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You know that I know, nothing is ever alright
Crewmitglied der Sphinx
für 60 Gold gesucht
dabei seit Nov 2015
#2
Auf Shanayas Erwiderung hin schnaubte der Dunkelhaarige in freundschaftlichem Spott, ohne auch nur den Blick zu heben. Denn er musste den Ausdruck in ihren Augen gar nicht sehen, um ganz genau zu wissen, welchen Spitznamen sie meinte. Und langsam sollte ihr wirklich klar sein, dass er ihn gerade deshalb so gern für sie verwendete, weil er irgendwie niedlich fand, wie sie sich immer wieder darüber aufregte. Wenn auch nur halb so ernsthaft, wie sie gekonnt hätte, wenn es sie wirklich gestört hätte. Erst, als die Schwarzhaarige mit der Hand durch sein Haar strich, hob Lucien schließlich den Blick zu ihr, hielt für einen Moment darin inne, die Holzbretter in Stücke zu brechen. Ein sachtes Lächeln lag auf seinen Lippen, obgleich es nicht ganz ehrlich wirkte, während er ihren Weg zur anderen Seite des Feuers mit den Augen verfolgte. Schließlich sah er wieder hinab auf seine Tätigkeit, brach das letzte Stück Holz in Stücke und warf es auf den inzwischen ansehnlichen Haufen, der in dieser Nacht als Futter für das Feuer dienen würde. Dann ließ er sich vorsichtig zurückfallen und machte sich daran, seine Stiefel auszuziehen, das darin gesammelte Wasser hinter sich auszukippen und sie dann etwas näher an die kleine Wärmequelle mitten im Raum zu stellen, damit sie zu trocknen begannen. Und noch während er den zweiten Stiefel neben dem ersten platzierte, fragte er in die entstandene Stille hinein: „Was für Dinge?“ Die tiefgrünen Augen huschten zu der jungen Frau auf der anderen Seite des Feuers hinüber, bevor er sich zu der Rumflasche lehnte und sie wieder an sich nahm. „Ich meine... klingt... irgendwie ernst, wenn du dafür deine Ruhe brauchst.“

Kurz huschten Shanayas Augen zu ihren Füßen, um nicht durch das Feuer zu Lucien blicken zu müssen. Sie wackelte kurz mit den Zehen, richtete sich dann doch wieder dem Dunkelhaarigen zu, der seine Füße nun selbst befreit hatte, auf der anderen Seite des Feuers saß und die Flasche wieder zu sich nahm. Seine Frage ließ sie sich noch einmal auf die Zunge beißen, ehe sie ein leises, grüblerisches Brummen von sich gab. Tja, worüber dachte sie genau nach? Über so vieles… und irgendwie auch nichts. „Klingt wahrscheinlich dramatischer als es letztendlich ist.“ Die Schwarzhaarige lächelte ihrem Captain entgegen, wog dabei den Kopf ein wenig zur Seite. „Ein wenig über dies und jenes… darüber, dass ich vielleicht bald adelig bin, dass man dann erst Recht nach mir suchen wird… damit ich dann ganz plötzlich wieder verschwinde und tot irgendwo aufgespießt gefunden werde...“ Ihr Lächeln blieb, keine wirkliche Sorge schwang in ihrer Stimme mit. Aber… ihre Worte waren nicht einmal gelogen. Es belastete sie nicht, aber sie dachte darüber nach. Nur dass es vermutlich nicht das war, was sie nachts wach hielt, was ihr den Schlaf raubte. Aber dass der Grund dafür auf der anderen Seite des Feuers saß… Shanaya atmete tief durch, schüttelte den Kopf. Noch zwei Herzschläge, ehe sie sich wieder erhob, an der nassen Bluse zupfte, die sofort wieder an ihrer Haut klebte. „Du bist doch bestimmt so gutherzig und teilst mit mir?“ Damit trat Shanaya nun wieder um das Feuer herum, ließ sich, mit ein wenig Abstand zu Lucien, wieder im Schneidersitz auf den Boden fallen und warf ein Nicken in die Richtung der Flasche.

Mit einer unverhohlenen Spur Neugier in den tiefgrünen Augen setzte Lucien die Flasche an die Lippen und zog noch währenddessen vor Überraschung eine Braue in die Höhe. Ein großer Schluck Rum rann seine Kehle hinab, rollte sich in seinem Magen zusammen und verteilte eine wohlige Wärme in seinem Inneren, die ihn jedoch nicht nennenswert vom Thema ablenkte. Er ließ die Flasche sinken, den Blick nun in Erwartung weiterer Erklärungen direkt auf Shanayas Zügen ruhend. „Was soll das heißen, du wirst bald adlig sein?“ Hatte er da irgendeine entscheidende Information nicht mitbekommen? „Und... wenn dem so wäre... warum solltest du plötzlich aufgespießt irgendwo gefunden werden? Mir war, als versuchen deine Eltern und dein Bruder immer noch, dich – halbwegs – lebend in den Schoß der Familie zurückzuführen.“ Ganz bewusst hielt Lucien den Zynismus erst gar nicht aus seiner Stimme heraus. ‚In den Schoß der Familie zurück‘ klang immer so herzallerliebst. War es in ihrem Fall keineswegs. Da traf ‚halbwegs lebend‘ den Kern der Sache deutlich besser.
Als die Schwarzhaarige sich erhob, streckte der junge Captain die Beine ein wenig weiter zum Feuer hin, beobachtete sie aber unverwandt dabei, wie sie näher kam und sich schließlich auf eine Armeslänge weit entfernt vor ihm niederließ. Bei ihren nächsten Worten verzogen sich seine Lippen kurz zu freundschaftlichem Spott. „Kommt ganz drauf an, wie du dich benimmst, wenn du betrunken bist.“ Dennoch reichte er ihr ohne jedes Zögern die Flasche. Wobei ihm unwillkürlich bewusst wurde, dass er sie eigentlich noch nie in betrunkenem Zustand erlebt hatte. Für allzu trinkfest hielt sie sich nicht, das hatte sie oft genug selbst gesagt. Aber jetzt reizte ihn die Frage, wie sie wohl wäre, wenn sie es drauf anlegten.


Shanaya hatte auf die Fragen ihres Captains vorerst nicht geantwortet, erst als sie ein Stück weit näher bei Lucien saß, dachte sie kurz über Antworten nach, seufzte dann leise, ehe sie ruhig zu eben dieser Antwort ansetzte. „Hast du noch nirgendwo aufgeschnappt, dass die ach so angesehene Familie Árashi sich das freie Herzogtum unter den Nagel reißen will? Sollte ihnen das gelingen… Tja. Dann erwarte ich bei jeder unserer Begegnungen eine tiefe Verbeugung, die meinem Stand entspricht.“ Ihrer Stimme lag ein Ton bei, der deutlich machte, wie ernst sie ihre Worte meinte – und wie sehr sie sich darüber freuen würde, sollte dieser Fall wirklich eintreffen. Über die Wortwahl des Dunkelhaarigen schmunzelte Shanaya, richtete die blauen Augen mit einem vielsagenden Blick zu ihm herum. „Bláyron ganz sicher, ein totes Spielzeug beschäftigt die Crew und ihn selbst nicht so wirklich. Mein Vater allerdings… Der einzige Grund, wieso er lebend nach mir suchen lässt ist, dass er dabei zusehen möchte, wie irgendeiner seiner Schläger mir den Gar aus macht. Ich bin schon einmal weg gelaufen, er wird nicht zulassen, dass mir das noch einmal gelingt – ich stehe seiner Sucht nach Macht ziemlich im Weg.“ Und wenn ihre Familie aufstieg, würde es das Ganze gewiss nicht besser machen. Die nächste Frage des Mannes entlockte der jungen Frau dann ein leises Lachen, ehe sie ihm einen abschätzenden Blick zu warf. Zuerst nahm sie einen Schluck aus der Flasche, räusperte sich kurz und schwenkte das Gefäß dann leicht hin und her, Lucien dabei ruhig entgegen lächelnd. „Was glaubst du denn, wie ich mich benehmen würde?“

