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Jack Of All Trades, Master Of None
Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Jun 2019
#7
"Mensch, ihr--", rief der Pony-Besitzer wütend, aber was auch immer danach hätte folgen sollen sparte er sich. War vielleicht auch besser so, es starrten sie ohnehin schon alle an. Das bemerkte Rúnar als er wieder die Augen aufmachte und die Arme herunternahm, die er sich schützend vors Gesicht gehalten hatte, als er Trevor zu Boden hatte segeln sehen. (Er könnte anfangen eine Strichliste zu führen, wie oft Trevor, Personen in Trevors Gegenwart, oder Gegenstände in Trevors Hand unfreiwilligen Kontakt mit dem Boden machten.)

Rúnar blickte zu Trevor, zu dem wegrennenden Pony, zu dem Besitzer, zu Trevor, dem Pony--

Er wusste nicht, wem er zuerst helfen sollte -- und entschied sich dann für das Pony. Trevor konnte sich schon allein helfen (auch, wenn Rúnar sich ein wenig schlecht fühlte, ihn da so liegen zu lassen), aber so konnte er zumindest Pony und Besitzer gleichzeitig beschwichtigen.

"Ich kümmere mich darum", sagte er an den Besitzer gewandt und stürzte dem Pony hinterher, dass direkt auf die Marktstände zurannte.

Trevor fing noch auf dem Boden an zu lachen. Es war zu komisch, wie Daggi dem Pony und der Pony-Dompteur Daggi hinterherrannte – und er sah das ganze auch noch auf dem Kopf!
Schließlich hatte er genug Atem beisammen, um sich aufzurappeln. Wow, so was passierte bemerkenswert oft, wenn man sich einem Pferd näherte. Musste eine Art Begrüßungsritual sein. Er fuhr sich mit der Hand– hoppla, beinahe hätte er sich mit der Krabbe durchs Gesicht gewischt. Hey, eigentlich ein hervorragendes Putzmittel, die hätte nicht nur den Dreck, sondern auch seine Nase gleich mit entfernt. So viele Anwendungsmöglichkeiten! Apropos. Er sah sich kurz um, schnappte sich auch die zweite Krabbe, steckte die eine in seine Hemd- und die andere in seine Hosentasche, und bereute beides sofort. Passenderweise hielt die Pony-Daggi-Dompteur-Karawane jetzt auf den Stand mit den Tonkrügen zu. „Lasst einen für mich heil!“, rief Trevor und beeilte sich, hinterherzukommen. Das kleine Kind auf dem Boden neben dem Stand kniff die Augen zu und hielt seine Krabbe vor sich wie einen Anti-Pony-Talisman.

Rúnar konnte noch Trevors Lachen hinter sich hören, also fühlte er sich nicht ganz so schlecht, dass er ihm nicht geholfen hatte. Und es frustrierte ihn auch ein wenig, denn so wie es aussah, war der Spaß jetzt endgültig vorbei. Eine ganz andere Art von Grauen erfüllte Rúnar, als er sah, worauf der Schecke zusteuerte. Er kannte dieses Pferd nicht, er konnte es nicht einschätzen. Manche Pferde würden in ihrer Panik dennoch vor dem Hindernis stoppen -- andere ... nicht.

"Aus dem Weg!", rief Rúnar. "Runter! Runter!" Beide, das Kind und die Frau, der der Stand gehörte, duckten sich und ein verzweifelter und entsetzter Laut entfuhr Rúnar, als das Pferd zum Sprung ansetzte, eine einzige, langhalsige Tonvase mit sich riss und dann jedoch in den danebenstehenden Stand mit den Zitrusfrüchten stürzte.

Eine wieder andere Art von Grauen riss an Rúnars Herz. Eine Erinnerung. Wie Sólfari damals den Hang hinabgestürzt war. Wie er versucht hatte, wieder aufzustehen, aber es nicht gekonnt hatte. Wie sein Vater und Onkel Nói mit dem Gewehr dort hin geritten waren, wo die Kinder Sólfari zurückgelassen hatten. Und wie danach dann alles anders gewesen war.

Doch der Schecke stand ohne Probleme auf und rannte weiter, ohne weitere Stände zu beschädigen. Und Rúnar gab auf. Der Ponybesitzer überholte Rúnar. "Lassen Sie es gut sein", sagte Rúnar ihm hinterher.

Der Mann hielt kurz an. "Wie bitte?" Es war eine rhetorische Frage.

