29.06.2022, 15:18
„Das ist vielleicht das, was du verstehen wolltest.“, korrigierte er ihre Entrüstung mit einem Schmunzeln. „Wirkt so, als käme selbst dein eigenes Ego nicht mehr aus, ohne sich hier und da ein bisschen runterzubuttern, hm? Vielleicht ein Selbsterhaltungstrieb, damit es nicht explodiert.“
Seine Stimme nahm etwas Forschendes an, während er sie freundschaftlich aufzog. Wenn es jemand vertragen konnte, dann gewiss die Schwarzhaarige. Und wenn man mal ehrlich war – wenn sie zusammen unterwegs waren, waren sie selbst das letzte, was sie wirklich ernst nahmen. Mit ihrer nächsten Vermutung hatte sie zudem wahrscheinlich sogar Recht. Nicht per se, weil sie Shanaya war, sondern weil es genügend Männer auf der Welt gab, die sich anders nicht auszuleben wussten. Für den Moment wusste Liam nicht so recht, ob sie dieses Thema nun ernsthaft philosophieren wollten. Aber sie kamen ja sowieso meist vom Einen zum Anderen.
„Ich schätze, das kommt ganz darauf an, welche Art von Männern du anlocken willst.“ Sein Blick wanderte kurz über die Gestalten auf der Straße, die sie entlangschlenderten, ohne ihr bisher noch groß Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Um die Mittagszeit trieben sich hier kaum zwielichtige Gestalten herum. Ein Beispiel blieb er ihr also vorerst schuldig. „Ist ein bisschen wie beim Angeln. Mit etwas Geduld bekommst du immer etwas. Der Köder entscheidet, ob es das ist, was du wolltest oder eben nicht.“
Eine sehr simple Darstellung, die er vermutlich nicht mal in den Sinn gekommen wäre, wäre es um Frauen gegangen. Er schmunzelte amüsiert, als sie beteuerte, dass nicht einmal ein ausgiebiges Bad reichen würde, um die Nähe eines Mannes zu suchen, bemaß dem aber nicht sonderlich viel Bedeutung. Zum einen, weil sie jung und diesbezüglich unerfahren war. Zum anderen, weil es ihm gar nicht um irgendeinen dieser Männer gegangen war, sondern um einen bestimmten. Einen, um den die kleine Krähe direkt wieder herumzuschiffen versuchte, obwohl es längst ein offenes Geheimnis war. Im Grunde hatte er ja damit gerechnet. Er zog sie kurzerhand mit seinem Arm ein Stück näher an sich heran und senkte die Stimme.
„Oh, ich glaube, das ist nicht nötig. Er und ich haben schon mehr Rum zusammen getrunken als uns gut tut.“
Ein flüchtiger Blick aus den Augenwinkeln galt Shanaya, ein beiläufiges Zwinkern, ehe er ihr wieder mehr Raum ließ und gut gelaunt weitermarschierte.
„Und wie es scheint, hat er auch gleich deine gute Laune zurückgebracht. Was wollen wir also mehr?“