02.07.2022, 13:28
Shanayas Blick blieb ruhig nach vorn gerichtet, ohne festes Ziel, ohne ihre Umgebung wirklich wahr zu nehmen. Sie sah die Schemen mancher Menschen, die an ihnen vorbei traten, ohne sie wirklich zu beachten. Liams Worte brannten wie ein Wärme spendendes Lagerfeuer in ihrem Inneren, füllten sie aus. Und trotzdem blieb dieser kältere Teil, der mit Schild und Schwert in den Kampf zog. Aber der Widerstand wurde schwächer, der Knoten löste sich. Die Stimmen, die zu ihr durchdrangen, nahm sie trotzdem kaum wahr, sie waren nicht mehr als ein leises Rauschen. Für einige, lange Herzschläge, schien die Schwarzhaarige beinahe ein wenig abwesend, auf ihren Lippen noch immer ein Lächeln voller Sanftheit.
Erst Liams plötzliche Berührung, die sie in keinem Fall hatte kommen sehen, lockte sie wieder hervor, ließ sie zusammen zucken. Das, was er gesagt hatte, hatte sie wahrgenommen – konnte aber erst jetzt darüber nachdenken. Es bedurfte keiner Nachfrage, es stand außer Frage, was der Lockenkopf meinte. Seine Aufforderung, das Ganze zu genießen, ging in dem Strudel aus Gedanken unter, der sie nach seinen ersten Worten ergriffen hatte. Keine Zustimmung – aber auch keine Widerworte – kamen ihr über die Lippen. Nur ein stiller Blick, ein sanftes Lächeln galt dem Dunkelhaarigen. Vielleicht, weil sie nichts zu erwidern wusste – oder weil sie hoffte, dass dieses Thema damit beendet war. Das musste sie mit sich allein ausmachen, wenn kein Augenpaar immer wieder zu ihr hinüber blickte. Und trotzdem hatten Liams Worte etwas los getreten. Etwas, was keinen Widerstand duldete, was sie zwang, sich zu etwas Gedanken zu machen. Gedanken, die ihr bereits glasklar wären, hätte sie nur darauf gehört. Und damit würde sich so vieles ändern.
Liams Frage ließ sie wieder die Überhand gewinnen, das Chaos zumindest vorerst wieder hinter einer Mauer zu verbergen, deren Steine und Fugen zwar Risse aufwiesen, dem jedoch Stand halten konnten. Vielleicht auch, weil eine viel zu vertraute Stimme in ihrem Kopf wieder hallte, Worte sprach, die für kurze Zeit geholfen hatten, diese Mauer fester und undurchlässiger zu werden. Es blieb dabei, dass sich einiges ändern würde, wenn vielleicht auch nur für Shanaya selbst. Aber noch einmal schob sie all das nach hinten, konzentrierte sich nur auf die unverfängliche Frage des Mannes, die sie tief durchatmen ließ.
„Du weißt, mit wem du sprichst?“
Ihr Lächeln, noch von vorheriger Sanftheit geprägt, hatte nun wieder einen gewohnten Ausdruck, die leichte Herausforderung, die so oft in ihrer Stimme mit schwang. Was für eine Frage!
„Wir können zur Sphinx gehen, dann kann ich sie dir geben. Aber nur, wenn du mir verrätst, was du vor hast.“