25.11.2022, 18:16
Als Lucien sich aus der Gesellschaft der beiden anderen Männer löste, lag ein geselliges Schmunzeln auf seinen Lippen. Amüsiert, geradezu heiter. Und es blieb auch, als er sich abwandte und die kleinen Knochenwürfel zurück in die Tasche an seinem Gürtel gleiten ließ. Seine Stimmung schien sich im Vergleich zu den letzten Wochen stetig wachsender Missgelauntheit deutlich verbessert zu haben. Nicht zuletzt mochte das an dem Alkohol liegen, der das Glücksspiel der drei Piraten begleitet hatte und der sich jetzt mit einem warmen, wohligen Gefühl im Magen und einem sanften Schwindel im Kopf bemerkbar machte. Aber es war lange nicht genug gewesen, um seinen Gang unsicher oder seine Gedanken wirr werden zu lassen. Gerade so viel, um die Zunge und die Anspannung ein wenig zu lockern. Nein, vielmehr lag seine augenblickliche gute Laune schlicht an dem sachten Schwanken des Schiffes unter seinen Füßen. An dem Wind, der die Segel blähte und sie in ihren Fesseln aus Holz und Tauwerk leise flattern ließ. An dem Ächzen der Planken, die gegen das umliegende Meer drückten und sie über die Wellen trugen. Vorwärts. Weg von dem Gefühl, nicht vom Fleck zu kommen. Weg von dem Wahn, in jeder finsteren Gasse einer Gestalt in Uniform zu begegnen. Einer ganz bestimmten Gestalt. Hier draußen war es so viel leichter zu ertragen, weil nichts und niemand sich ihm hier nähern konnte, ohne, dass er rechtzeitig gewarnt wäre.
Zumindest niemand, dem er nicht unbedingt begegnen wollte. Außer seiner Schwester vielleicht. Glücklicherweise war nicht sie es, die unvermittelt vor ihm stand, als er durch die Tür des Niedergangs trat, der ihn in den Bauch des Schiffes führen sollte. Reflexartig blieb Lucien stehen, ehe sich ein überraschtes, aber genauso warmes Lächeln auf seine Lippen legte.
„Shanaya“,
begrüßte er sie, ehe sie ihn verstummen ließ und das Lächeln von seinen Lippen wischte. Was blieb, war ein sichtlich fragendes Gesicht. ‚Du‘. Er? Ihr ausgestreckter Finger richtete sich auf ihn, um der Aussage mehr Gewicht zu verleihen und eine seiner Brauen in die Höhe wandern zu lassen. ‚Du kommst jetzt mit‘. Und es klang nicht danach, als hätte er eine Wahl. Denn ehe der junge Captain sich versah, hatte sie seine Hand ergriffen und zog ihn mit sich in die Richtung, aus der sie gekommen war.
Verdattert folgte er ihr, brachte im ersten Moment nicht mehr als ein fragendes „in Ordnung?“ Zustande, bevor sich ein amüsiertes Schmunzeln auf seine Lippen schlich.
„Du hättest ruhig früher zu mir kommen können, wenn du dich schon so sehr nach einem kleinen Stelldichein mit mir sehnst.“
Nicht, dass das letzte Mal besonders lange her gewesen wäre. Oder er in den letzten zwei Tagen Zeit dafür gehabt hätte. Doch er glaubte ohnehin nicht, dass es hier gerade darum ging. Irgendwie wirkte ihre Vorfreude... anders. Also hakte er sanft nach.
„Verrätst du mir, wo du mit mir hin willst?“