25.08.2022, 20:55
Shanays Anblick setzte etwas in Skadi frei, bei dem sie sich nicht sonderlich wohl fühlte. Etwas, das sie seit Jahren nicht mehr empfunden oder gar zugelassen hatte. Fast war sie geneigt sich zu räuspern und das Thema zu wechseln. Doch Shanaya kam ihr zuvor. Setzte ein Bild in ihren Kopf, das blumig und all zu real in ihrem Körper wiederhallte. Als kleines Echo aus der Vergangenheit, das ein mitfühlendes Seufzen aus der Kehle der Jägerin kitzelte. “Und je länger du darüber nachdenkst, desto undurchsichtiger wird es. Wie ein Gefühl, das so präsent ist, dass es einen wahnsinnig macht.“ Zu gut kannte sie dieses undefinierbare Konstrukt, das Tage lang am Geist nagte und doch nicht aus der Dunkelheit trat. Wie ein feiges Huhn, das hämisch lachend in den Schatten hockte und einen verhöhnte. Meist waren es Gefühle, die man nicht kannte. Die keine abgespeicherte Definition im Wörterbuch des Lebens besaßen. Und Skadi hatte mittlerweile zahlreiche zur Hand, als dass sie genau benennen konnte, was hier nun auf Shanaya zutraf. Somit musterte sie die junge Frau eingehend. Lächelte seltsam warm und verständnisvoll. “Seit wann hast du diese… Wolken in deinem Kopf?“
Auch, wenn Shanaya über die Zeit immer besser mit Skadi zurecht kam, sie inzwischen sogar recht gern mochte… es war ein mehr als ungewohntes Gefühl, so mit der anderen Frau durch die Stadt zu streifen, über diese Dinge zu sprechen, die Shanaya nicht greifen konnte. Die Dunkelhaarige seufzte und Shanaya wandte den Blick wieder zu ihr herum, als sie weiter sprach, ihre eigenen Worte noch einmal etwas ausmalte. Nur kurz überlegte die Schwarzhaarige, rang sich dann zu einem Nicken durch. Ja, so in etwa konnte man das beschreiben. Das Lächeln der anderen Frau erwiderte sie mit einem ähnlichen Ausdruck, nur deutlich müder. Daran würde sich heute Abend vermutlich nicht mehr so viel ändern. Die Frage Skadis regte sie jedoch zum Nachdenken an, womit sie den Blick wieder nach vorn richtete. Wie lang ging das nun schon? Ein leises, grüblerisches Brummen drang über ihre Lippen. „Kurz bevor wir Ritu erreicht haben.“ Man hätte ihr nun eine Lüge unterstellen können, aber für Shanaya fühlte es sich nach dieser Spanne an. Sie verband kein besonderes Ereignis damit, für sie war dies also eine realistische Zeitspanne.
Instinktiv versuchte sich Skadi an die Zeit zu erinnern. Ob ihr etwas an Shanaya aufgefallen war. Ob sich irgendetwas mit ihrem Zustand in Verbindung bringen ließ. Doch es war, als suchte sie die Nadel im Heuhaufen. Es war sinnlos, dem nachzugehen - erst recht wenn man nicht wusste, wonach mach Ausschau hielt. Somit drang ein ähnlich tiefes Brummen nun aus Skadis Kehle, ehe sie es der Jüngeren gleich tat und nach vorn blickte. “Und an etwas festmachen kannst du es sicherlich nicht…“, eine rhetorische Frage. Wenn sich das Gefühl so sehr nach Wolken anfühlte, wäre es ein Wunder, hätte die Jüngere den Ursprung allen Übels parat. “Es ist eine Ewigkeit her, dass ich mich so gefühlt habe.“ Lies man Liam und dieses undefinierbare Etwas zwischen ihnen außer Acht.