"Entschuldigen Sie meinen Ton", sagte Rúnar, ein wenig außer Atem. "Es ergibt keinen Sinn einem derart verängstigten Pferd hinterzulaufen, wenn man nicht gleichschnell sein kann um es einzufangen. Mein Begleiter und ich"--er zeigte in die Richtung, in der er Trevor zurückgelassen hatte--"werden Ihnen später gerne ihr Pferd wieder zurückzuholen."

"Später?", sagte der Mann. "Ich brauche es jetzt."

Und die Frau mit den Tongefäßen meldete sich ebenfalls zu Wort: "Und wer ersetzt mir meine Vase?"

"Und meine Früchte?", meldete sich der junge Mann vom Zitrusstand.

Rúnar nahm einen tiefen Atemzug, fuhr sich über die Stirn. Schweißtropfen rannen schon von dort aus seinen Hals hinab -- von der Hitze, von der Anstrengung, vom Stress und der Aufregung. Der stechende Geruch von den zerquetschten Zitronen und Orangen ... war gut, aber besser machte der es sicherlich nicht. Doch trotzdem konnte er nicht leugnen, dass ein kleiner Funken Energie ihn in dieser kurzen, aber ereignisreichen Jagd auf eine Art belebt hatte.

Einerseits war Rúnar frustriert mit Trevor. Andererseits hatte es wohl Gründe, warum er immer wieder dessen Gesellschaft suchte.

„Oh guck mal“, strahlte Trevor, als er Daggi und die Staubwolke des Ponys eingeholt hatte. „Wenn das nicht die Konsequenzen unserer Handlungen sind!“ Live und in Farbe und wahrscheinlich würde er sich morgen so gar noch daran erinnern! Das war so viel besser als … na ja, was auch immer auf der Kopfgeldjäger-Insel genau passiert war. Bloß was stellte man jetzt damit an? Trevor stemmte die Hände in die Hüften und runzelte die Stirn. Was würde Greg tun?
„Du verblutest nicht gerade an einer Scherbe, oder?“ Er warf Daggi einen besorgten Blick zu, der vermutlich wirklich seine Verwandtschaft mit Gregory gezeigt hätte, wäre das schiefe Grinsen darunter nicht. „Apropos, darf ich – Aua! Ist ja gut – Die könnt Ihr doch sicher entbehren?“
Er schnappte sich den größten zusammenhängenden Rest der zerdepperten Tonvase und stopfte alle drei Krabben unter großem Protest aller Seiten – Verkäuferin, Kind, Krabben – hinein. „Das ist Diebstahl!“, quiekte die Tonverkäuferin. Vermutlich hätte das Kind etwas ähnliches gesagt, aber es kannte das Gesetz noch nicht in all seinen Absätzen und Paragrafen, also fing es an zu weinen. Freundlicherweise übertönte es damit den Ex-Ponybesitzer. „Das ist ein Wocheneinkommen, mindestens!“ Der Mann vom Zitronenstand sammelte ein paar symbolische zerquetschte Früchte auf und fuchtelte damit vor ihren Gesichtern herum, dass es spritzte. „Soll ich meine Familie etwa von Limonade ernähren?!“
„Äh“, sagte Trevor, der die Idee eigentlich gar nicht schlecht fand, „nehmt Ihr auch Krabben?“
„Ich denke, dir gehören mir.“ Koeel-Joeel war hinter ihnen aufgetaucht, legte je eine Pranke auf Daggis und Trevors Schulter und seinen Blick auf die Krabben. Die beiden Verkäufer hielten abrupt in ihrer Tirade inne.

Die Konsequenzen ihrer Handlungen? Um zwanzig Ecken vielleicht. Wie konnte man auch so ein Pech haben. Das alles nur, weil ihnen ein paar ausgekommen Krabben zwischen die Hufe eines Ponys gelaufen waren.

Als Trevor nach Rúnars Wohlbefinden fragte, machte er sich für einen Moment Sorgen, dass er sich wirklich etwas getan, es aber nicht bemerkt hatte -- er hob seine Hände, drehte sie einmal -- sie sahen gut aus. Er sah zu Trevor, schüttelte den Kopf und ein ehrliches Lächeln stahl sich auf Rúnars Gesicht als er dessen Blick bemerkte.

Als Trevor die Überreste der Vase hochnahm war Rúnar kurz davor ihm dazwischen zu funken -- "Trevor, das ist sehr einfallsreich von dir, aber--"-- doch dann unterbrach ihn die Tonhändlerin schrill. Rúnar war zu sehr vor den Kopf gestoßen, um etwas dazu zu sagen und es half nicht, dass nun alle von dem Dilemma betroffenen Händler auf sie einzureden schienen.

