26.02.2022, 14:38
War das Sehnsucht, die er da aus ihrer Stimme heraushörte? Sein Blick lag für einen Moment auf ihrem Hinterkopf, ehe er ihn wieder an den Masten vorbei gen Horizont hob. Er wusste – oder ahnte-, dass Shanaya in ihrer Kindheit mehr wie der Vogel im Käfig gewesen war. Er hatte die Freiheit, die er von Kindesbeinen an besessen hatte, nie als Privileg gesehen. Und auch später hatte er es eigentlich nie in Frage gestellt. Er kannte es nicht anders. Anfangs hatte er keine Wahl gehabt, war bei seinem Vater geblieben und ihm gefolgt, wohin es ihn gezogen hatte. Später dann, als er älter gewesen war, waren es die gemeinsamen Ziele gewesen, die sie angesteuert hatten. Bis seine eigene Reise begonnen hatte.
„Ich kenne es nicht anders.“, meinte er ehrlich, empfand aber keinerlei Schuld dafür.
Er hatte es sich nicht ausgesucht – genauso wenig, wie sich Shanaya ihr Leben ausgesucht hatte. Hätten sie je eine Wahl gehabt – vermutlich hätten sie sich beide anders entschieden. Im Gegensatz zu der Dunkelhaarigen hatte Liam aber keinen Grund, seine Vergangenheit zu bereuen. Oder das Gefühl zu haben, etwas verpasst zu haben. Als sie Greo erwähnte, schmunzelte er hörbar. Der Hüne und er hatten zwar noch nie sonderlich viele Berührungspunkte gehabt, aber er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie Recht sie doch hatte. Greo war ihm nie vorgekommen wie ein Mann vieler Worte. Und Schweigen machte zwangsläufig geheimnisvoll.
Gut gelaunt nahm er zur Kenntnis, dass sie ganz wie erwartet kaum eine Möglichkeit hatte, sein Argument zu entkräftigen. Ebenfalls etwas, was sie vermutlich bei nicht einmal einer Hand voll Menschen auf diesem Schiff zugegeben hätte. Da war es selbstverständlich, dass er gar nicht lange zögerte, sein Wort zu halten.
„Jetzt sofort?“, fragte er rein zum Verständnis, ehe er das Wort lauter erhob. „Hey, alle mal hergehört.“
Schelmisch fing er den Blick Shanayas auf, ehe er zu den Leuten aufs Deck blickte, die auf seine Worte hin den Kopf fragend gehoben hatten.
„Ich möchte verkünden, dass Shanaya Árashi der herzensguteste Mensch ist, den ich kenne.“, rief er und sah schon, wie die ersten sich wieder kopfschüttelnd, ungläubig und stirnrunzelnd an die Arbeit machten.