Ohne den Kopf zu drehen warf Shanaya einen Blick in Skadis Richtung, musterte sie aus den Augenwinkeln und gab dann ein tonloses Seufzen von sich. Die andere Frau hatte den Blick ebenfalls nach vorn gewandt, schien selbst nun darüber nachzudenken, was in Shanayas Kopf möglicherweise vor sich ging. Ihre Frage ließ Shanaya jedoch nur sachte den Kopf schütteln. Vielleicht hätte sie gekonnt – wenn sie gewollt hätte. Wenn sie nicht unterbewusst alles, was damit zu tun hatte, herunter schluckte. „Ich warte noch darauf, Mal wieder ein, zwei Nächte durch zu schlafen. Dann geht es ganz sicher wieder besser.“ Trotz ihrer Erschöpfung lag ein optimistischer Ton in der Stimme der Schwarzhaarigen, aber ehe sie noch genauer darüber nachdenken konnte, waren die nächsten Worte schon gesprochen. „Und woran hat es da bei dir gelegen?“
Ein, zwei Nächte durchschlafen. Es klang verlockend, selbst für sie. Und irgendwie bekam Skadi just in diesem Moment das Gefühl, dass sie Shanaya im Vergleich zu den anderen häufiger müde an Deck vorfand. Nein, müde traf den Eindruck nicht. Es glich vielmehr einer anhaltenden Unruhe. Seltsam. "Nun." Schmunzelnd sah die Nordskov zur Seite. "Ich fand meinen bald Mann auf einmal nicht mehr so unsagbar nervtötend wie zuvor." Und wussten die Götter - er hatte eine unfassbare Ausdauer an den Tag gelegt, um sie von sich zu überzeugen. So gesehen war das mit Liam fast schon ein Kinderspiel gewesen. Was vielleicht auch an den Umständen und an der Tatsache lag, dass es keiner Absicht entsprungen war.
Shanaya sprach diese Frage aus – und hätte sie im nächsten Moment am liebsten zurück genommen. Die Müdigkeit ließ sie langsamer reagieren, sie weniger darüber nachdenken, was ihr über die Lippen kam. Aber die Hoffnung blieb, das Skadi einfach von sich erzählte und es ein möglichst unverfänglicher Grund war. Was die Dunkelhaarige ihr schließlich antwortete, ließ Shanaya trocken schlucken. Nicht so unverfänglich, wie sie gehofft hatte. Sie nickte verstehend, wollte etwas sagen, ehe sich ihr eine Frage aufzwang. Ihr bald Mann… und nun…? Wo war ihr Mann? Hatte sie schon einmal mit Skadi darüber gesprochen, oder hatte sie diese Information einfach… vergessen? Irgendwo in ihrer Hängematte liegen lassen? „Und jetzt? Jetzt geht er dir wieder auf die Nerven?“ Eine recht unsensible Frage… vielleicht auf ihren eigenen Zustand zu schieben. Die Frage, was nun mit Skadis Mann war, lag dabei auch in ihren blauen Augen, die sie nun wieder auf die andere Frau richtete. Immerhin konnte sie so von sich selbst ablenken.
Hatte sie gerade noch ihren Blick von der Jüngeren abgewandt und auf die Straße vor sich gerichtet, gefror das Schmunzeln auf ihren Zügen. Sie hatte mit niemandem außer Liam und Lucien darüber gesprochen. War sich nicht einmal sicher, wie viel Talin noch wusste oder wie viel sie Talin erzählt hatte. Die Abende mit der Kapitänen verschwammen gelegentlich diffus in ihrem Kopf. Vor Verwirrung über die Reaktionen und den permanenten Gefühlswandel.
Skadi gab nur ein knappes Räuspern von sich. Entfernte weniger lautlos als geplant den Frosch in ihrem Hals und zählte die Backsteine in der Fassade neben sich. Eigentlich wollte sie nicht über dieses Thema sprechen. Es auf sich beruhen lassen. Doch Shanaya hatte gefragt und die Nordskov keine elegante Ausrede parat, die die Navigatorin so leicht schlucken würde. "Sofern Tote einem aus der Anderswelt auf die Nerven gehen können. Sicherlich.", kam es zäh zwischen ihren Lippen hindurch. Beiläufig, mit einer Spur Bitterkeit.
