25.11.2022, 20:27
Das Schmunzeln auf seinen Lippen wurde eine Spur belustigter, doch er verkniff sich den Hinweis, dass sie sich sogar bei beiden Kapitänen hätte hochschlafen können, wenn sie nur gewollt hätte. Ganz sicher wäre Talin nicht abgeneigt gewesen. Doch statt das Thema fortzuführen, stieß er auf die darauf folgenden Worte Shanayas ein gespielt missfälliges Schnauben aus.
„Irgendwie traue ich dir das sogar zu.“
Zwar glaubte Lucien nicht, dass sie das in diesem Moment tun würde, aber rein prinzipiell, wenn sie ihn nur ein wenig verarschen wollte, hätte sie das ohne Skrupel durchgezogen. Da war er sich ziemlich sicher. Und vielleicht war das auch der Grund, weshalb er jetzt umso genauer auf die Geräusche lauschte, die jede ihrer Bewegungen machte. Stiefel auf dem Holzboden – immer noch direkt vor ihm. Das Rascheln von aneinander reibendem Stoff, als sie sich umwandte.
Sein Puls beschleunigte sich unwillkürlich, obwohl er spürte, dass sie weder verschwand, noch auf ihn zu kam. Selbst ihre Stimme hatte sich einen halben Schritt entfernt und sagte ihm, dass er nach wie vor nichts zu befürchten hatte. Nichtsdestotrotz behagte ihm dieses sich ausgeliefert Fühlen nicht im Geringsten. Er ließ es lediglich um ihretwillen überhaupt geschehen.
„Und auf der Treppe hatte ich die Augen schließlich noch offen. Das hätte ich kommen sehen.“
Belustigung schwang in seiner Stimme mit, die schließlich von milder Erwartung abgelöst wurde, kaum dass er Shanayas Schritte wieder näher kommen hörte. Und dann erlöste sie ihn – glücklicherweise – von der kleinen Folter und erlaubte ihm, die Augen wieder zu öffnen.
Zunächst blinzelte Lucien, gewöhnte sich an das dämmrige Zwielicht unter Deck, bevor sich die tiefgrünen Augen erst auf die junge Navigatorin richteten, und dann auf das, was sie in Händen hielt. Das rote Tuch, das sie normalerweise um die Hüfte trug, erkannte er sofort. Genauso wie die Tatsache, dass es etwas verbarg und demnach nicht das war, was sie ihm hatte zeigen wollen. Dafür war der Gegenstand, den es umhüllte, mehr als deutlich an seiner Silhouette zu erahnen. Und trotzdem konnte er nicht anders, als nachzufragen. Langsam, zögernd.
„Was ist das?“
Sie hielt ihm den Gegenstand entgegen, doch Lucien machte keine Anstalten, ihn entgegen zu nehmen. Schlicht, weil er im ersten Moment nicht begriff, dass er für ihn bestimmt war. Obgleich ihre Worte und die Intention dahinter eindeutig waren und er beides durchaus hörte – nur sie miteinander zu verknüpfen schien sein Verstand zunächst gänzlich zu verweigern.