Lucien überließ ihr kommentarlos die Flasche, während sich auf seinen Lippen vielleicht zum ersten Mal an diesem Abend ein wirklich ehrliches, vor freundschaftlicher Dreistigkeit nur zu strotzen Grinsen bildete. „Nein, das muss mir wohl entgangen sein...“ In den tiefgrünen Augen blitzte der Schalk auf. „Also bist du auf dem besten Weg, jetzt 'ne echte Prinzessin zu werden.“ Keine Frage, mehr eine Feststellung, die er sich nicht hatte verkneifen können. Auch wenn er sich nicht sicher war, ob eine Herzogstochter auch formell so bezeichnet werden durfte. Es war dennoch der höchste Stand, den Shanaya in diesem Leben hätte erreichen können, ohne in die Königsfamilie einzuheiraten – und demnach auch das, was einer Prinzessin am nächsten kam. Und da sie ja nun auch darauf bestand, einen roten Teppich ausgerollt zu bekommen... Aus dem frechen Schalk in seinem Blick wurde nun wieder gutmütiger Spott und mit einer leichten Verlagerung seines Gewichts lehnte sich der junge Captain zurück, stützte sich mit den Armen hinter dem Rücken ab, ohne Shanaya aus den Augen zu lassen. „Jedenfalls... sollte deinem alten Herrn hoffentlich bewusst sein, was es für seinen Ruf bedeutet, sollte seine Tochter kurz nach ihrem freudigen Wiederauffinden eines mysteriösen Todes sterben.“ Er schüttelte sacht den Kopf. Eine Geste, die verriet, wie wenig er sich tatsächlich darum sorgte. Solange die Schwarzhaarige bei ihnen war, würden sie alles daran setzen, das zu verhindern. Herzog oder nicht – ihr werter Herr Papa würde sich schon ins Zeug legen müssen, um seine eigenwillige Tochter einer Piratencrew zu entreißen.
Sein Blick fiel auf die Flasche, die Shanaya sacht in der Hand schwenkte und er neigte überlegend den Kopf. „Tja, keine Ahnung. Kann mich nicht erinnern, dass du in meiner Gegenwart mal sehr betrunken warst. Vielleicht wirst du ja besonders philosophisch... könnte ich mir bei dir irgendwie gut vorstellen.“ Ein Schmunzeln zuckte bei diesen Worten über seine Lippen, das jedoch rasch schwächer wurde.


Shanaya hatte sich nur ein wenig ausmalen können, wie Lucien auf diese Information reagieren würde. Was ihm dann jedoch über die Lippen kam, ließ die Schwarzhaarige die Augen verengen, den Kopf langsam zu Lucien herum wenden. Dass sie ihm nicht einfach direkt die Flasche über den Schädel zog, konnte er als Punkt für sich verschreiben. Auch, wenn sie in diesem Moment damit kämpfte, sein Lächeln nicht zu erwidern, dem plötzlichen Rasen ihres Herzens nachzugeben. Stattdessen schnaufte die junge Frau nur, ließ den blauen Blick noch einen Moment auf ihrem Captain ruhen und wandte sich dann mit einem halb ernst gemeinten, beleidigten Blick ab. Noch immer das Lächeln unterdrückend, welches sich auf ihre Lippen schleichen wollte. „Nur, wenn du zum leckersten Keks aller acht Welten wirst. Ansonsten muss ich dich leider auch verschwinden lassen, wenn du so weiter machst!“ Ohne den Kopf zu Lucien herum zu drehen musterte sie den Mann aus den Augenwinkeln, schnaufte bei seinen nächsten Worten laut. „Das weiß er ganz sicher, deswegen hat er genug Handlanger, auf die er die Schuld schieben kann. Und genug Geld, um die richtigen Leute zu bestechen.“ Sie traute diesem Mann alles zu, um an seinen Willen zu kommen. „Er ist vieles, aber nicht dumm. Er würde mit meinem Verschwinden garantiert auch noch genug Aufmerksamkeit bekommen, um noch mehr Leute auf seine Seite zu ziehen. Mit dem Verlust seiner Tochter, die ihm so wichtig war, die die letzten Monate entführt wurde… aus dem Nichts wieder auftauchte. Und sein Herz ist gebrochen, diese Tragödie würde ihn für den Rest seines Lebens begleiten.“ In der Stimme der jungen Frau schwang ein leises Knurren mit, womit sie die Flasche noch einmal an die Lippen hob, dieses Mal einen größeren Schluck trank und sie schließlich wieder in Luciens Richtung hielt. „Philosophisch, hm? Gut möglich, ich erinnere mich nur nicht daran, je SO betrunken gewesen zu sein.“ Einen Moment zögerte Shanaya, schluckte kaum merklich und richtete die blauen Augen wieder auf Lucien, eine Augenbraue herausfordernd angehoben. „Aber nicht, dass du über mich her fällst, wenn ich die Flasche alleine leere!“

Unter normalen Umständen hätte Lucien es sich in diesem Moment nicht nehmen lassen, ihren Konter mit einer billigen Anspielung übers Vernaschen zu erwidern, wenn sie ihn schon unbedingt so nennen musste. Doch stattdessen schnaubte er nur spöttisch – vielleicht auch ein bisschen schadenfroh darüber, wie sehr sie sich wieder ärgerte – und richtete den Blick schließlich auf die vor sich hin flackernden Flammen nahe an seinen Beinen, die beständige Wärme spendeten, während der Regen über ihnen aufs Dach prasselte. Ein nur halb belustigtes Schmunzeln hielt sich auf seinen Lippen. Dann warf er Shanaya doch wieder einen Seitenblick zu. „Du solltest dich mit Liam zusammentun und unter falschem Namen ein Drama veröffentlichen. Den Stoff dafür hättest du.“ Mit einem diesmal deutlicheren Kopfschütteln tat er die Vorstellung jedoch ab, sie könnte ihrem Vater in naher Zukunft in die Hände fallen. „Sei es drum – er wird dich nicht kriegen. Und wenn er wirklich so clever ist, konzentriert er sich jetzt besser mehr auf seinen Plan, Herzog zu werden. Birlan wird es ihm schwer genug machen. Ich an ihrer Stelle wäre nach vierzig Jahren Freiheit sicher nicht besonders scharf darauf, wieder ein Oberhaupt vorgesetzt zu bekommen. Und noch dazu muss er erst einmal an uns vorbei, bevor er an dich ran kommt.“ Er schenkte ihr ein sachtes, ganz und gar unbeugsames Lächeln, richtete den Blick dann jedoch wieder auf das kleine Lagerfeuer, bevor der Moment die Gelegenheit bekam, mehr als ein oberflächliches Gespräch zu werden.
Stattdessen wandte er sich wieder dem Thema Alkohol zu und stieß ein leises, halb amüsiertes Lachen aus. „Ja, das mit dem Vergessen ist ja bekanntlich so ein Ding mit dem Alkohol. Ist nur leider ein hartes Stück Arbeit bis dahin.“ Diesen letzten Satz sprach er derart leise aus, dass er nicht einmal sicher war, ob Shanaya ihn verstand. Ohnehin galt er eher ihm selbst als ihr. Erst, als er weitersprach, wandte er sich wieder an die Schwarzhaarige und nahm ihr die angebotene Flasche erneut ab. „Oh, nur keine Sorge. Erstens würde ich das auch tun, ohne dass du dafür betrunken bist, und zweitens wäre ich wirklich beleidigt, wenn du mir das gute Zeug vor der Nase wegtrinkst und ich nichts mehr abbekomme.“