Zuerst bemerkte die Schwarzhaarige nicht, was für eine Erinnerung sie angestochen hatte. Irgendwie kam ihr in diesem Moment nicht der Gedanke, dass der Mann der Dunkelhaarigen tot sein könnte. Erst, als die Andere etwas schwieg, sich dann räusperte und man ihr hauchzart anmerkte, dass ihr etwas schwer fiel, dämmerte es der jungen Frau. Skadi antwortete nun doch und so etwas wie ein schlechtes Gewissen beschlich Shanaya. Sie war sich nicht sicher, ob das in solch einem Moment angebracht war, aber mit einem leisen „Entschuldigung“ hob sie eine Hand, legte sie ihrem Gegenüber ruhig auf die Schulter. Sie hatte es nicht wissen können, also blieb Skadi nun, diese ehrlich gemeinte Entschuldigung anzunehmen – oder eben zu schmollen. Wobei die Schwarzhaarige die andere Frau nicht in die zweite Kategorie stecken würde.
Entschuldigung. Skadi wandte den Kopf herum. Zog die Augenbrauen zusammen. Sichtlich irritiert und überfahren von der plötzlichen Situation. Shanaya entschuldigte sich bei ihr. Für die Worte und die Erinnerungen, die sie ungewollt heraufbeschwor. Statt eine Hand auf ihre Schulter zu legen, hätte die Navigatorin sie besser kneifen sollen. Denn das konnte doch nicht real sein, oder doch? Beinahe wäre ihr ein verdutztes Ähm entwichen. Stattdessen schenkte sie der Dunkelhaarigen nur ein warmes Schmunzeln und zuckte dann mit den Schultern. "Schon gut. Woher solltest du es auch wissen." Letztlich hausierte sie damit nicht. Rieb die Leuten weder ihre Lebens- noch Leidensgeschichte unter die Nase. Es half immerhin nicht. Zu jammern. Lieber warf sie sich in den Kampf. Lenkte sich ab. Wehrte sich mit Händen und Füßen. "Ich hoffe dein bald Mann liegt noch nicht unter der Erde?" Ein Hauch Ironie schob sich in das verdächtige Zucke ihres Mundwinkels.
Skadis etwas verdutzte Miene ließ Shanaya blinzeln, sie fragte sich still, wieso ihr Gegenüber so reagierte. Gut, sie hätte sich vielleicht selbst einen Reim daraus machen können – aber so schnell kam ihr Bewusstsein nicht hinterher. Nicht so. Skadi fing sich jedoch schnell wieder, zuckte nur mit den Schultern, woraufhin Shanaya ihr Hand wieder zurück zog und auf die Worte der Frau hin nickte. Wie schon erwartet, war Skadi scheinbar nicht nachtragend, was so etwas anging. Sie kannte nicht von vielen Teile aus ihrer Geschichte – in den meisten Fällen interessierte es sie auch einfach nicht. Und sie alle hatten ihre Geheimnisse, die Dinge, über die sie nicht einfach so sprachen. So wie sie selbst. Was Skadi dann über die Lippen kam, ließ Shanaya abrupt stehen bleiben, aus den Gedanken gerissen. Nicht wissend, was sie darauf antworten sollte. Einen Moment schwieg sie, blickte die andere Frau mit gehobener Augenbraue an, ehe sie ein leises Lachen von sich gab. „Das wäre sehr traurig… unter der Erde, bevor ich ihn treffen konnte.“ Sie lächelte, nur ein Hauch von Verwirrung lag noch auf ihren Zügen.
Obwohl es als Scherz gemeint gewesen war, zündete es in der Navigatorin wie ein Minifeuerwerk. Abrupt war sie stehen geblieben. Unfähig sich fort zu bewegen oder dermaßen entrüstet, dass ihr nicht nur das Gesicht entglitt. Ein zwei Schritte trat sie Nordskov noch voraus, ehe sie sich herum wandte und ihrem Blick folgte, der nach wie vor fest auf Shanaya fixiert geblieben war. Musterte die Jüngere aus halber Schräglage ihres Kopfes. Hatte sie einen Nerv getroffen? Mit dem was ihr Gegenüber von sich gab, wirkte es fast so. Und für einen Sekundenbruchteil beschlich Skadi das Gefühl, dass die Jüngere nur halb die Wahrheit sprach. Entweder weil sie es sich nicht eingestand oder besser wusste. "Vielleicht hast du das sogar schon?" Eine vorsichtig formulierte Frage, die nicht von übermäßigem Interesse herrührte. Sie selbst sollte wohl keine Ratschlage verteilen, wenn sie sich selbst in ausweglose Gefühlslagen manövrierte und wie ein Baby darin herumtapste.
