20.08.2022, 19:50
Do you think that we could see a way?
Nachmittag des 30. Juni 1822
Shanaya Árashi & Talin Dravean
Das Gespräch mit Liam hatte Shanaya aufgewühlt, ihre innere Unruhe noch ein wenig angefacht. Jetzt drehten die Gedanken wieder ihre Kreise, wie ein betrunkener Kompass, der in nächster Zeit nicht herausfinden würde, wo Norden war. Oder irgendeine andere Himmelsrichtung. Nachdem ihre Wege sich getrennt hatten, war Shanaya ein wenig ziellos durch die Stadt geirrt, hatte versucht, über möglichst wenig nachzudenken. Bis ihr Weg sie ganz von allein wieder auf den Markt führte, ihr damit eine wunderbare Möglichkeit lieferte, sich ein wenig abzulenken. Prüfend war ihre Hand kurz in ihre Tasche geglitten, geglitten, hatte nach dem ledernen Beutel getastet, in dem es leise klimperte. Erst dann steuerte sie die Stände an, schlenderte an manchen vorbei, ehe sie an einem zum Stehen kam, der Kleider anbot, Röcke, genau wie vereinzelte Blusen. Für einen Moment huschten die blauen Augen an ihrem eigenen Körper herunter, ehe Shanaya locker mit den Schultern zuckte und sich, nach einer freundlichen Begrüßung des Verkäufers, daran machte, sich die Ware anzublicken. Neue Kleidung schadete nie – wer wusste schon, wann man das nächste Mal auf sie schoss. Oder sie mit einem Messer bedrohte.
Alles, was irgendwie nach Bluse aussah, fiel unter den prüfenden Blick der Schwarzhaarigen, die jedoch vorerst keine Anstalten machte, eine von ihnen zu kaufen. Erst bei einer, deren Stoff weinrot war, wurde die junge Frau aufmerksamer, wog den Kopf etwas zur Seite und blickte sich dann kurz um. Shanaya zögerte nicht lang, zuckte dann mit den Schultern – und fasste sich an den Saum ihrer Bluse, um sie sich im nächsten Moment über den Kopf zu ziehen. Ein erschrockener Laut drang zuerst von der Straße zu ihr, ehe der Verkäufer sie bestürzt anblickte, den Blick jedoch so abwandte, dass er sie nicht ansehen konnte.
„Sie… verzeihen Sie… könnten Sie… vielleicht…?“
Shanaya hob leicht eine Augenbraue, warf dem Mann dann einen amüsierten Blick zu, ignorierte sie Menschen, die an ihnen vorbei liefen – und ihr teils verurteilende, teils bewundernde Blicke zuwarfen.
„Tu nicht so, als hätte hier noch nie jemand nackte Brüste gesehen.“
Damit warf Shanaya sich die rote Bluse über, schnürte die Bänder im Dekolleté so zu, dass ihre Schultern frei lagen und der Stoff gerade ihre Brüste bedeckte. Der Verkäufer wagte sich noch immer nicht, ihr einen Blick zu zuwerfen, dafür drehte die junge Frau sich ein wenig, blickte an sich herunter und gab ein leises, grüblerisches Brummen von sich.