07.07.2022, 12:03
Er lachte leise und warf der Dunkelhaarigen an seiner Seite einen herausfordernden Seitenblick zu. Sollte sie doch die Karte ein wenig modifizieren, sollte er bedeuten. Er hätte sich über die Herausforderung vermutlich sogar gefreut und sie nur am Anfang kurz verflucht, sobald ihm die Finte aufgefallen wäre. Was Orientierung und die Arbeit mit Karten anging, fühlte er sich sicher genug. Vermutlich hätte er auch ohne Karte zurückgefunden. Aber so blieben ihnen vermutlich die schöneren Punkte um Ostya herum verborgen.
„Du vergisst, dass ich gefühlt mindestens genauso viel zu Fuss unterwegs war wie zur See, hm?“, entgegnete er herausfordernd und zwinkerte. „Davon ab, dass ich dich inzwischen gut genug kenne, um zu wissen, dass du niemals in seinen Karten herumkritzeln würdest. Nicht aus so niederen Beweggründen jedenfalls.“
Wenn es darum ging, sie zu verbessern, weil der eigentliche Zeichner sich vertan hatte oder die Wirtschaft die Umgebung inzwischen nennenswert verändert hatte, war es etwas ganz anderes. Er war sich seiner Sache also ziemlich sicher, eine unverfälschte, richtige Karte zu bekommen, bei der er nicht darauf achten musste, ob sie hier und da verschönert wurde. Mit gemischten Gefühlen erzählte er der Dunkelhaarigen von Enriques Verschwinden, wenn auch nur oberflächlich. Weil er wusste, wie Shanaya zum ehemaligen Marineoffizier gestanden hatte. Er selbst erlaubte sich noch immer kein genaueres Urteil – davon abgesehen, dass er die Art und Weise noch immer ziemlich verwerflich fand. Aber ob er nun zurückkehrte oder nicht – Er versuchte, es neutral zu sehen und nicht weiter darüber nachzudenken, ob er hoffte, dass sie ihn wieder einsammelten oder nicht. In erster Linie, weil er Konsequenzen befürchtete. Konsequenzen, die er Skadi nicht wünschte. Dementsprechend ließ er Shanayas offenkundige Abneigung allerdings unkommentiert und vertiefte das Thema nicht weiter. Davon ab versuchte er ohnehin noch zu ergründen, worauf die Jüngere so untalentiert hinauswollte. Liam runzelte die Stirn.
„Ehm. Ja? Wir hatten beide die Idee.“ Wenn man’s genau nahm, war es sogar Skadis Idee gewesen, die sie nach Enriques Flucht nur erneut aufgegriffen hatten. Weil Liam die Wanderungen vermisste, die seit jeher ein Teil seines Lebens gewesen waren. Und Ausgleich zu der Zeit, die sie zusammengepfercht auf einem Schiff verbracht hatten. „Denkst du etwa, ich will sie alleine mit mir in den Wald locken? Sie kommt freiwillig mit. Auch, wenn du dir das nur schwer vorstellen kannst.“
Amüsanter Weise war das eine Sache gewesen, die er ihr scherzhaft unterstellt hatte. Aber das Wendigo-Ding ging Shanaya nichts an. Er bemühte sich um eine leicht säuerliche Miene. Wollte sie es gerade wirklich derart undenkbar darstellen, dass jemand gerne Zeit mit ihm verbrachte – abgesehen von Shanaya selbst? Doch plötzlich dämmerte ihm, welche Info der Schwarzhaarigen scheinbar fehlte. Seine Miene hellte sich auf und auf seinen Lippen erschien wieder das liam-typische, fröhliche Lächeln, das man von ihm kannte. Er überlegte kurz, ehe er dran ging, sie aufzuklären.
„… Sie ist die, die mich glücklich macht.“, sagte er dann einfach. Er ging davon aus, dass Shanaya nach ihrem Gespräch verstand, worauf er hinauswollte. „Ich dachte, das wüsstest du.“