Aber Rúnar war nicht das erste Mal in einer solchen Situation. Er wusste mit unzufriedener Kundschaft umzugehen, von denen die meisten auch Händler gewesen waren, also konnte er diese Situation sicher auch adäquat händeln. Er musste trotzdem seine Konzentration sammeln, kurz darüber nachdenken was er sagen könnte um die Situation zunächst einmal zu deeskalieren. "Meine Herrschaften--" Und er zuckte zusammen, als jemand auf seine Schulter Griff und die Krabben zu recht für sich beanspruchte.

Für ein paar Momente herrschte Stille.

"Ah! Da seid ihr ja!", flötete die helle Stimme eines Mannes in einem fröhlichen Sing-Sang.

Alle drehten sich zu der Quelle um und Rúnar bemerkte zwei Dinge:

Erstens: Sogar mit seinem üblichen Brett vorm Kopf -- vor allem wenn er so reizüberflutet war wie jetzt -- spürte Rúnar, wie die Stimmung um ihn herum sich schlagartig änderte. Die Haltungen der anderen gegenüber dem hinzugestoßen Mann war offensichtlich feindselig und doch respektvoll zugleich. Wie unangenehm.

Zweitens: Der Mann war ihm sympathischer, als er es wahrscheinlich sein sollte. Er sah aus als würde er sich regelmäßig einen Schneider leisten und seine langen, schwarzen Locken und der Bart wirkten gepflegt und rahmten ein hellhäutiges Gesicht ein, das einen Anflug von Arroganz aber auch Verschmitztheit trug. Und er trug einen schwarzen Mantel. Bei dem Wetter. Das war Rúnar durchaus sympathisch.

Als drittes realisierte er, dass der Mann ihn und Trevor gemeint hatte. Er schritt zu ihnen hinüber. "Joe, mein Guter!" Gestikulierte wild mit der einen Hand. "Lass nur, ich kümmere mich darum."

Joe nahm seine Hände von Trevors und Rúnars Schulter. Rúnar sah zwischen ihm, Trevor und dem Mann im schwarzen Mantel hin und her. "Ach, die gehören zu dir", brummte Joe in einem Ton wie: Wenn ich das gewusst hätte.

Nun legte der Fremde die Hände auf ihrer beider Schultern, drehte sich mit Schwung um und schob sie dabei mit sich. Sie gingen ein paar Schritte -- Rúnar protestierte nicht und zog einfach mit -- eher der Mann mit gesenkter, aber noch immer dieser fröhlichen, Stimme meinte: "Ich sagte, ich kümmere mich darum. Emmett Kincaid, zu Diensten -- und ihr seid?"

"Ähm -- Rúnar Dagur. Aber ich verstehe nicht ganz." Er sah etwas hilfesuchend zu Trevor.