Luciens mehr oder weniger ausbleibende Reaktion löste ein unruhiges Kribbeln in Shanayas Innerem aus, das sie noch nicht wirklich zuordnen konnte. Seine grünen Augen richteten sich wieder auf das Feuer, sodass die junge Frau ihn einige Momente einfach nur still anblickte. Nicht verhindern konnte, dass sie sich dabei leicht anspannte, den Blick abwenden wollte, als ihr Captain weiter sprach und ihr damit ein sanftes, warmes Lachen entlockte. Liam wäre sicher sofort dabei, zumal er auch einen Teil ihrer Geschichte wusste. Aber Luciens nächsten Worte nahmen ihr die Möglichkeit, dazu noch etwas zu sagen. Sie lauschte gebannt, betrachtete den Mann mit einem unendlichen warmen Ausdruck in den blauen Augen. Viel mehr als sie verraten wollte lag darin, Dankbarkeit, ein Vertrauen darauf, dass Lucien ihr helfen würde – wie er es schon so oft in dieser kurzen Zeit getan hatte. In dem kurzen Moment, in dem er sich zu ihr herum wandte, lächelte sie ihm entgegen, behielt diesen Ausdruck bei, als er sich wieder zu den Flammen wandte. Er verwirrte sie… ein Gefühl, das die letzten Wochen ihr dauerhafter Begleiter gewesen war. Trotzdem antwortete sie auch nicht darauf, ihr Blick würde ihm genug verraten haben. Die langsame Sicherheit darüber, dass sie nicht allein kämpfen musste. Zumindest nicht vollkommen allein.
Luciens Kommentar über den Alkohol tat Shanaya mit einem zustimmenden Neigen ihres Kopfes ab, ging nicht auf die leise gesprochenen Worte des Mannes ein. Eine innere Barriere hielt sie davon ab, nachzufragen oder einen kleinen Scherz darüber zu machen. Stattdessen streckte sie die Hand aus, klopfte dem Mann mit einer lockeren Bewegung auf das Bein, warf ihm dabei noch ein schelmisches Grinsen zu. Er hatte die Flasche längst wieder, sie war also in Sicherheit. „Wer wäre ich, so herzlos zu dir zu sein? Ich würde auf der Stelle die ganze Halle nach einer weiteren Flasche absuchen und nicht zurück zu dir kommen, bevor ich eine gefunden habe.“ Einen Moment noch ließ sie ihre Hand auf seinem Bein ruhen, zog sie dann ruhig zurück. „Also keine Sorge, du musst nicht deine Fäuste gegen mich erheben, wenn ich die ganze Flasche leere, müsstest du mich wahrscheinlich auch zurück zur Sphinx tragen.“


In diesem kurzen Moment, in dem er ihrem Blick begegnete bevor er sich abwandte, meinte er so etwas wie Dankbarkeit auf ihren Zügen zu erkennen. Dankbarkeit, Vertrauen, Sicherheit – aber auch noch etwas anderes. Etwas, das ihm ganz und gar nicht behagte. Vielleicht bildete er es sich nur ein, den Gedanken eingepflanzt von Talins und Ryms Bedenken. Vielleicht konnte er nach wie vor darauf vertrauen, dass genau das galt, was er und Shanaya einst geschworen hatten: Ein Spiel – nicht mehr. Mit ein bisschen mehr Freundschaft, mehr Loyalität dazwischen, aber nach wie vor ein Spiel.
Oder vielleicht hatten seine Schwester und der Söldner Recht. Und das war ein Gedanke, der ihm ernsthaft Sorgen bereitete.
Für einige wenige, verkrampfte Herzschläge schwieg Lucien, bis er sich aus seinen Gedanken riss und die Rumflasche an die Lippen hob. Bevor er jedoch trank, streifte ein Blick zur Seite die Schwarzhaarige ihm gegenüber und ein flüchtig amüsiertes Schmunzeln zuckte über seine Mundwinkel. „Diese Einsatz rechne ich dir wirklich hoch an.“ Belustigung schwang deutlich in seiner Stimme mit, verlor jedoch einen Moment später deutlich an Kraft, kaum, dass er Shanayas Hand auf seinem Bein spürte. Bei allen Acht Welten, der musste sich ganz dringend wieder fangen. Oder aber die ganze Sache vernünftig klären – so, wie er es Talin versprochen hatte.
Noch ein kaum merkliches Zögern, dann setzte er die Flasche an die Lippen und nahm zwei weitere, große Züge, die sich seine Kehle hinabbrannten und wohlig warm in seinem Magen einrollten. Es würde nicht mehr lange dauern, bis der Rum seine Wirkung entfaltete und bei allem, was ihm heilig war, das konnte gar nicht schnell genug gehen. „Und wenn ich dich dafür hochphilosophisch erlebe, bin ich sogar gewillt, dich zurück zum Schiff zu tragen.“ Er hielt ihr anbietend die Flasche entgegen und schmunzelte nun wieder flüchtig. „Oder vielleicht wirst du auch nur sehr redselig. Ohne das mit dem Philosophieren.“


Auch wenn Shanaya nichts von den Gedanken des Mannes, seinen Vermutungen und Befürchtungen ahnte, blieb ihre Anspannung erhalten, löste sich nicht. Sie riss sich zusammen, nahm so manches einfach hin. Und trotzdem brodelte es, tief in ihr drin. Etwas, gegen das sie versuchte, an zu atmen – ohne Erfolg.
Seine nächsten Handlungen verstärkten dieses unbestimmte Gefühl, die ausbleibende, sonst gewohnte Reaktion auf ihre Hand auf seinem Bein. Allein in dieser Zeit, die sie an diesem Tag gemeinsam verbracht hatten, hatte es genug gegeben, was Shanaya hatte aufhorchen lassen. Nun trank der Dunkelhaarige, die junge Frau wog den Kopf etwas zur Seite, nahm die Flasche dann wieder an sich und gab ein leises, warmes Lachen von sich. „Vielleicht auch einfach beides? Was meinst du, wie philosophisch ich dich zuquatschen kann, wenn du mich betrunken durch die halbe Stadt tragen musst?“ Damit nahm sie nun selbst einen Schluck vom Rum, ließ die blauen Augen danach kurz auf Lucien ruhen, ehe sie sich selbst dem Feuer zu wandte. Einige Momente wurde es still um die, nur das leise Glucksen der Flüssigkeit war zu hören, die Shanaya mit der Flasche etwas hin und her schwenkte. Sie haderte mit sich, nahm noch einen kleinen Schluck. Ihr zwängte sich mehr und mehr eine Frage auf… bei der sie kaum glaubte, eine Antwort zu bekommen. Und trotzdem… Und wann war dafür ein richtiger Moment, wenn nicht solch einer?
„Sag Mal…“ Für einige Herzschläge zögerte die Schwarzhaarige. Vielleicht verlockte sie der Alkohol zu diesem Schritt – vielleicht auch sein Konsum. Und sicher trieb sie auch ihre eigene, innere Unruhe dazu. Es war kein Geheimnis, das diese zum Teil mit Lucien zusammen hing. „… Du wirkst so… anders. Ist alles in Ordnung?“ Ehrliche Sorge lag in der Stimme der Schwarzhaarigen, lag in ihren Augen, die dem Mann sanft entgegen blickten. Es war schwierig, irgendetwas stimmte gewiss nicht. Aber selbst mit Rum schätzte sie ihren Captain nicht so ein, dass er munter darauf los plauderte. Trotzdem verbot sie sich weitere Gedanken dazu, beließ es bei dieser Frage, ohne ihn damit zu bedrängen. Sie nahm noch einen Schluck des Rums, reichte die Flasche schließlich wieder weiter. Ein Zeichen, dass er reden konnte, wenn er wollte. Und wenn nicht… auch in Ordnung.


Shanayas Erwiderung entlockte dem Dunkelhaarigen nun doch ein hörbar amüsiertes Schnauben. Sanfter Spott schwang darin mit, der aber alles andere als verletzend sein sollte. „Gut, dass du mich vorwarnst. Vielleicht lasse ich dich dann doch besser hier.“ Der Schwarzhaarigen galt ein freundschaftliches Schmunzeln, als sie ihm die Flasche schließlich wieder abnahm. Dann lehnte er sich vorsichtig ein Stück weiter zurück, stützte sich hinter dem Rücken auf den Unterarmen ab und richtete seinen Blick wieder in die Flammen, die munter um das Holz züngelten. Ein paar Herzschläge lang waren das, das Trommeln des Regens und das leise Schwappen des Rums in seiner Flasche die einzigen Geräusche, die die Stille durchbrachen, die sich daraufhin über die beiden Piraten senkte. Dann fand Shanaya ihre Stimme wieder und beinahe sofort hörte Lucien ihr an, dass sich etwas an der Atmosphäre verändert hatte. Sie wurde ernster, weniger oberflächlich. Und auch wenn es ihn nicht wunderte – früher oder später mussten diese Fragen ja kommen – behagte ihm das jetzt ganz und gar nicht. Hätte er sich früher wieder gefangen, wäre das Übel vielleicht an ihm vorüber gezogen. Hatte er aber nicht. Und nun blieb ihm nichts anderes übrig, als die Zähne zusammenzubeißen und den Blick in Shanayas Richtung zu meiden. Ob alles in Ordnung war? Nein. Genau genommen war viel zu viel schief gegangen. Aber das konnte er ihr nicht sagen. Nicht alles. Eigentlich... nur das Wenigste. Es dauerte einen Augenblick, bis er bemerkte, dass sie ihm erneut den Rum entgegen hielt und mit einem Kopfschütteln lehnte er ab. Dann holte er leise, resignierend den Kopf und richtete den Blick wieder auf das kleine Lagerfeuer. „Inwiefern wirke ich anders?“ In seinem Ton lag keine gespielte Ahnungslosigkeit. Nur ruhiger Ernst. Dass er sich anders verhielt, wusste er. Das zu leugnen ergab wenig Sinn. Aber er fragte sich, was genau sie sah.

