27.06.2022, 18:10
Alex‘ Blick wurde mit jedem Wort, das Soula sprach, skeptischer. Nicht des Themas wegen. Viel mehr, weil sie ständig so unscheinbar dreinblickte und ihm jetzt einen Vortrag über Dämonen und dunkle Künste aus dem Stehgreif halten konnte. So mürrisch und abgebrüht er auch meistens auftrat – den Glauben an Magie hatte er tatsächlich nie ganz verloren. Auch, wenn sie in der ersten Welt nicht weit verbreitet war und einem so gut wie nie über den Weg lief – er war sich durchaus sicher, dass es Dinge gab, die man nicht mit purer Rationalität erklären konnte. Tränke, ja. Taschenspielertricks, die über Täuschung hinausgingen. Dämonen allerdings – daran glaubte er nicht. Aber die Selbstverständlichkeit, mit der Soula diesem Thema gerade begegnete, während er sich nur darüber hatte lustig machen wollen, sagte ihm, dass sie es tat. Und mit ihr scheinbar genug gebildete Leute, dass es darüber Bücher gab. Bücher, die nicht frei zugänglich waren, weil die Menschen sich davor fürchteten. Er wusste noch nicht so recht, was er davon halten sollte.
„So ganz desinteressiert scheinst du an diesen Themen ja nicht zu sein.“, versuchte er ihr stattdessen ein kleines Geständnis zu entlocken.Seine Stimme war neutral. Er ließ nicht durchblicken, ob er gerade glaubte, einen Gleichgesinnten gefunden zu haben oder ihr am liebsten ein Attest ausgestellt hätte, auf dem geschrieben stand, dass sie nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte. Letztlich allerdings war er es aber ja gewesen, der das Thema in den Raum geworfen hatte. Dementsprechend vorsichtig musste er auch sein. Sollte sie nur glauben, dass er es ähnlich sah. Dass er an mehr glaubte, als die Wirkung von Pflanzen oder anderen Stoffen. Kam ihm im Augenblick nur zugute und wenn sie es glauben wollte, sollte sie doch.„Könnte es, klar.“, zuckte er auf ihre Rückfrage dann mit der Schulter und blickte die Straße entlang. „Aber es ist nicht ihre Art.“Fast hätte er sich sogar versprochen, da er länger über eine Relativierung nachgedacht hatte, als ihm lieb war. Er kaschierte es, indem er wieder ein undurchsichtiges Schmunzeln auftrug und Soula neugierig musterte.„Davon ab – würdest du offen fremdgehen?“ Als Frau? In ihrer Zeit? Keine sonderlich gute Idee. Aber auch nur ein Umstand, der seine Geschichte beeinflusste, nicht die Wahrheit dahinter. „Glaub‘, das ist gar nicht mal so schlecht. Ich glaube nämlich wirklich, dass man nicht sonderlich erfreut über unsere Anwesenheit ist.“Alex hatte die Stimme etwas gedämpft und warf Soula einen ‚falls du verstehst, was ich meine‘-Blick zu, schob dann kurz die Augenbrauen nach oben und holte tief Luft. Wirklich etwas dagegen machen, konnten sie nicht. Nicht mehr jedenfalls, als aufmerksam bleiben und ihren Feinden einen Schritt voraus sein. Mit ihrer offenen Zuneigung tat er sich ein wenig schwer. Nicht, weil Soula ihm das Gefühl gegeben hatte, dass er vorsichtig bleiben musste, sondern weil es ihn skeptisch stimmte. Er war gewohnt, dass die meisten Menschen etwas von einem wollten für ihre Hilfe. Zweckbeziehungen, Oberflächlichkeit. Er suchte den Haken, weil er gerne wusste, womit er zu rechnen hatte. Aber die Jüngere gab ihm keinerlei Anhaltspunkte dafür. Alex fuchste es, etwas nicht zu wissen. Aber er überspielte es großspurig und selbstsicher mit einem Grinsen.„Mir soll’s recht sein, solange ich dadurch nicht auf einer weiteren Todesliste stehe.“Ob sie den Bogen zu Kieran schaffte, würde sich zeigen. Ihr Wachhund jedenfalls zeigte sich oftmals nicht sonderlich beeindruckt, wenn er nicht mit Gassi gehen durfte. Alex entgingen die Blicke nicht. Ihn hätte es auch nicht gewundert, wenn er ganz zufällig irgendwo hier herumstromerte, um sie im Blick zu haben. Er hatte auch herzlich wenig Angst vor seiner Todesliste. Im Zweikampf war er ihm nämlich mit Sicherheit weit überlegen.„Oh, mach keine Versprechungen, die du nicht halten kannst, meine Liebe.“, entgegnete er dann seinerseits mit einem Lachen. „Davon ab, dass meine Tränen uns kein bisschen voran bringen würden.“Das Schiff war ausgelaufen. Seine Tränen waren viel, aber sicherlich nicht jungfräulich. Seine Stimme war trotzdem voller freudiger Erwartung, ob sie das wirklich versuchen würde. Mit dieser Offenbarung half er Soula über ihrem Kopf hinweg, die schwere Tür der Bibliothek aufzuschieben. Kühle Luft schlug ihnen entgegen und seine Augen brauchten einen Moment, bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Ihre Schritte hallten auf dem kalten Stein wieder, während sich Alex hinter der kleineren Gestalt hielt. Bislang ähnelte der Aufbau den Bibliotheken, die er bislang mit Liam besucht hatte. Da hatte er allerdings nicht so tun müssen, als wüsste er, wie man sich in einer Bibliothek verhielt, wenn man etwas darin suchte.„Ich wette mir dir, dass sich die Hälfte der Leute hier drin nur deshalb hier tummelt, weil es ihnen draußen zu warm ist.“, flüsterte er und folgte ihr.