Oh, Miniinsel-Dynamiken! Man musste auf einer aufgewachsen sein, um sie lieben zu lernen. Trevor und Daggi waren von den Verkäufern gestoppt worden, die Verkäufer von Joeel-Koeel und der wiederum von dem Herren im schwarzen Mantel, der hinter ihnen allen auftauchte. Es war wie das Bild von den kleinen Fischen, die von größeren gefressen wurden, hinter denen wiederum ein Hai sein Maul aufsperrte.
Trevor sortierte eilig eine Krabbe zum Kind, zwei zu Joe und legte den Tonkrugrest oben drauf, weil er sich großzügig fühlte. Dann ließ er sich brav von dem Hai zum Rand des Marktes schieben. Ihm gefiel der fröhliche Tonfall des Mannes. Aber der Mantel bewies schon fragwürdigen Modegeschmack – und Moment, das erinnerte ihn an etwas aus der Kopfgeldjäger-Nacht. Aber was? Er wollte Daggi einen verwirrten Blick zu werfen, aber offenbar hatte der dieselbe Idee, also wechselte Trevor zu blendender Selbstsicherheit.
„Ich bin Trevor Scovell.“ Er hielt kurz inne, um zu sehen, ob der Nachname irgendeine Reaktion hervorrief. Tat er nicht. „Nicht unbedingt zu Diensten, aber hey, wir revanchieren uns gerne.“ Leute, die ihm aus der Patsche halfen, wollten immer eine Gegenleistung – oder zumindest oft genug, dass Trevor das Wort „revanchieren“ problemlos über die Lippen hüpfte.
Emmett Kincaid lächelte. „Euer Schiff ist auf dem Weg in Richtung Tarlenn-Gebiet, Calbota vielleicht?“ Das klang eher nach einer rhetorischen Frage. Noch so eine Miniinsel-Dynamik: Informationen über Fremde wurden kollektiv gesammelt und ausgetauscht. Trevor für seinen Teil hatte keinerlei Ahnung, was Shanny zwischen ihren Karten so ausheckte, aber Calbota war immer eine gute Anlaufstelle. „Sieht so aus.“ Er zuckte fröhlich mit den Schultern. „Wir können Euch sicher eine Mitfahrgelegenheit organisieren.“
„Oh, nicht für mich. Nur für das hier.“
Trevor nahm endlich die Hand von seiner Waffe und griff nach der kleinen Schatulle, die Kincaid aus seinem Mantel gezaubert hatte. Sie war hölzern, schmucklos und mit einem winzigem Vorhängeschloss versehen. Neugierig schüttelte er sie an seinem Ohr. Kincaid riss die Augen auf und seine Hände zuckten vor, als wolle er Trevor die Kiste wieder einreißen. Er hielt sich im letzten Moment ab. „Nicht schütteln, bitte. Der Inhalt könnte, äh, ungünstig fallen.“ Trotz des professionellen Lächelns schien er froh, die Schatulle nicht mehr selbst mit sich herumtragen zu müssen. „Fragt euch in Silvestre einfach zu Tydea durch. Ihr Haus ist nicht zu verfehlen.“
Gut, das war nichts, was Trevors nie stillstehende Hände gehörte. Aber sonst sprach ja nichts dagegen, es ein bisschen spazieren zu fahren, oder? Er reichte die Kiste an Daggi – nein, Rúnar. Rúni? – weiter. „Was meinst du, schaffen wir das?“ Er grinste und wackelte mit den Augenbrauen. Das war ja fast zu einfach.

Rúnar nickte bestätigend als Trevor dem anderen Mann ihre Hilfe als Gegenleistung anbot -- Mr. Kincaids Lächeln schien so, als ob dieser die Gegenleistung gerne annehmen würde.

Rúnar hob die Augenbrauen. Sie waren auf dem Kurs, den er erwähnte. Der Mann wusste offensichtlich was er tat. Durchaus sympathisch -- Rúnar hätte nichts dagegen, wenn er bei ihnen mitfahren würde. (Er hatte auch nichts dagegen zu haben, schließlich war er niemand, der hier diese Art von Entscheidungen traf.) Aber das hatte sich ohnehin erledigt, als Kincaid ihnen ein kleines Holzkästchen in die Hand drückte. Oder Trevor. Der es sofort an sein Ohr hielt und zu schütteln begann. Rúnar hatte dieselbe Reaktion wie Kincaid -- seine Hände schnellte vor -- wenn auch nicht so ausladend wie die des anderen Mannes. Sie warfen sich ein kurzes Lächeln zu, das sagte: Beruhigend, dass du auch so denkst.

"Tydea in Silvestre", bestätigte Rúnar und nickte. Er wollte Trevor gerade die Schatulle abnehmen, da reichte er sie ihm schon selbst. Und natürlich schafften sie das -- er gab Trevor ein zuversichtliches Lächeln. Aber er war ja nicht dumm. Er fragte sich, was für eine heikle Sache sich in der Schatulle befand, dass jemand sie an ein paar Fremde abtrat und dafür Anbot, deren hinterlassenes Chaos zu beseitigen.

Er nickte auch Kincaid zuversichtlich zu. "Vielen Dank für Ihre Hilfe", sagte Rúnar ihm und hielt ihm die Hand hin.

Er nahm Rúnars Hand und schüttelte sie zwei Mal kräftig. "Oh nein -- ich habe zu danken." Er war ganz offensichtlich froh, dass er lieber verärgerte Marktverkäufer beschwichtigen konnte anstatt dieses Kästchen mit sich rumzutragen. "Und seht ja zu, dass sie bei Tydea ankommt. Ich werde es erfahren, wenn sie das nicht tut." Er sagte es mit Humor, aber ein, Sonst mache ich euch das Leben zu Hölle, schwang deutlich mit.

"Verstanden", sagte Rúnar. "Sie können sich auf uns verlassen." Das hoffte er zumindest.
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RE: Jack Of All Trades, Master Of None - von Rúnar Rúnarsson - 25.09.2022, 22:52

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