Die Antwort des Mannes ließ Shanaya leise schnaufen, ihm einen gespielt vorwurfsvollen Blick zuwerfen. „Ich würde dich finden und meine Rache wäre furchtbar!“ Einige Herzschläge ruhten ihre blauen Augen noch auf dem Dunkelhaarigen, ehe sie sich auch dem Feuer zu wandte, in die beinahe Stille in sie hinein lauschte. Nur der Regen, nur das Knistern des Feuers. Für einige Momente beruhigte es sie – jedoch nicht lang genug, das mit ihrer Frage ihr Herz zu rasen begann.
Sie lag ihr schon eine Weile auf der Zunge, Lucien hatte sich nicht erst zwei Tage anders verhalten. Was hatte sie aber bisher davon abgehalten? Vielleicht die Unsicherheit darüber, dass sie sich für jemand anderes als sich selbst interessierte? Gut, das war bei Talin und Greo nichts anderes. Aber jetzt… Er schaute nicht einmal zu ihr hinüber, lehnte den Rum ab, den sie ihm entgegen hielt. Mit einem angedeuteten Zucken ihrer Schultern nahm sie das Gefäß zurück, trank nun selbst einen Schluck, blinzelte etwas unschlüssig, als Lucien eine Gegenfrage stellte.
Shanaya wusste kein bisschen, mit was sie gerechnet hatte, nicht einmal eine Ahnung hatte sie gehabt. Vielleicht hatte sie erwartet, dass er auswich. Dass er nichts sagte. Und jetzt? Jetzt saß sie hier, mit einer unfair zurück gespielten Frage. Was genau war anders? Was tat er, was sie nicht gewohnt war? Grüblerisch ruhten nun auch wieder ihre Augen auf dem Feuer, die Flasche hatte sie inzwischen abgestellt, hielt sie jedoch weiterhin fest. Die junge Frau wollte keine Stille entstehen lassen. tippte mit den Fingern auf dem Glas herum, ehe sie sich mit einem ruhigen Blick zu ihrem Captain herum wandte. „Distanzierter. Besorgter.“ Sie wusste es nicht. Aber sie erinnerte sich an ein Gespräch zwischen ihnen, das schon eine Weile zurück lag. Daran, dass er Sorge hatte, dass ihn seine Vergangenheit einholte. War es vielleicht das? Shanaya wusste es nicht, wusste nicht, was für seine Stimmung sorgte. Aber mit diesem Gedanken ging sie davon aus, was auch immer es war, was ihn so veränderte. Und der Alkohol hatte die Gedanken der Schwarzhaarigen gelockert – genau wie die kleinen Hemmungen, die sie noch gehabt hatte, als sie gemeinsam diese Halle betreten hatten. Also rutschte die Schwarzhaarige noch ein wenig näher zu Lucien, lehnte den Kopf kurz an seine Schulter und klopfte ihm noch einmal sachte mit der Hand auf sein Bein. Einige Herzschläge später hob sie den Kopf jedoch wieder an, richtete die blauen Augen direkt auf ihn, ein Lächeln voller Wärme und Verständnis auf ihren Lippen. „Aber weißt du, du bist genauso wenig allein wie ich.“


Als sie schließlich antwortete, zuckte ein schwaches Lächeln über seine Lippen. Eines von jener Art, die nie so richtig die Augen erreichten, nie ganz ehrlich wirkten. „Besorgter“, wiederholte er, als ließe er sich das Wort auf der Zunge zergehen und überprüfe es auf seinen Wahrheitsgehalt. Ja, besorgt war er. In jeder Sekunde. Aber es war das ‚distanzierter‘, an dem seine Gedanken in diesem Moment tatsächlich hängen blieben. Natürlich fiel ihr das aus. Er hielt Abstand zu jedem einzelnen aus der Crew – aber vor allem zu Talin. Und zu Shanaya. Nicht zwingend körperlich, aber emotional. Da war zu viel, womit er nicht umgehen konnte. Und umso schwieriger die Situation zwischen ihm und seiner Schwester wurde, umso vehementer hielt ihn das von der jungen Navigatorin fern.
Sie rutschte noch ein Stück näher an ihn heran, ließ die Hand wieder auf sein Bein sinken und ohne, dass er wirklich bemerkte, was er tat, folgten die tiefgrünen Augen ihrer Bewegung nachdenklich. Dann hob er den Blick, sah zu ihr auf und vielleicht zum ersten Mal an diesem Abend wurde der Ausdruck auf seinen Zügen weicher. Er regte sich nicht, kam Shanaya nicht entgegen, entzog sich ihr jedoch auch nicht. Die Erinnerung an jenes Gespräch, auf das sie mit ihren Worten anspielte, flammte lebendig in seinen Gedanken auf und ohne, dass er es wirklich wollte, stieg ein Gefühl sanfter Wärme in ihm auf. Sein Lächeln kehrte zurück, ernst zwar, aber sanfter. „Und gerade das ist es, was mir Sorgen macht.“ Seine Stimme war leise, ruhig. Ein Unterton von Sorge und Unbehagen schwang darin mit. Trotz der Wärme, trotz der Erinnerung.


Mit jedem Wort, das über Shanayas eigene Lippen drang, beschleunigte sich ihr Herz ein wenig mehr. Lucien wiederholte eines dieser Wörter, mit einem Lächeln, welches Shanaya in diesem Zusammenhang nicht zuordnen konnte. Ihre blauen Augen ruhten auf dem Dunkelhaarigen, trotzdem konnte sie nicht erahnen, was ihm in diesem Moment durch den Kopf ging. Wollte er dem widersprechen? Zustimmen? Shanaya schloss für zwei Herzschläge die Augen, blickte ihn dann jedoch wieder mit der selben Wärme in den Augen an. Sie drängte ihn nicht, zu keiner Antwort, keiner Reaktion. Dieses Mal zog sie jedoch die Hand nicht zurück, sie ruhte weiterhin auf dem Bein ihres Captains. Selbst, wenn er nicht darauf reagierte, ihr gab dieser Moment etwas von ihrer Energie zurück, die ihr in der letzten Zeit gefehlt hatte. Auf eine Weise, die sie noch nicht verstand.
So entging der jungen Frau jedoch auch nicht, dass seine Züge ein wenig sanfter wurden, was ihr Lächeln nur ein wenig breiter werden ließ. Seine Worte lockten schließlich einen leicht verwirrten Ausdruck auf das Gesicht der Schwarzhaarigen. Sie konnte keinen Zusammenhang zwischen ihren Worten erkennen, so sehr sie sich auch darum bemühte. „Wieso bereitet dir das Sorgen?“ Fragend musterte die junge Frau ihr Gegenüber, ehrliches Interesse in ihrer Stimme.


