosung an, ohne mehr daraus zu machen, während in seinem Kopf Unschlüssigkeit tobte.
Nur kurz überschatteten ihre Worte das Durcheinander, ließen ihn ergeben seufzen. In der Hoffnung, er könne damit für sie beide überspielen, was ihn so verunsicherte. Es gelang ihm natürlich nicht. Zumindest bei ihm selbst.
„Schon gut...“, versicherte er, zögerte dann jedoch. Flüchtig musternd huschten die tiefgrünen Augen über ihr Gesicht, bevor er, ohne es wirklich zu wollen, dazu ansetzte, etwas zu sagen. „Shanaya...?“
... es gibt da etwas... etwas, worüber wir reden müssen. Die Worte lagen ihm auf der Zunge, drängten sich in seinen Verstand, wollten ausgesprochen werden. Doch irgendetwas hinderte ihn daran.