Mit Skadis Worten hatte Shanayas Herz einige, schnellere Takte zurück gelegt, beruhigte sich nur langsam wieder. Zu gern hätte die junge Frau nun gewusst, was der Anderen durch den Kopf ging, was sie über ihre abrupte Reaktion dachte. Sie trat noch etwas weiter, richtete die Augen aber wieder direkt auf Shanaya, sodass ihre Blicke sich trafen. Shanaya wich nicht aus, dafür sah sie in diesem Moment absolut keinen Grund. Und trotzdem beschlich sie das Verlangen genau danach. Die Schwarzhaarige atmete einmal tief durch, dann legte sich wieder ein sachtes Lächeln auf ihre Lippen, mit dem sie sich ruhig wieder in Bewegung setzte. „Mir ist, meines Wissens nach, noch kein lebender Toter begegnet.“ Und auch sonst fühlte es sich nicht an, als hätte sie einen potentiellen, zukünftigen Partner getroffen. Weder vor ihrer Zeit auf der Sphinx, noch währenddessen. Aber das war auch kein Gedanke, mit dem sie sich bisher groß befasst hatte. Nun rieb die Dunkelhaarige sich mit einer Hand über die müden Augen, richtete sich dann wieder an Skadi. „Ich glaube, es würde mir ganz gut tun, zur Sphinx zurück zu gehen. Vielleicht bin ich jetzt so müde, dass ich wirklich einfach einschlafe.“
Shanaya war müde. Spielte müde. Fühlte sich müde. Skadi konnte es bei ihrem Anblick nicht genau sagen, ob sich die Dunkelhaarige gerade dem Thema bereitwillig abwandte, wenngleich sie augenscheinlich offen darüber sprach. Wie so oft wurde sie nicht ganz schlau aus dem Mädchen. Der jungen Frau. Dem Killerinstinkt. Somit nickte sie nur. Presste kurzweilig die Lippen aufeinander und atmete tief durch. Ihr Plan zum Amphitheater zu gehen, hatte sich dann wohl in Luft aufgelöst. Auch gut. Vielleicht traf sie auf dem Schiff noch Liam. Wenn nicht, wachte sie an der Reling, während die Navigatorin endlich den Schlaf der Gerechten träumte. Und sehr wahrscheinlich brachten ihr ein klarer Kopf und wüste Träume mehr Klarheit, als jedes Gespräch über kaum greifbare Gefühlswolken. "Sicher. Ich begleite dich noch. Meine Füße können sicherlich mal ein bisschen Pause an Deck vertragen."
Auch, wenn Shanaya über die Zeit immer besser mit Skadi zurecht kam, sie inzwischen sogar recht gern mochte… es war ein mehr als ungewohntes Gefühl, so mit der anderen Frau durch die Stadt zu streifen, über diese Dinge zu sprechen, die Shanaya nicht greifen konnte. Die Dunkelhaarige seufzte und Shanaya wandte den Blick wieder zu ihr herum, als sie weiter sprach, ihre eigenen Worte noch einmal etwas ausmalte. Nur kurz überlegte die Schwarzhaarige, rang sich dann zu einem Nicken durch. Ja, so in etwa konnte man das beschreiben. Das Lächeln der anderen Frau erwiderte sie mit einem ähnlichen Ausdruck, nur deutlich müder. Daran würde sich heute Abend vermutlich nicht mehr so viel ändern. Die Frage Skadis regte sie jedoch zum Nachdenken an, womit sie den Blick wieder nach vorn richtete. Wie lang ging das nun schon? Ein leises, grüblerisches Brummen drang über ihre Lippen. „Kurz bevor wir Ritu erreicht haben.“ Man hätte ihr nun eine Lüge unterstellen können, aber für Shanaya fühlte es sich nach dieser Spanne an. Sie verband kein besonderes Ereignis damit, für sie war dies also eine realistische Zeitspanne.