Er hasste so etwas. Es gab wirklich wenig, was ihm noch mehr gegen den Strich ging, als diese Art von Gesprächen. Wie viel leichter wäre es, wenn sie ihm einfach vollkommen gleichgültig wäre? Wenn es ihm egal wäre, ob er sie verletzte. So wie es einst bei Sara und all ihren Vorgängerinnen gewesen war. Aber sie war ihm nicht egal, schon lange nicht mehr, und Talins hartnäckige Stimme in seinem Kopf flüsterte ihm ein, dass Shanaya vielleicht schon über den Punkt hinaus war, der noch gut für sie sein würde. Die Hand auf seinem Bein, diese Sanftheit in ihrem Blick. Die Art, wie sie ihn ansah, seine Gesellschaft suchte. All das sprach dafür – oder verriet gar nichts.
Lucien stieß leise die Luft aus. Sein Lächeln war wieder verschwunden und mit einer Geste, die seine Frustration verriet, hob er die Hand und fuhr sich unwirsch über die Stirn, hinterließ einen Streifen Hallenstaubs auf seiner Haut, ohne es überhaupt zu bemerken. Wenn sie nur wüsste... wüsste, was in ihm vorging. Was ihn tatsächlich so umtrieb. Ob sie sich dann wohl von ganz allein von ihm fernhalten würde? „Ich weiß, du hast mir dieses Versprechen als Freundin gegeben. Ich weiß, es galt nichts anderem, als mir beizustehen, für den Fall, dass es notwendig wird.“ Er richtete den Blick auf die Schwarzhaarige, registrierte für einen kurzen Moment jede Regung auf ihren Zügen, bevor er seine nächsten Worte zögernd wählte. „Aber ich muss wissen, dass dir immer noch klar ist, dass zwischen uns nie mehr sein kann als das. Verstehst du, was ich meine?“


Shanayas Gedanken drehten sich im Kreis, immer wieder um seine Worte, um diese Fragen, die er damit aufgeworfen hatte. Nicht hätte sie in diesem Moment lieber als eine Antwort bekommen – aber mit der Reaktion ihres Gegenübers glaubte sie im ersten Moment, dass er sich dem entzog, dass er ihr eine Antwort schuldig bleiben würde. Er hob die Hand, fuhr sich durch die Haare, sie selbst viel zu angespannt, um alles aus dieser Geste wahr zu nehmen. Und dann sprach er doch, schürte damit noch einmal mehr die Verwirrung der jungen Frau an. Er sprach es aus, genau wie es war. Er hatte ihr so oft geholfen, bei Mardoc, nach ihrer Begegnung mit Bláyron. War es da verwunderlich, dass sie ihm diesen Gefallen zurück geben wollte? Was daran bereitete ihm Sorgen?
Auf diese Frage bekam sie eine Antwort, die in ihrem Inneren eine ganze Lawine auslöste. Eine Lawine aus noch größerer Verwirrung, aus Emotionen, die sie nur mit Mühe zurück drängen konnte. In diesem Moment war Shanaya froh, dass zuvor schon Verwirrung auf ihren Zügen gelegen hatte, denn genau dieser Ausdruck blieb. Eine Augenbraue leicht angehoben, den Kopf etwas zur Seite geneigt. Mit keiner Regung ließ sie darauf schließen, dass ihr Herz gestolpert war, dass es jetzt unschlüssig raste, laut in ihren eigenen Ohren rauschte. All das zeigte sie nicht. Da war nichts. Auch dieses Stechen in ihrem Inneren, dieses plötzliche Gefühl von Enge. Sie überspielte all das – und das nicht nur für Lucien. So dauerte es einen Moment, bis sich ihre Mimik veränderte – zu einem nach wie vor sanften Lächeln. Shanaya schüttelte den Kopf, schluckte und verbannte all ihre Gedanken. Es war nichts.
„Wenn es das ist, was dir Sorgen bereitet… dann kann ich dich beruhigen. Es ist für mich immernoch genau das, was es von Anfang an war.“ Sie wollte ihm ausweichen, wollte hinaus in den Regen stürmen. Aber all das wäre ein Eingeständnis gewesen. Eines, für das noch nichts in ihr bereit war. „Nicht mehr als das Spiel, das es damals an dem Quellsee war.“ Sicherheit lag in ihrer Stimme, auch wenn sie sie in diesem Moment nicht wie sonst durchflutete. Shanaya lächelte weiter und hatte eigentlich enden wollen… aber bevor sie darüber nachdenken konnte, hatte sie schon weiter gesprochen. „Macht es für dich den Eindruck, als wäre es mehr für mich?“ Sie wollte die Antwort nicht wissen… und wappnete sich für jede Möglichkeit, die ihr in diesem Moment einfiel, wie Lucien reagieren konnte. Ohne den Blick von seinen Augen zu nehmen. Ohne sich mit einer Regung anmerken zu lassen, dass er mit seinen Worten irgendetwas in ihr ausgelöst hatte.


Er suchte in ihrem Gesicht nach einer Reaktion. Nach einer Regung, die ihm verriet, ob er sie verletzt hatte, oder nicht. Ein Indiz dafür, dass Talin vielleicht doch Recht behielt. Sie und Zairym. Doch außer ihrer Verwirrung, die schon ob seiner undurchsichtigen Wortwahl dort gewesen war, spiegelte sich auf Shanayas Zügen nichts anderes. Kein Zurückzucken, keine Wut über die Zurückweisung. Und auch wenn er ihr, ganz anders als einst Sara, ohne jede Härte gegenüber stand, hätte sie doch zumindest ein wenig verletzt sein müssen, sollte sie mehr als nur Freundschaft für ihn empfinden. Also war es, wie sie es ihm versicherte, nicht wahr? Nicht mehr, als es auch am Anfang gewesen war. Ein kleines, für sie beide durchaus angenehmes Spiel. Unverbindlich, ohne Erwartungen.
Und er wollte es glauben. Weil es das einfacher machte. Weil dann zumindest zwischen ihnen alles beim Alten blieb und er sein Versprechen Talin gegenüber eingelöst hatte. Letzten Endes konnte er ohnehin nicht mehr tun. Shanaya war erwachsen. Sie wusste spätestens jetzt mit jeglicher Sicherheit, worauf sie sich bei ihm einließ. Und dass er mehr zu geben nicht bereit war. Also glaubte er ihrem unerschütterlichen Lächeln, glaubte der Sicherheit in ihrer Stimme und suchte nach keinem Anzeichen mehr, das vom Gegenteil sprach. Er nickte, schlicht, und auf seine Lippen stahl sich nun doch ein flüchtiges Lächeln, bevor er den Blick auf ihre Hand senkte. Vielleicht mit einer kleinen Spur Erleichterung darin. „Gut.“ Mehr erwiderte er zunächst nicht. Und es war mehr, als nur die Aussage, dass er verstanden hatte. Es war auch ‚gut‘, so wie es jetzt war. ‚Gut‘, wenn sie sich nicht verliebte.
Doch als die Schwarzhaarige erneut sprach, sah Lucien wieder auf, zögerte für einen Moment, ehe er mit einem kleinen Schmunzeln in der Stimme erwiderte: „Ich... war mir nicht sicher. Manchmal.“ Dass vor allem Talin glaubte, die Gefühle der Schwarzhaarigen erraten zu haben, behielt er in diesem Augenblick für sich. Es brachte keinem von ihnen irgendwelche Punkte, sie in die Sache hineinzuziehen.


