03.09.2022, 17:47
Veränderung. Ein Wort, das Kieran nur zu gut kannte. Veränderung. In seinem Leben hatte sich über die letzten Jahre viel verändert, nie hatte er ein Recht auf Mitsprache gehabt. Das war die Karte, die ihm das Leben gespielt hatte und er hatte gelernt, damit umzugehen, sich bestmöglich darauf zu wappnen. Über die letzten Jahre hatte es abgenommen, in seinem vergleichsmäßig ruhsamen Leben bei den Veniels, aber vermutlich war auch das der Grund, weshalb es ihn umso mehr aus der Bahn warf. Kieran hatte kaum noch erwartet, dass es jemals anders wäre. Und jetzt war er hier. Frei, aber auch doch nicht. Auch bei seiner Freiheit, hatte Kieran nicht wirklich ein Wort mitzusprechen gehabt, oberflächlich vielleicht, aber nicht wirklich. Aber war das so wichtig? Wieso klammerte er sich so sehr daran, wenn er es einfach genießen sollte? Völlig ignorieren, welche Umstände ihm dieses Geschenk beschert hatten? War Freiheit nicht das, was er immer wollte? Das höchste Gut eines Menschens?
Kieran wusste es nicht. Genauso wie er nicht wusste, mit der neuen Unabhängigkeit umzugehen, wenn er das überhaupt wirklich war. Was bedeutete Unabhängigkeit für jemanden, der immer an jemanden gebunden gewesen war? So gesehen war er das auch jetzt noch. Auf eine Art und Weise an die Sphinx und seine Crew, auch wenn diese Verpflichtung völlig anderer Natur war, als die, die er zu kennen gelernt hatte, aber viel stärker war sein Band zu Soula. Soula, die sie beide hierher gebracht hatte, und Soula, die von ihm wegtrieb, wie Schiffe von Land. Manchmal sah er sie am Horizont und irgendwann, das hoffte er tief, würde sie wieder anlegen und die Ferne überbrücken, die sich stetig zwischen ihnen bahnte. Doch bis dahin mochte sie zwar physisch bei ihm sein, aber gleichzeitig ganz woanders.
Kieran sah hoch, als Soula auf ihn zukam und klappte sein kleines Notizbüchlein zusammen, in das er in schwacher Skizze die Bucht vor ihnen umrissen hatte. ”Ich kann mich über Wasser halten.” Als Kind hatte er es mal gelernt, vor einer halben Ewigkeit. Aber Erfahrungen wie diese, egal wie klein sie noch waren, verließen einen faszinierenderweise schließlich nie. Das durfte er viele Jahre später lernen, auch wenn er in seinem Leben dennoch nicht viel geschwommen war, vor allem nicht in den letzten paar Jahren. Die Gelegenheit hatte sich dazu nie geboten, jetzt aber war er darum umso dankbarer. Vor allem nach den jüngsten Ereignissen.
Er musterte seine Vertraute und legte seinen Kopf schief. ”Fragst du mich gleich, ob ich es dir beibringen kann, damit du das nächste Mal nicht doch ertrinkst?” Seine Mundwinkel hoben sich leicht, auch wenn die Erinnerung an das Durcheinander absolut kein Auslöser dafür war. Aber sie hatten es heile überstanden. Mehr oder weniger.