09.07.2022, 17:18
Während die Sonne ihren Weg gen Horizont verfolgt, wanderten zahlreiche Gedanken durch den Kopf des Wahrsagers. Am Anfang noch gezielt und geordnet wurden sie mit der Zeit immer weniger nachvollziehbar. Irgendwann dazwischen sanken Aric die Lider über die blauen Augen und er fiel in eine andere Welt. So verstrich die Zeit, was ein großer Vorteil war, denn es gehörte nicht zu den Stärken des jungen Mannes geduldig zu sein. Erst Liams Gruß schreckte den Schlafenden auf. Mit einer fließenden Bewegung stand er auf den Beinen und schaute sich suchend um. Die Augen vor Schreck etwas geweitet. Es dauerte einige Momente, bis die Orientierung zu ihm zurückfand. Im ersten Augenblick befand er sich noch tief in einem wirren Traum, an den er sich nun im besten Willen nicht mehr erinnern konnte. Doch ein Gefühl von Verfolgung und Gefahr hingen noch tief in seinem Bewusstsein. Im zweiten Moment dachte Aric, von einem wütenden Ehemann geweckt worden zu sein und wollte schon die Beine in die Hand nehmen wie schon so oft. Doch noch während er sich geschmeidig von der waagerechten in die senkrechte hob, erkannte er sowohl die Stimme als auch die nächsten Worte. Zumindest musste er sich keine Sorgen über sinkende Reflexe machen. Die Geschwindigkeit, mit welcher er auf seine Beine gekommen war, überforderte ihn schon fast selbst ein wenig. Um den einsetzenden Schwindel etwas zu unterdrücken, presste Aric seine Nasenwurzel für einige Sekunden, fuhr dann mit leichterem Druck der Linie unter seinen Augen folgend, weiter und hielt die Augen dabei geschlossen. Diese Geste half nicht nur, um seinem Körper zu sagen, dass alles in Ordnung war, sondern auch um seinen Geist etwas zu ordnen und die anfängliche Verwirrung abzustreifen.
„Kein Problem“
Der Braunhaarige lächelte den Neuankömmling kurz an. Tatsächlich wäre dies auch die Antwort auf eine tagelange Verspätung. Selbst wenn der Wahrsager innerlich kochen würde. Seine Gründe dafür waren vielfältig. Zum einen würde er niemanden vor den Kopf stoßen, der gekommen war, um ihm bei etwas zu helfen. Zum anderen wäre es in seiner Welt nicht günstig, wenn andere Menschen zu viel über seine Abneigungen erfuhren. Außerdem wäre es auch von Vorteil, sollte er selbst einmal in die Verlegenheit kommen, sich zu verspäten.
„Ich erhebe keinen Anspruch, aber zur Mittagszeit tummeln sich hier gerne die Reichen mit ihren Damen zum Picknick.“
Der junge Mann ließ seinen Blick kurz über die Felder schweifen, dann erschien ein verschmitztes Grinsen auf seinen Lippen.
„Und mir wurde die ganze Zeit weisgemacht, es handle sich hier um Lavendel.“
Das Grinsen breitete sich etwas aus, während er die Worte in gespielter Empörung von sich gab. Tatsächlich lag auch etwas Wahrheit in seinem Scherz. Zwar kannte Aric viele Pflanzen, gerade die Essbaren oder solche, die man als Heilmittel einsetzen konnte. Doch wer wusste schon genau die Namen von allen Pflanzen.
„Aber du hast recht, es ist wirklich sehr schön hier.“