Shanayas Hand ruhte noch immer auf dem Bein ihres Captains. Sie hätte sie zurück gezogen – wäre sie sich dem bewusst gewesen. So hielt sie still, regte sich nicht, wartete nur darauf, ob Lucien ihr glaubte. Ob er ihr ihre kleine Scharade abnahm. Oder ob er wirklich davon ausging, dass all das mehr für sie war. Mehr als nur Sex. Mehr als nur ein Spiel. Sie wollte, dass er es glaubte, vielleicht auch, damit sie selbst mehr daran glauben konnte. Auch, wenn es ihr wie ein schwerer Fels im Magen lag. Seine Worte legten sich wie ein Tuch über ihren Verstand, begruben so viel unter sich. Und trotzdem konnte die junge Frau nichts davon greifen. Nichts von der Verwirrung, von dem Schmerz und von diesem Gefühl, das sie ausfüllen wollte. Das mehr als dieses Spiel wollte. Nur Shanaya wollte genau das nicht zulassen.
Als der Dunkelhaarige zu ihrer Hand hinab blickte, folgte sie seinen Augen, schluckte noch einmal und klopfte dann in einer ausgelassenen Geste noch einmal auf sein Bein, nahm sein Nicken und das eine Wort, das er aussprach, mit einem leichten Neigen ihres Kopfes hin. Er glaubte ihr. Zumindest ließ seine Reaktion darauf schließen. Nur besserte das nicht ihr inneres Chaos, die Angst, die Lucien damit ins Rollen gebracht hatte. Und die Shanaya nicht so schnell würde aufhalten können.
Vielleicht hatte sie deswegen diese Frage gestellt, um Sicherheit zu bekommen. Wenn er antwortete, dass er nicht den Eindruck gehabt hätte, es wäre mehr für sie… vielleicht konnte sie dann auch daran glauben. Seine Antwort ließ sich die junge Frau leicht anspannen, aber als Antwort lachte sie nur leise, zuckte mit den Schultern und erwiderte den Blick des Mannes. „Ich war 17 Jahre lang vollkommen auf mich allein gestellt.“ Ihre Stimme klang nicht verbittert oder als wolle sie dafür Mitleid. Das war etwas, womit sie sehr gut zurecht kam. „Der einzige Kontakt, den ich zu Männern hatte… du hast Mardoc kennen gelernt. Das ist niemand, mit dem ich mir gern das Bett teilen würde. Die Kerle auf dem Internat haben mich nur als Trophäe gesehen und waren auch nicht das, was ich unter ‚männlich‘ verstehe. Und ein großer Freund von Huren bin ich auch nicht. Das dürfte dir als Erklärung für deinen Eindruck reichen, oder?“ Erneut zuckte die Schwarzhaarige mit den Schultern, lächelte Lucien sachte entgegen, ein dennoch ernster Ausdruck in den blauen Augen. „Wenn dir das zu viel ist, kann ich jederzeit zwei Schritte zurück treten. Du musst es nur sagen.“ Konnte sie das wirklich? Konnte sie auf Abstand zu diesem Mann gehen? Zu ihm, nach dem sich im Moment alles in ihr sehnte? Nicht nach dem Sex… aber nach seiner Nähe. Sie musste, wenn er das wollte. Aber bevor sie sich in Gedanken dazu verlieren konnte, legte sich ein eindeutiger Blick in ihre Augen, als sie die Hand von seinem Bein etwas höher wandern ließ. „Ansonsten… bin ich jederzeit bereit, Neues gezeigt zu bekommen und ein paar Fantasien auszuleben. Ich lerne immerhin noch, weißt du?“ Und ihre Hand strich langsam immer weiter an seinem Bein hinauf.


Unwillkürlich entfuhr dem Dunkelhaarigen ein leises, trockenes Schnauben. Mardoc. Nein, sicher niemand, mit dem sie im Bett landen wollte. Sie oder irgendeine Frau mit halbwegs gutem Geschmack. Der Gedanke half, ebenso wie ihre Worte. Es half, ihr zu glauben, nichts zu hinterfragen, alles beim Alten zu belassen. Und langsam ließ seine Anspannung nach, langsam bröckelte auch die Distanz, die er zu ihr gehalten hatte. Er hatte sie noch nicht so weit abgeschüttelt, um einen anzüglichen Seitenhieb darüber anzubringen, wie erfrischend die Gesellschaft einer Hure in ihrer Beziehung sein könnte, aber es reichte, um sich unter Shanayas Berührung zumindest wieder etwas zu entspannen. Er begegnete ihrem Blick, lächelte flüchtig. Noch immer ernst, aber auch sichtbar beruhigter. „Nein... nein, es ist gut, genau so, wie es jetzt ist. Mir ist nur wichtig, dass nicht mehr daraus wird.“ Nicht mehr daraus werden konnte. Doch die Schwarzhaarige fragte nicht nach Erklärungen und er lieferte ihr keine. Hätte es ohnehin nicht gekonnt, selbst wenn sie darum bat. Also dachte er einfach nicht mehr darüber nach. Wollte gar nicht darüber nachdenken. Und Shanaya half auf ausgesprochen effektive Weise dabei nach, seine Gedanken zum Verstummen zu bringen.
Gerade jetzt war er für diese Art von Berührung mehr als empfänglich. Um den letzten Rest Anspannung loszuwerden, der nach diesem Gespräch noch an ihm haftete, um sich selbst das Gefühl zu geben, zwischen ihm und der Navigatorin könnte sich nichts ändern. Um die Situation mit Talin zu vergessen – wenigstens für einen Moment – und um die Schatten zu verdrängen, die unwillkürlich näher rückten, kaum dass er Land betrat. Er ließ sich darauf ein, nur zu gern sogar.
Mit einem sachten Schmunzeln neigte Lucien den Kopf, während ihre Hand sein Bein hinauf wanderte und sein Herzschlag einen schnelleren Takt einschlug. „Wenn wir dann schon bei Fantasien ausleben sind, lass uns doch nochmal auf das mit den Huren zurückkommen.“ Ein neckender Unterton lag in seiner Stimme, die nun jegliche ungewohnte Zurückhaltung seinerseits vermissen ließ. Nur ein letzter Rest Zögern hielt ihn zurück, ließ sie Schwarzhaarige noch einen nächsten Schritt machen. Um sicher zu gehen, dass sich zwischen ihnen tatsächlich nichts verändert hatte.


Mit äußerlich ruhiger Miene betrachtete Shanaya ihren Captain, seine Reaktionen. Sie hörte sein Schnauben, spürte dabei aber auch, wie er sich ein wenig entspannte. Ganz im Gegenteil zu ihr. Sein Lächeln erwiderte die Schwarzhaarige dennoch, wenn auch mit anderem Ausdruck darin. Die Wärme darin ließ sich nicht verbannen, auch nicht mit den Worten, die er als nächstes an sie richtete. Oh, wie gern hätte sie ihm in diesem Moment versprochen, dass nicht mehr daraus werden würde. Dass sie sich nicht verlieben würde. Egal, wie nah sie ihm kam. Egal, wie oft er ihr half, wie oft er sie auffing, wenn sie taumelte. Aber es reichte, tief genug in sich hinein zu lauschen, um dieses Versprechen nicht aussprechen zu können. Statt also zu antworten, nickte die junge Frau schlicht. Als Zustimmung, als Zeichen, dass sie verstanden hatte. Vielleicht bedurfte es keiner Worte. Worte, die sie so oder so nicht aussprechen konnte. So, wie es jetzt war. Immerhin konnte die Schwarzhaarige darüber entspannen, dass sie nicht zurücktreten musste, sich überlegen musste, wie und wann sie seine Nähe suchte. So, wie es war, so konnte es bleiben. Sie hoffte, dass es so bleiben würde.
Dafür entlockte Lucien ihr mit seinen nächsten Worten ein leises Lachen. Es war ehrlich, ließ die junge Frau leicht den Kopf schütteln. Mit der Hand, die nicht auf seinem Bein ruhte, griff sie nun noch einmal nach der Rumflasche. Gönnte sich einen Schluck daraus, stand dann im nächsten Moment auf, die Flasche in der Hand, um sich dann, Lucien zugewandt, auf seinen Schoß sinken zu lassen. Nun stellte sie die Flasche an seine Seite, neigte sich näher zu seinem Gesicht, und zwinkerte ihm dann ruhig zu. Versuchte, seine Worte einfach zu verdrängen. Nicht darüber nachzudenken. Shanaya legte die Arme um seine Schultern, rutschte noch ein wenig höher, mehr in seine Nähe. „Dafür müsstest du mich wirklich sehr, sehr betrunken machen… und dann verschlafe ich den ganzen Spaß oder hänge kotzend neben dem Bett. Ich weiß nicht, ob das so… erregend ist...“ Damit hauchte sie dem Mann einen sachten Kuss auf die Lippen, blieb ihm jedoch so nah. „Ich denke, zu zweit können wir auch ein bisschen Spaß haben.“