Instinktiv versuchte sich Skadi an die Zeit zu erinnern. Ob ihr etwas an Shanaya aufgefallen war. Ob sich irgendetwas mit ihrem Zustand in Verbindung bringen ließ. Doch es war, als suchte sie die Nadel im Heuhaufen. Es war sinnlos, dem nachzugehen - erst recht wenn man nicht wusste, wonach mach Ausschau hielt. Somit drang ein ähnlich tiefes Brummen nun aus Skadis Kehle, ehe sie es der Jüngeren gleich tat und nach vorn blickte. “Und an etwas festmachen kannst du es sicherlich nicht…“, eine rhetorische Frage. Wenn sich das Gefühl so sehr nach Wolken anfühlte, wäre es ein Wunder, hätte die Jüngere den Ursprung allen Übels parat. “Es ist eine Ewigkeit her, dass ich mich so gefühlt habe.“ Lies man Liam und dieses undefinierbare Etwas zwischen ihnen außer Acht.
Ohne den Kopf zu drehen warf Shanaya einen Blick in Skadis Richtung, musterte sie aus den Augenwinkeln und gab dann ein tonloses Seufzen von sich. Die andere Frau hatte den Blick ebenfalls nach vorn gewandt, schien selbst nun darüber nachzudenken, was in Shanayas Kopf möglicherweise vor sich ging. Ihre Frage ließ Shanaya jedoch nur sachte den Kopf schütteln. Vielleicht hätte sie gekonnt – wenn sie gewollt hätte. Wenn sie nicht unterbewusst alles, was damit zu tun hatte, herunter schluckte. „Ich warte noch darauf, Mal wieder ein, zwei Nächte durch zu schlafen. Dann geht es ganz sicher wieder besser.“ Trotz ihrer Erschöpfung lag ein optimistischer Ton in der Stimme der Schwarzhaarigen, aber ehe sie noch genauer darüber nachdenken konnte, waren die nächsten Worte schon gesprochen. „Und woran hat es da bei dir gelegen?“
Ein, zwei Nächte durchschlafen. Es klang verlockend, selbst für sie. Und irgendwie bekam Skadi just in diesem Moment das Gefühl, dass sie Shanaya im Vergleich zu den anderen häufiger müde an Deck vorfand. Nein, müde traf den Eindruck nicht. Es glich vielmehr einer anhaltenden Unruhe. Seltsam. "Nun." Schmunzelnd sah die Nordskov zur Seite. "Ich fand meinen bald Mann auf einmal nicht mehr so unsagbar nervtötend wie zuvor." Und wussten die Götter - er hatte eine unfassbare Ausdauer an den Tag gelegt, um sie von sich zu überzeugen. So gesehen war das mit Liam fast schon ein Kinderspiel gewesen. Was vielleicht auch an den Umständen und an der Tatsache lag, dass es keiner Absicht entsprungen war.
Shanaya sprach diese Frage aus – und hätte sie im nächsten Moment am liebsten zurück genommen. Die Müdigkeit ließ sie langsamer reagieren, sie weniger darüber nachdenken, was ihr über die Lippen kam. Aber die Hoffnung blieb, das Skadi einfach von sich erzählte und es ein möglichst unverfänglicher Grund war. Was die Dunkelhaarige ihr schließlich antwortete, ließ Shanaya trocken schlucken. Nicht so unverfänglich, wie sie gehofft hatte. Sie nickte verstehend, wollte etwas sagen, ehe sich ihr eine Frage aufzwang. Ihr bald Mann… und nun…? Wo war ihr Mann? Hatte sie schon einmal mit Skadi darüber gesprochen, oder hatte sie diese Information einfach… vergessen? Irgendwo in ihrer Hängematte liegen lassen? „Und jetzt? Jetzt geht er dir wieder auf die Nerven?“ Eine recht unsensible Frage… vielleicht auf ihren eigenen Zustand zu schieben. Die Frage, was nun mit Skadis Mann war, lag dabei auch in ihren blauen Augen, die sie nun wieder auf die andere Frau richtete. Immerhin konnte sie so von sich selbst ablenken.
