13.07.2022, 18:25
Besserung. Shanaya warf mit ihrer Antwort tatsächlich einige Fragen auf. Wollte er überhaupt kämpfen lernen? Bisher hatte er es auch ohne gut durch sein Leben gemeistert. War es sicherer, wenn man sich selbst verteidigen konnte oder kassierte man dadurch nur mehr Narben? Dazu konnte er sich tatsächlich keine richtige Antwort bilden. Er kannte nur seine Seite. Würde er sich gut oder schlecht anstellen? Aric hatte wirklich wenig Lust, sich schlecht anzustellen und dazu würde es ja irgendjemand mitbekommen. Eine wirkliche Horrorvorstellung.
„Ich denke, vorerst bleibe ich bei meinen Talenten … und lasse lieber Kämpfen.“
Weglaufen oder andere dazu überreden, für ihn etwas zu machen. Bisher hatten diese Varianten ihm bestimmt viele Narben erspart. Wobei man wohl eher sagen musste, hatten nur zu einer Narbe geführt. Der Blick seiner blauen Augen strich einmal über die Schwarzhaarige. So auf die Schnelle konnte der Wahrsager keine größeren Narben erkennen. Möglicherweise blieb man auch verschont, wenn man richtig Kämpfen konnte. Shanayas leises Lachen riss Aric aus seinen Grübeleien. Er lehnte sich mit einem ernsten Gesicht etwas zu ihr herüber und senkte verschwörerisch seine Stimme.
„Verrat es bitte keinem, aber ja, du hast mich erwischt.“
Als er sich wieder aufrichtete, lag ein schelmisches Lächeln auf seinen Lippen.
„Vorausgesetzt, du lernst von mir und versteckst unter dieser durchaus hübschen Hülle eine runzlige alte Frau.“
Tatsächlich hatte der junge Mann bisher nur sehr selten Bekanntschaft mit jungen Wahrsagerinnen gemacht. Es schien, als vertraute die Kundschaft eher den älteren Damen. Jene, die am meisten aussahen wie Hexen. Menschen waren schon sehr merkwürdig. Bei ihm selbst reichten die langen Haare und die Narbe um sein rechtes Auge um einen mystischen Anschein zu erwecken. Aric konnte nicht behaupten, dass ihn dieser Umstand sonderlich ärgerte, immerhin spielte er ihm wortwörtlich in die Karten. Während Shanaya das Wort erhob, erinnerte Aric sich wieder an seinen Bierkrug und hob diesen an die Lippen. Das Getränk war mittlerweile nicht mehr ganz so angenehm kühl, aber zumindest noch trinkbar. Ein weiteres Mal in Vergessenheit zu geraten, würde das Bier jedoch fast ungenießbar machen.
„Eine vollkommen unbegründete Sorge natürlich.“
Erwiderte er kurz mit leicht sarkastischem Unterton, dann widmete er sich wieder seinem Bierkrug. Die neue Mission, das Getränk noch trinkbar zu leeren, gab ihm etwas Zeit, um über Shanayas spöttische Frage nachzudenken. Er ließ sich sehr bewusst Zeit mit seiner Antwort. Zum Einen hatte sie ihn überrascht, indem sie sein Bedauern ansprach. Normalerweise hielten Menschen sich in Sachen Gefühlen eher etwas zurück. Zumindest seinen Erfahrungen zufolge. Zum anderen konnte er so über die Art seiner Erwiderung nachdenken. Der Blick der blauen Augen ruhte ruhig auf der Schwarzhaarigen, während er einen weiteren Schluck aus dem Bierkrug nahm. Dann zuckte er leicht mit den Schultern.
„Darf ein Mann es nicht ein bisschen bedauern, wenn eine interessante Frau sich abwendet?“