20.09.2022, 08:44
What is it, that we are fighting for?
Nachmittag des 01. Juli 1822
Shanaya Árashi & Soula Veniel
An manchen Tages wünschte Shanaya sich einen kleinen Aufruhr, ein paar Soldaten, um sich auszutoben. Und genau solch ein Tag war heute – nur ohne die erhofften Soldaten. Der Strand lag ruhig da, der sanft wehte vom Meer her durch die schwarzen Haare der jungen Frau. Der gestrige Tag war ihr noch glasklar in Erinnerung, die Gespräche, die Begegnungen. Die Emotionen, die sie damit verband. Und das Gespräch mit Tarón an diesem Morgen hatte das Ganze nicht wirklich besser gemacht. Shanaya hatte sich danach ins Meer begeben, hatte versucht, das Grübeln mit einigen Runden schwimmen zu vertreiben – es hatte nur nicht geholfen. Erschöpft war sie gewesen, ihr Kopf, ihr ganzer Körper, hatten dennoch keine Ruhe gegeben. Also hatte sie sich etwas neues gesucht, etwas, um ihre Konzentration umzulenken, um ihre restliche Energie aufzubrauchen. Vielleicht würde das helfen… ansonsten wusste sie auch nicht weiter.
Sie hatte sich also mit ihrem Degen, ihrer Pistole und ihrem Dolch auf den Weg zum Strand gemacht. Die Sonne brannte auf sie hinab, auch wenn sie schon nicht mehr in ihrem Zenit stand. Aber es störte die junge Frau nicht, sie hatte ihre Corsage auf den Sand gelegt, die Waffen darauf gebettet und ihre Bluse vor den Brüsten verknotet, dass der Wind ihre Haut ein wenig abkühlen konnte. Sie trainierte an einem kleinen Abhang, trainierte die Balance, die nötig war, um unter solchen Umständen zu kämpfen. Bergauf, bergab, zur Seite. Alles mit dem Degen in der Hand, den sie dabei immer wieder auf ein unsichtbares Ziel richtete. Die Wut, die sie an diesem Morgen im Gespräch mit Tarón angestaut hatte, machte sich jetzt Luft, half ihr, sich vollkommen auf das Training zu konzentrieren. Um all dieses Chaos zu verdrängen, um wieder Herrin über die eigenen Gedanken zu werden.
Shanaya wusste nicht, wie lang sie nun schon in der prallen Sonne trainierte, jegliches Zeitgefühl war verschwunden, als sie Gesellschaft bekam. Zuerst war sie skeptisch gewesen, empfand sie Soula nicht unbedingt als eine würdige Gegnerin. Ein bestimmter Gedanke war es, der die junge Frau umstimmte, sodass sie letztendlich doch zu stimmte. Die unterschwellige Wut war verschwunden, sodass die Schwarzhaarige sich sogar dazu herab ließ, der Kampfpartnerin ein paar Tipps zu geben. Wie sie ihre Füße stellen musste, wie sie einen Hieb am besten parierte. Zwei Mal ließ sie sich entwaffnen, selbst wenn sie den Angriff der anderen Frau vielleicht hätte parieren können. Ihr Degen landete im Sand und obwohl sie wusste, wieso, warf sie der anderen Frau ein anerkennendes Nicken zu. Sie wusste nicht, wie lang Soula bei der Crew bleiben wollte, ob sie hier so ihr zu Hause sah, wie die Schwarzhaarige. Aber sie wusste, dass der nächste Kampf kommen würde. Und vielleicht war es in diesem Moment Soula, auf die sie sich verlassen musste. Und in solch einem Moment wollte Shanaya sich gewiss nicht darauf konzentrieren, die Beinarbeit der Frau zu korrigieren oder sie darauf hin zu weisen, dass sie ihren Rücken ungedeckt ließ. Nicht mehr und nicht weniger steckte hinter dieser… edlen Tat. Man lernte nicht, wenn man nur frustriert über Niederlagen war… und dass Shanaya mehr Kampferfahrung als die andere Frau hatte, war kein Geheimnis.
Und auch jetzt ließ Shanaya sich den Degen aus der Hand schlagen, hob geschlagen beide Hände etwas in die Luft. Sie hatte Soula an ihre Grenzen getrieben, zumindest glaubte sie das. Aber auch sie selbst spürte die Erschöpfung des Tages bleiern an sich ziehen, die schwitzte und atmete schwer. Es hatte zumindest für den Moment geholfen, ihr Verstand war zu müde, um sich jetzt noch groß Gedanken über dieses und jenes zu machen – wobei die Schwarzhaarige nicht ausschloss, dass sich das in den nächsten Minuten schon wieder ändern würde.
„Ich denke, das reicht für heute.“
Ein ruhiges Lächeln lag auf ihren Lippen, mit dem sie Soula kurz bedachte, ehe sie sich nach ihrem Degen bückte und diesen mit geübten Bewegungen in seine Scheide steckte und ihn befestigte.
„Ich glaube, du hast Potential – aber das ist definitiv noch verbesserbar.“
Mit einem Arm strich Shanaya sich über die schweißnasse Stirn, atmete einige Male tief durch, um ihr schnell klopfendes Herz zu beruhigen. Erst dann machte sie sich daran, ihren Gürtel zu lösen, trat ruhig zu ihrer Korsage und legte den Gürtel samt Degenscheide daneben ab. Auch den Knoten des roten Tuches löste sie, ließ es zu den anderen Sachen fallen und richtete die blauen Augen dann wieder auf Soula.
„Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich gönne mir jetzt definitiv eine Abkühlung.“
Damit löste sie den Knoten ihrer Bluse und zog sich den Stoff kurzerhand über den Kopf, warf ihn zu ihren anderen Sachen. Vielleicht sollte sie sich für die nächsten Trainingseinheiten einen Tag mit Regen aussuchen. Kurz huschte ihr Blick noch einmal zu Soula, ehe sie sich in Richtung Meer begab. Sie wollte nicht weit schwimmen, nur ihrem Körper eine kurze Abkühlung gönnen.