Hatte sie gerade noch ihren Blick von der Jüngeren abgewandt und auf die Straße vor sich gerichtet, gefror das Schmunzeln auf ihren Zügen. Sie hatte mit niemandem außer Liam und Lucien darüber gesprochen. War sich nicht einmal sicher, wie viel Talin noch wusste oder wie viel sie Talin erzählt hatte. Die Abende mit der Kapitänen verschwammen gelegentlich diffus in ihrem Kopf. Vor Verwirrung über die Reaktionen und den permanenten Gefühlswandel.
Skadi gab nur ein knappes Räuspern von sich. Entfernte weniger lautlos als geplant den Frosch in ihrem Hals und zählte die Backsteine in der Fassade neben sich. Eigentlich wollte sie nicht über dieses Thema sprechen. Es auf sich beruhen lassen. Doch Shanaya hatte gefragt und die Nordskov keine elegante Ausrede parat, die die Navigatorin so leicht schlucken würde. "Sofern Tote einem aus der Anderswelt auf die Nerven gehen können. Sicherlich.", kam es zäh zwischen ihren Lippen hindurch. Beiläufig, mit einer Spur Bitterkeit.
Zuerst bemerkte die Schwarzhaarige nicht, was für eine Erinnerung sie angestochen hatte. Irgendwie kam ihr in diesem Moment nicht der Gedanke, dass der Mann der Dunkelhaarigen tot sein könnte. Erst, als die Andere etwas schwieg, sich dann räusperte und man ihr hauchzart anmerkte, dass ihr etwas schwer fiel, dämmerte es der jungen Frau. Skadi antwortete nun doch und so etwas wie ein schlechtes Gewissen beschlich Shanaya. Sie war sich nicht sicher, ob das in solch einem Moment angebracht war, aber mit einem leisen „Entschuldigung“ hob sie eine Hand, legte sie ihrem Gegenüber ruhig auf die Schulter. Sie hatte es nicht wissen können, also blieb Skadi nun, diese ehrlich gemeinte Entschuldigung anzunehmen – oder eben zu schmollen. Wobei die Schwarzhaarige die andere Frau nicht in die zweite Kategorie stecken würde.
Entschuldigung. Skadi wandte den Kopf herum. Zog die Augenbrauen zusammen. Sichtlich irritiert und überfahren von der plötzlichen Situation. Shanaya entschuldigte sich bei ihr. Für die Worte und die Erinnerungen, die sie ungewollt heraufbeschwor. Statt eine Hand auf ihre Schulter zu legen, hätte die Navigatorin sie besser kneifen sollen. Denn das konnte doch nicht real sein, oder doch? Beinahe wäre ihr ein verdutztes Ähm entwichen. Stattdessen schenkte sie der Dunkelhaarigen nur ein warmes Schmunzeln und zuckte dann mit den Schultern. "Schon gut. Woher solltest du es auch wissen." Letztlich hausierte sie damit nicht. Rieb die Leuten weder ihre Lebens- noch Leidensgeschichte unter die Nase. Es half immerhin nicht. Zu jammern. Lieber warf sie sich in den Kampf. Lenkte sich ab. Wehrte sich mit Händen und Füßen. "Ich hoffe dein bald Mann liegt noch nicht unter der Erde?" Ein Hauch Ironie schob sich in das verdächtige Zucke ihres Mundwinkels.
Skadis etwas verdutzte Miene ließ Shanaya blinzeln, sie fragte sich still, wieso ihr Gegenüber so reagierte. Gut, sie hätte sich vielleicht selbst einen Reim daraus machen können – aber so schnell kam ihr Bewusstsein nicht hinterher. Nicht so. Skadi fing sich jedoch schnell wieder, zuckte nur mit den Schultern, woraufhin Shanaya ihr Hand wieder zurück zog und auf die Worte der Frau hin nickte. Wie schon erwartet, war Skadi scheinbar nicht nachtragend, was so etwas anging. Sie kannte nicht von vielen Teile aus ihrer Geschichte – in den meisten Fällen interessierte es sie auch einfach nicht. Und sie alle hatten ihre Geheimnisse, die Dinge, über die sie nicht einfach so sprachen. So wie sie selbst. Was Skadi dann über die Lippen kam, ließ Shanaya abrupt stehen bleiben, aus den Gedanken gerissen. Nicht wissend, was sie darauf antworten sollte. Einen Moment schwieg sie, blickte die andere Frau mit gehobener Augenbraue an, ehe sie ein leises Lachen von sich gab. „Das wäre sehr traurig… unter der Erde, bevor ich ihn treffen konnte.“ Sie lächelte, nur ein Hauch von Verwirrung lag noch auf ihren Zügen.