Dass Shanayas Reaktion auf seine Worte ganz und gar dem Gegenteil dessen entsprach, was er dabei empfand, sah Lucien nicht. Ob es nun daran lag, dass sie eine zu gute Schauspielerin war, oder daran, dass er es schlicht nicht sehen wollte. Doch alles, was ihm auffiel, war ihr Nicken, ihr Lachen und die Leichtigkeit, mit der sie nach der Rumflasche griff. Sein Schmunzeln verlor an Flüchtigkeit, wurde ehrlicher, als die tiefgrünen Augen schließlich der Bewegung folgten, mit der die Schwarzhaarige sich erhob und sich breitbeinig auf seinem Schoß niederließ. Eine Position, die ihm unwillkürlich ein kleines, anzügliches Zucken in die Mundwinkel trieb. Die Flasche mit dem Alkohol landete neben ihm, was er jedoch nur am Rande wahrnahm. Denn sein Blick ruhte derweil auf Shanayas hübschem Gesicht, das ihm nun auffällig nahe kam. Und mehr als bereitwillig ließ er sich darauf ein, drückte sich vorsichtig mit den Armen hoch, ihr entgegen, bis er wieder aufrecht saß und die Hände nicht mehr brauchte, um sich abzustützen. Als sie schließlich antwortete, waren sie kaum mehr als eine Handbreit voneinander entfernt und bevor er die Gelegenheit bekam, etwas zu erwidern, lehnte sie sich bereits gänzlich vor und streifte mit den Lippen sacht die seinen. Beinahe überraschte den Dunkelhaarigen, mit welcher Intensität ihm dieser flüchtige Kuss unter die Haut fuhr und jeden anderen Gedanken vertrieb. Als wäre er zu lange auf Distanz gegangen, hätte zu lange verzichtet. Und wieder einmal sehnte sich alles in ihm jetzt nach dem Vergessen, das ihm diese Berührung versprach.
Ein amüsiertes Schmunzeln huschte über seine Lippen, als Lucien den Blick hob und den ihren erwiderte. „Vielleicht kommen wir darauf einfach irgendwann später nochmal zurück.“ Denn, da musste er ihr zustimmen, sie fanden auch zu zweit genug, um sich die Zeit angemessen zu vertreiben. Noch während er sprach, hatte er die Hände an ihre Taille gelegt, zog sie damit näher zu sich und küsste sie erneut. Dieses Mal ganz und gar nicht flüchtig, sondern genau das einfordernd, was ihre Worte ihm versprachen.


Shanayas Gedanken rasten, überschlugen sich und verwirrten sie auf eine Weise, die so vieles überstieg, was sie je empfunden hatte. Luciens Worte ließen sich nicht verdrängen, seine Stimme, seine Worte, sie schienen sich immer weiter in ihr Bewusstsein einzubrennen. Dass daraus nicht mehr werden durfte. Dass es das Spiel blieb, was es auch genau in diesem Moment war. Sie verbot sich, zumindest nach außen, jede Reaktion darauf, zögerte nicht, zuckte nicht vor Lucien zurück, auch wenn in ihrem Inneren genau danach eine leise Stimme schrie. Eine Stimme, ein Bewusstsein, das viel mehr wusste, als die junge Frau wahr haben wollte. Dass es längst nicht mehr dieses Spiel war, das sie um jeden Preis aufrecht erhalten wollte. Sie wusste, auch wenn ihre Handlungen vom Alkohol gelockert waren, wieso sie ihm sich nun näherte. Sie letzten Wochen hatte sie auf diese Nähe verzichten müssen, ihre Sehnsucht danach hatte sie mehr als verwirrt… tat es auch jetzt noch. Nun war sie ihm so nah wie eine Weile nicht mehr… und trotzdem kam ihr Verstand nicht zur Ruhe, aufgewühlt durch seine Worte, durch das, was sie in ihr losgetreten hatten.
Trotzdem galt ihrem Captain nach seinen Worten noch ein amüsiertes Grinsen, ohne darauf antworten zu wollen. Ohne Widerstand ließ sie sich von ihm noch ein wenig näher ziehen, schloss die Augen und erwiderte den Kuss voller Leidenschaft. Auch wenn das, wonach sie sich sehnte, mehr einfach seine Nähe war als der Sex. Aber Shanaya kämpfte mit aller Kraft dagegen an, ließ den Kuss noch fordernder werden, während ihre Hände über sein nasses Hemd strichen, den Saum erreichten und es langsam nach oben zogen, noch ohne ihre Lippen von seinen zu lösen. Sie redete sich ein, dass es ihr nur darum ging, dass das alles war, was sie wollte. Weil sie in letzter Zeit hatte verzichten müssen. Weil sie niemanden außer Lucien so nah an sich heran ließ.


Wie so gut wie jedes Mal, wenn er sich darauf einließ, reichte ein Kuss, reichte eine simple Berührung mit eindeutigen Absichten, um jeden bewussten Gedanken zum Schweigen zu bringen. Und bei allen Welten, er hatte sich selten gieriger darauf eingelassen als in diesem Moment. Um zu verdrängen, um zu vergessen. Wenigstens eine kleine Weile lang. Dafür brauchte er den Sex mit ihr, selbst wenn das ihr gegenüber wohl nicht ganz fair war.
Als Shanaya den Kuss intensivierte, entfachte sie damit ein sanftes Kribbeln in seiner Lendengegend. Das Gefühl ihrer Hände, die über seinen Oberkörper wanderten, sandten Hitze unter seiner Haut entlang, die einen verlockend schmerzhaften Kontrast zu der Kälte des klatschnassen Hemdes bildete. Lucien ließ sie gewähren, war mehr als froh darüber, dass sie ihm dabei half, sich seiner triefenden Kleidung zu entledigen. In doppelter Hinsicht. Und nur für einen kurzen Moment unterbrach er den Kuss, um sie loszulassen und sich ob des klebrigen Stoffs etwas umständlich gänzlich aus seinem Hemd zu schälen. Es landete auf dem staubigen Boden neben ihnen, ohne dass er ihm weiter Beachtung schenkte. Stattdessen grub er nur die Linke in ihr dunkles Haar und küsste sie erneut, fuhr mit der Zunge zwischen ihre Lippen, während seine freie Hand unter den Saum ihrer eigenen, vom Regen durchnässten Bluse wanderte. Und so warm, wie ihr Körper sich an den seinen schmiegte, so kühl fühlte sich ihre Haut unter seiner Berührung an, als er sanft darüber strich, die Finger weiter nach oben gleiten ließ und den Stoff ihres Oberteils mit sich zog.


Shanayas kreisende Gedanken glichen einem Balanceakt, einem Tanz auf einem hauchdünnen Drahtseil. Sie wollte Luciens Nähe, wollte all das, was hier gerade geschah. Mehr, als alles andere. Gleichzeitig wollte sie Distanz, wollte sich von ihm zurück ziehen, sich klar über das werden, was in ihr vorging. Zwar gewann deutlich der Teil, der sich nach Ablenkung sehnte, der sich auf die Berührungen des Mannes, auf den Kuss, auf das Verlangen konzentrierte… nur gab ihr Verstand nicht nach, schrie ihr immer und immer wieder Luciens Worte entgegen.
Jetzt ungeduldiger zog sie den Stoff seines Hemdes nach oben, verfluchte den kurzen Moment, in dem sie sich voneinander lösen mussten. Sofort schaltete sich ihr Verstand ein, wollte sie zurück halten. Noch konnte sie das hier unterbrechen, konnte sich zurück ziehen. Erst, als Lucien die Hand in ihr Haar grub, sie wieder küsste, schaffte die Schwarzhaarige es, diese Stimme leiser werden zu lassen, indem sie das sanfte Spiel seiner Zunge erwiderte, mit den Fingernägeln über seine Brust fuhr, einem eindeutigen Ziel folgend. Seine Hand, die nun unter ihre Bluse glitt, ließ die Stimme, die Zweifel noch einmal leiser werden – bis er ihr ihre Bluse auszog, sie neben ihnen sinken ließ. Sie waren längst zu weit, als dass sie sich seinem Bann noch entziehen konnte, trotzdem ließen die leisen Zweifel ihr Herz schneller schlagen, was sie jedoch nicht zögern ließ. Nur einen Moment hielt sie die Augen noch geöffnet, begegnete den grünen Augen Luciens, voller Verlangen, gierig auf so viel mehr. Nur ein Lächeln, ehe es nun an ihr war, ihn wieder zu küssen, eine Hand fest in seine Haare gekrallt, um ihn langsam mit sich zu ziehen, während sie sich zurück lehnte, ihre andere Hand sich schon am dem Verschluss seiner Hose zu schaffen machte. Sie war nicht auf irgendwelche Spielchen aus, es konnte ihr nicht schnell genug gehen. Sie wollte alles, aber vor allem wollte sie vergessen.


