28.06.2022, 10:25
Nichts an ihrer Antwort wunderte ihn, verstärkte aber den ersten Eindruck, dass die dunkle Wolke, die sie über die letzten Tage hinweg begleitet hatte, davongezogen war. Er wog den Kopf zwar noch ein wenig skeptisch zur Seite, blieb ihr den Konter aber vorerst schuldig. Er fühlte sich weder geblendet noch ungesund beleuchtet, was ihm – bei der Empfindlichkeit, die ihm seit des letzten Katers noch immer leicht in den Gliedern steckte – mit Sicherheit aufgefallen wäre. Davon ab: Vielleicht prallte schlechtes Licht nicht nur von Shanaya ab, sondern ging von ihr aus. Wie eine kleine dunkle Sonne, neben der alles verblasste. So, wie sie gerade strahlte – also insgesamt und nicht wegen des abprallenden schlechten Lichtes, das dadurch gänzlich auf ihm lag – erschien ihm die Metapher irgendwie passend.
„Damit wäre ich vorsichtig. Vielleicht hast du auch eigentlich in Stinkwurz gebadet und man hat dir nur eine schöne Geschichte dazu erzählt?“
Nach Stinkwurz roch es aber definitiv nicht, so viel konnte er sagen. Exotisch passte schon, ein süßlicher, fruchtiger Geruch mischte sich dazu. Alles in allem angenehm, aber auf einer Straße mit so vielen Menschen kaum separat wahrzunehmen. Sein Glück, dass er sie am Arm hängen hatte und so exklusiv in den Genuss dessen kam, was man ihr im Badehaus verkauft hatte. Auf ihren Seitenhieb zuckte er entschuldigend mit der Schulter, lauschte aber schmunzelnd ihren weiteren Überlegungen, bis er leise auflachte und flüchtig den Kopf schüttelte.
„Wie kommst du auf die Idee, dass das einen Unterschied machen würde?“, fragte er mit ehrlicher Neugier, ließ aber schon durchblicken, dass er sie bezüglich dieses Gedankens enttäuschen musste.
Sex war zum Glück nichts, was an eine Maximalzahl pro Tag geknüpft war. Weder das Eigentliche, noch die Anzahl derer, mit denen man sich das Bett teilte. Und vor allem: Weder für Männlein, noch für Weiblein, selbst wenn die Gesellschaft das anders sah. Liam war offen. Jede Frau hatte das Recht darauf, sich auszuleben. Und was interessierte ihn da sein Vorgänger oder Nachfolger? Und die Frauen, mit denen er in seinem Leben bislang zu tun hatte, hatte es ebenso wenig bei ihm interessiert.
„Hast du dir im Badehaus also einen angelacht?“, fragte er dann frei heraus und ging einfach davon aus, dass sie ihm einfach nicht antworten würde, würde sie es nicht wollen. Vermutlich würde ihre nonverbale Reaktion ohnehin genug Auskunft geben. Aber hey – er gönnte es ihr. Und er würde nicht fragen, würde er davon ausgehen, dass Shanaya diese offene Direktheit nicht ertrug. „Oder habt ihr das Badehaus nur getrennt verlassen, damit euch niemand zusammen sehen kann?“
Auf wen er anspielte, war eigentlich recht ersichtlich.