Obwohl es als Scherz gemeint gewesen war, zündete es in der Navigatorin wie ein Minifeuerwerk. Abrupt war sie stehen geblieben. Unfähig sich fort zu bewegen oder dermaßen entrüstet, dass ihr nicht nur das Gesicht entglitt. Ein zwei Schritte trat sie Nordskov noch voraus, ehe sie sich herum wandte und ihrem Blick folgte, der nach wie vor fest auf Shanaya fixiert geblieben war. Musterte die Jüngere aus halber Schräglage ihres Kopfes. Hatte sie einen Nerv getroffen? Mit dem was ihr Gegenüber von sich gab, wirkte es fast so. Und für einen Sekundenbruchteil beschlich Skadi das Gefühl, dass die Jüngere nur halb die Wahrheit sprach. Entweder weil sie es sich nicht eingestand oder besser wusste. "Vielleicht hast du das sogar schon?" Eine vorsichtig formulierte Frage, die nicht von übermäßigem Interesse herrührte. Sie selbst sollte wohl keine Ratschlage verteilen, wenn sie sich selbst in ausweglose Gefühlslagen manövrierte und wie ein Baby darin herumtapste.
Mit Skadis Worten hatte Shanayas Herz einige, schnellere Takte zurück gelegt, beruhigte sich nur langsam wieder. Zu gern hätte die junge Frau nun gewusst, was der Anderen durch den Kopf ging, was sie über ihre abrupte Reaktion dachte. Sie trat noch etwas weiter, richtete die Augen aber wieder direkt auf Shanaya, sodass ihre Blicke sich trafen. Shanaya wich nicht aus, dafür sah sie in diesem Moment absolut keinen Grund. Und trotzdem beschlich sie das Verlangen genau danach. Die Schwarzhaarige atmete einmal tief durch, dann legte sich wieder ein sachtes Lächeln auf ihre Lippen, mit dem sie sich ruhig wieder in Bewegung setzte. „Mir ist, meines Wissens nach, noch kein lebender Toter begegnet.“ Und auch sonst fühlte es sich nicht an, als hätte sie einen potentiellen, zukünftigen Partner getroffen. Weder vor ihrer Zeit auf der Sphinx, noch währenddessen. Aber das war auch kein Gedanke, mit dem sie sich bisher groß befasst hatte. Nun rieb die Dunkelhaarige sich mit einer Hand über die müden Augen, richtete sich dann wieder an Skadi. „Ich glaube, es würde mir ganz gut tun, zur Sphinx zurück zu gehen. Vielleicht bin ich jetzt so müde, dass ich wirklich einfach einschlafe.“
Shanaya war müde. Spielte müde. Fühlte sich müde. Skadi konnte es bei ihrem Anblick nicht genau sagen, ob sich die Dunkelhaarige gerade dem Thema bereitwillig abwandte, wenngleich sie augenscheinlich offen darüber sprach. Wie so oft wurde sie nicht ganz schlau aus dem Mädchen. Der jungen Frau. Dem Killerinstinkt. Somit nickte sie nur. Presste kurzweilig die Lippen aufeinander und atmete tief durch. Ihr Plan zum Amphitheater zu gehen, hatte sich dann wohl in Luft aufgelöst. Auch gut. Vielleicht traf sie auf dem Schiff noch Liam. Wenn nicht, wachte sie an der Reling, während die Navigatorin endlich den Schlaf der Gerechten träumte. Und sehr wahrscheinlich brachten ihr ein klarer Kopf und wüste Träume mehr Klarheit, als jedes Gespräch über kaum greifbare Gefühlswolken. "Sicher. Ich begleite dich noch. Meine Füße können sicherlich mal ein bisschen Pause an Deck vertragen."