Lucien spürte ihre Ungeduld, spürte ihr Verlangen, das in jeder einzelnen forschen Berührung lag. Nicht aber ihre Zweifel, ihr mit sich Hadern, das ihm viel zu viel offenbart und viel zu viel geändert hätte. Denn dann wäre ihm vielleicht klar geworden, dass da mehr war. Mehr, das sie in ihm sah und sich von ihm erhoffte. Es war gut, so, wie es war, und der Dunkelhaarige beließ es dabei. Ihre Fingernägel, die über seine Brust fuhren, entlockten ihm ein leises, begieriges Seufzen. Unwillkürlich lehnte er sich dem sanften Schmerz entgegen und die Bewegungen, mit denen er ihre Bluse nach oben zog, wurden zugleich fahriger und ungeduldiger. Schließlich schaffte er es, den Stoff von ihrer nackten Haut zu lösen, unterbrach den Kuss nur für den Moment, den es brauchte, um das Kleidungsstück über ihren Kopf zu ziehen und zu dem seinen in den Staub fallen zu lassen. Ihre Blicke begegneten sich für einige wenige Herzschläge und wieder übersah Lucien die Zweifel in ihr, selbst wenn sie deutlich in den beeindruckend himmelblauen Augen gelegen hätten. Was er wahrnahm, war das Lächeln, die Selbstsicherheit, die sie ausstrahlte. Mehr brauchte und wollte er nicht. Dann legte sie die Lippen erneut auf die seinen und er schloss die Lider, gab sich dem sanften Kribbeln in seinem Bauch ungeniert hin und erwiderte den Kuss mit der gleichen Ungeduld, die auch in ihrer Berührung lag. Nur ein paar Sekunden lang wartete der Dunkelhaarige, bis Shanaya den Verschluss seiner Hose endlich geöffnet hatte, während seine Hände fast ruppig über ihre Brüste und ihre Taille wieder nach unten wanderten.
Dann packte er sie rau an der Hüfte und wälzte sich mit ihr herum, bis sie im nächsten Augenblick unter ihm auf dem Hallenboden lag. Seine Lippen bahnten sich einen Weg ihren Hals hinab, zogen eine Spur aus gierigen Küssen und sanften Bissen über ihre Haut. Mit der Rechten stützte er sich neben ihrem Körper ab, während die freie Linke nun seinerseits zu ihrer Hose hinabglitt, um sich an dem Verschluss zu schaffen zu machen.


Shanaya versuchte die Zweifel zu ignorieren, sie zu bekämpfen, sie zum Verstummen zu bringen. Aber sie blieben. Später würde die Frage aufkommen, was sie damit erreicht hatte, Lucien davon zu überzeugen, dass sie nicht mehr für ihn empfand. Dass das ein Hirngespinst war. Aber jetzt… jetzt versuchte sie sich nur auf ihren Captain zu konzentrieren. Auf die Spur aus Feuer, die er mit seinen Händen auf ihrem Körper hinterließ. Und auch wenn die Zweifel leiser wurden, sie verschwanden nicht ganz. Nicht einmal der kalte Steinboden, den sie kurz darauf an ihrem Rücken spürte, lenkte sie genug ab – erst Luciens Lippen, die über ihre Haut wanderten, seine Hände an ihrer Hose, legten einen Schalter im Kopf der jungen Frau um. Die Sehnsucht, die sie in letzter Zeit so oft empfunden hatte. Nach ihm, nach seiner Nähe und diesem Gefühl, welches er immer wieder aufs Neue in ihr auslöste. Weit über dieses simple Begehren hinaus. Die Zweifel verstummten nicht, wurden jedoch so leise, dass Shanaya sie ausblenden konnte. Sie konnte sie verdrängen – und sich damit vollkommen auf Lucien konzentrieren. Auf das Brennen in ihrem ganzen Körper. Darauf, dass es ihr ewig vorkam, dass der Dunkelhaarige ihr so nah gekommen war.

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In Shanayas Verstand herrschte Chaos vor. Auf der einen Seite schrien ihr Zweifel entgegen, die sie mit aller Kraft versuchte zu unterdrücken, nicht lauter werden zu lassen. Auf der anderen Seite war da eine fast beängstigende Ruhe, die sie vollkommen ausfüllte. Eine, die kaum einen Gedanken zu ließ – außer das Bewusstsein von warmer Haut an ihrer, von dem Körper, auf dem sie lag, über dessen Brust sie sachte mit den Fingern strich. Über ihnen noch immer das Geräusch des Regens, der noch nicht nachgelassen hatte. Jetzt erschien es der jungen Frau jedoch nicht mehr unaushaltbar mit Luciens Gesellschaft, in diesem Moment hätte sie nicht einmal das Feuer gebraucht, um sich aufzuwärmen. Zu gerne wäre die Schwarzhaarige noch eine Weile liegen geblieben, hätte die Wärme des Mannes genossen… aber die innere Unruhe trieb sie an, wenigstens für einen Moment auf Abstand zu gehen. Und diese Seite gewann für den Moment. Noch einmal mit den Fingern über die Haut des Mannes streichend zog Shanaya sich ein wenig nach oben, hauchte ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen und warf ihm ein vielsagendes Lächeln zu. „Ich gehe mich hier Mal umsehen. Bleib du ruhig hier beim Feuer, wir wollen doch nicht, dass du mir elendig erfrierst.“ Ein deutlich neckender Unterton lag in der Stimme der jungen Frau, sanfter Spott lag in den blauen Augen, mit denen sie einige Herzschläge seinem Blick begegnete. Erst dann erhob Shanaya sich, ließ ihre Kleidung liegen und streckte kurz die Arme in die Luft, als sie aufrecht stand. „Was für eine Schande wäre es, hier einen verloren geglaubten Schatz zu übersehen!“ Und damit hatte sie sich schon in Bewegung gesetzt, bevor ihr wild schlagendes Herz sie zurück halten konnte. Aber für den Moment brauchte sie genau das – Abstand.
Und kaum hatte sie ein paar Schritte zwischen sich und Lucien gebracht, kreisten ihre Gedanken wieder, ließen ihr kaum Raum für etwas Ruhe. In der Nähe standen ein paar aufgebrochene Kisten. Vermutlich würde sie nichts spannendes finden… aber es zog sie in diese Richtung, weg von dem Mann, der gleichermaßen vermochte, sie zu beruhigen und sie aufzuwühlen. Die Kisten lockten also als eine kleine Ablenkung, auch wenn ihr Körper auf die Kälte ohne schützenden Stoff reagierte. Als Shanaya die Kisten erreichte, ließ sie den Blick schweifen, stubste ein paar Deckel zu Boden, um einen Blick in das Innere zu werfen. Zuerst fand sie nur gähnende Leere. Zwei Kisten, drei Kisten. Leere. Erst bei zwei weiteren merkte die junge Frau auf, wog den Kopf etwas zur Seite und bückte sich dann, bis ihre Finger ein Buch umschlossen. Es sah mitgenommen aus, als hätte es schon viele Jahre auf dem Buckel. Die Dunkelhaarige haderte einige Momente, schlug die Seiten jedoch bewusst noch nicht auf, sparte sich das für ihre Rückkehr zum Feuer auf. Mit der freien Hand griff sie nach einer Laterne, die noch vollkommen intakt schien. Vielleicht würde diese ganz nützlich für den Rückweg zur Sphinx sein. Man wusste ja nie…
Schließlich kam sie wieder bei Lucien zum Stehen, stellte die Lampe ab und ließ sich mit den Knien auf ihre Bluse sinken, dem Mann nur einen kurzen Blick zu werfend, ehe sich ihre Hände um das Buch schlossen, ihre Aufmerksamkeit scheinbar vollkommen auf dem Schriftstück lag. Nur, um nicht darüber nachdenken zu müssen, was Lucien kurz zuvor los getreten hatte. Was sein Anblick auch jetzt wieder in ihr auslösen wollte und ihr Herz in sanftem Tempo voran trieb. Trotzdem öffnete sie das Buch noch nicht, betrachtete zuerst nur den Einband, in den unzählige Zeichen geritzt waren, dessen Sinn sich Shanaya noch nicht wirklich erschloss. Es dauerte also noch einen Moment, bis sie den hellen Blick doch wieder zu Lucien hob, ein neugieriges Funkeln darin. Sie grinste. „Vielleicht habe ich hier ja geheime Notizen für den Zugang zur achten Welt entdeckt!“ Unwahrscheinlich, aber es verlieh ihr ein wenig Vorfreude auf etwas, was sich vielleicht als vollkommener Müll heraus stellen würde.
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RE: You know that I know, nothing is ever alright - von Shanaya Árashi - 26.11.2022, 13:44

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